Review Kratein – Trauma

  • Label: Folter
  • Veröffentlicht: 2010
  • Spielart: Black Metal

Mit dem Anspruch auf Niveau, welchen so manche moderne Black Metal-Band erhebt, ist es immer eine schwierige Sache: Denn wo alle gerne „Sophisticated Black Metal“ spielen und hören wollen, wirken manche Versuche, das eigene Schaffen künstlich zu überhöhen eher gegenteilig.
Als das noch immer effizienteste Mittel, als gebildet und niveauvoll eingestuft zu werden, gilt, neben dem obligatorischen „Konzeptalbum“, – natürlich – das Griechische. Altgriechisch, die Sprache der Philosophie, Humanismus als höchste Form modernen Elitedenkens… „Humanismus – hauptsache man weiß was, was andere nicht wissen“ brachte den Kern dieser Mentalität unlängst der österreichische Kabarettist Hader auf den Punkt.

Ähnliches stelle ich bei KRATEINs erstem Werk, „Trauma“, fest:
Ein altgriechisches Verb, hinter dem sich der nicht gerade bescheidene Anspruch, zu „dominieren“ oder „beherrschen“ verbirgt, ein Konzeptalbum – ich zitiere den Info-Text auf der offiziellen Myspace-Seite, focused on the physical and mental decay of man through daydream-like attempts to escape from reality, das Ganze dann unter dem schwungvollen (selbstverständlich humanistisch-gebildet-altgriechischen) Albumnamen „Trauma“ veröffentlicht. Als ob das alles nicht genug des guten wäre, lässt man keine Gelegenheit aus, das eigene Niveau aufblitzen zu lassen (und dabei so unbewusst wie plump weitere Klischees zu erfüllen): Denn Songtitel sind, wenn man etwas auf sich hält, sowieso schon lange ein No-Go, schließlich könnten diese ja zu viel über das vielschichte Konzept der Songs verraten und den Hörer so beeinflussen. Da eine bloße Nummerierung aber banal wirken könnte, haben KRATEIN sich folgerichtig auch hier nicht lumpen lassen und diese schnell ins Griechische übersetzt… einzig, dass man sich dabei für die neugriechischen Kardinalzahlen entschieden hat, ist ein bisschen schade.

Durch so viel konzeptionelles Niveau schon im Vorhinein stark beeindruckt, kann ich die Spannung, was sich die Herren Musiker (welche man im Übrigen bereits aus illustren Formationen wie Todtgelichter, Atras Cineris oder Signum:Karg kennen könnte) auf ihrem Fachgebiet, der Musik, so haben einfallen lassen, kaum ertragen… und fühle mich eine knappe halbe Stunde später in allen meinen Erwartungen bestätigt.
Denn was mit dem ersten Track, welcher aus Sprachsamples von Politikern und Nachrichtensprechern zu allen möglichen Themen, von Katastrophen wie Tschernobyl bis hin zum „Urbi et Orbi“, zusammengebastelt ist, noch ganz gelungen beginnt (man fühlt sich beispielsweise an das mit dem Bahnhofsansagen-Sample zum Kirchentag beginnende Lantlos-Album erinnert), entpuppt sich schon bald als eine, in eine Wolke aus durch vehementes Klischee-Breittreten aufgewirbelten Staub gehüllte Belanglosigkeit: Sechs Songs umfasst das Werk – zieht man hiervon das Intro sowie das obligatorische Instrumental („Tésseris“) ab, welches sich über fünf Minuten in mehr oder weniger gefühlvollem Akustikgitarrenspiel ergeht, um schließlich in der gesampleten Weisheit „Wenn wir träumen, betreten wir eine Welt, die ganz und gar uns gehört. Vielleicht durchschwimmt ihr gerade den tiefsten Ozean oder gleitet über die höchste Wolke“ zu gipfeln, bleiben also gerade einmal 25 Minuten „richtiges“ Songmaterial… dass das erwähnte Sample nicht, wie man zunächst vermuten könnte, Muttis Meditations-Kassettensammlung entstammt, sondern sich nach einigen investigativen Recherchen der Verfilmung von „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ (Filmspielzeit ab 48:52) zuordnen lässt, verleiht der Stelle im Übrigen nur geringfügig mehr Epik.
In dieser knappen halben Stunde bekommt man in nicht gerade beeindruckender Sound-Qualität nicht gerade beeindruckende Musik zu hören: Ist der Gesang über weite Strecken viel zu leise und geht stellenweise im Gesamtsound fast unter, klingen die Cleangitarren, so es sich denn nicht um eine Ukulele handelt, grausam dünn, die verzerrten zu undifferenziert so dass sie in den härteren Passagen gerne mal sie im Becken-Brei verlorengehen. Ob es sich darüber hinaus bei Effekten wie dem spontan – oder zumindest aus für den Hörer gänzlich unnachvollziehbarem Grund – einsetzenden Hall auf der Stimme in „Tria“ (0:40) um einen Unfall, Leichtsinn oder (wohl am wahrscheinlichsten) eine tief im Albumkonzept verwurzelte Notwendigkeit handelt, ist nicht zu eruieren – gelungen klingt auf alle Fälle anders.
Das wäre alles nicht so schlimm (schließlich reden wir hier immernoch von Black Metal), wenn, ja wenn wenigstens das Songmaterial zu beeindrucken wüsste. Doch auch hier jagt ein gesichtsloses Platzhalterriff das nächste, auf mitreißende Momente wartet man lange vergebens. Erst „Pente“ weiß durch eine gelungene, größtenteils akustische zweite Hälfte zu überzeugen… die kaum zu vernehmende Stimme in der ersten Hälfte hingegen hätte man sich genausogut schenken können.

Dass KRATEIN für dieses Album auch noch abgefeiert werden, sagt wohl weniger über die Band, beziehungsweise das Album selbst, denn über die Szene als solche aus, die offenbar nach allem dürstet, was sich „Avantgarde“ oder „Niveau“ auf die Stirn geschrieben hat – vollkommen ohne dieses Etikett nochmals zu hinterfragen. Da die Musiker ja andernorts schon bewiesen haben, dass sie nicht unbegabt sind, besteht zumindest die theoretische Chance, von KRATEIN in Zukunft überzeugenderes zu hören. Mit „Trauma“ können sie jedoch (zumindest mich) noch in keiner Hinsicht überzeugen.

Wertung: 3.5 / 10

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