Review Mayfair – Schlage mein Herz, schlage …

Tatsächlich – nachdem in diesem Jahr bereits eine Wiederauflage des 1993er Kultalbums „Behind“ bewerkstelligt wurde, legen die Österreicher von MAYFAIR nach 15 Jahren Funkstille ein neues, „Schlage mein Herz, schlage …“ betiteltes Studiowerk vor. Ich gebe es gerne und offen zu: Mich hat die Wiederveröffentlichung von „Behind“ unglaublich neugierig auf die neuen Songs der Truppe gemacht, war doch die zu Beginn der 90er-Jahre gespielte Mischung aus Rock, Prog und Gothic eine wirklich gelungene, wenn auch schwer zu fassende Melange, die mich über Wochen hinweg in ihren Bann geschlagen hatte. Auf was ich gewartet habe, war nicht weniger als eine Fortsetzung dieses Rauchzustandes. Schlägt es also noch, das Herz, das im Titel beschworen wird?

Wie schon andere Coverartworks zuvor zeigt sich die neue CD in einem schlichten, minimalistischen Gewand mit stimmungsvollen Nebelwänden. In Abgrenzung dazu besticht die Produktion durch ihre Transparenz, die noch kleinste Spielereien hörbar macht; das Werk klingt zwar modern, ist aber – dankbarerweise – nicht ziellos überfrachtet oder durch unnötige Spuren belastet.

Auch in puncto Texte ist sich die Band treu geblieben; neben dem Englischen und kommt auch wieder das Deutsche zum Einsatz, allerdings seltener in Form gekonnter Mischung innerhalb eines Stückes. Es wechseln sich eher mit den einzelnen Songs auch die Sprachen ab (lediglich „Bitter Sweet“ und „Island“ greifen auf beide Sprachen zurück). Vorgetragen werden diese Texte weiterhin von der klaren Stimme von Mario – aber hier tritt ein erster, durchaus gewichtiger Unterschied auf. Denn die hohen, sirenenartigen Falsettpassagen, die sich noch auf früheren Stücken fanden, gehören vollständig der Vergangenheit an. Stattdessen werden stimmlich andere Wege eingeschlagen, namentlich tiefere, häufig aggressivere. Das mag unter anderem dazu beitragen, dass die Gesamtatmosphäre von „Schlage mein Herz, schlage …“ weitaus weniger polymorph ausgefallen ist, als bei „Behind“. Den größten Beitrag hierzu liefern aber – wie sollte es anders sein – die Songs selbst.

Denn obwohl auch der neue Output sich einer klaren Etikettierung verweigert, so ist er doch um ein ganzes Stück weniger komplex und eigenwillig ausgefallen, als dies noch bei „Behind“ der Fall war. Und das ist das große Manko der CD, die – gäbe es diese historische Hypothek nicht – sicher anders bewertet werden müsste. Aber es gibt sie eben. Und sie wirft vor allem in Sachen Rhythmusarbeit einen weiten Schatten. Denn mit dem Besetzungswechsel am Bass und am Schlagzeug geht eine weitaus geradlinigere Ausrichtung der Stücke einher; zwar ist man noch Meilen von stumpfsinnigen Rockrythmen entfernt, aber das enorm proggige Schlagzeugspiel von „Behind“ findet sich nicht mehr. Und das schmerzt mich.

Abseits dieser handwerklichen Kritikpunkte muss man dann aber auf die Ansammlung eigenwilliger Stücke verweisen, die sich auch dieses Mal ausmachen lassen und die die Bewertung dieses Albums zu einer Zerreißprobe machen. Viele sind gut, ein nahtloser Anschluss an vergangene Großtaten stellen sie aber nicht dar. Der Titeltrack besticht vor allem durch seinen sehr eingängigen Refrain und durch den Umstand, dass er eine funktionierende Schnittstelle zwischen proggigen Metal und Gothic darstellt. Auch die düstere, melancholische Stimmung ist hier zu spüren, eine Stimmung, die sich am stärksten in dem tollen Stück „Island“ verdichtet. Hier wird der Hörer mit tieftraurigen Melodien so lange niedergedrückt, bis der Song still und nachdenklich mit einigen, vereinzelten Schläge auf dem Ride-Becken endet, die wie das Absterben eines Herzschlages in einem kurzen Echo verklingen.

Das wären sie gewesen, die großen Momente, auf die ich gewartet habe. Es gibt sie, fraglos, man findet sie in „Du allein“ und den geradlinigen Rocknummern „Wwwrong“ oder „Drei Jahre zurück“, auch „Tric Trac“ macht Spaß. Alles in allem setzen MAYFAIR anno 2013 weniger auf Gothic als viel mehr auf das im Allgemeinen verdaulichere Morbide des österreichischen Pop-Noir, eine Art Apokalyptik mit Sachertorte. Das geht soweit in Ordnung und man müsste wohl von einer guten CD sprechen, wenn nicht …

… zum Beispiel sich eben auch ein ziemlich langweiliger Song wie „Abendp_rno“ auf der CD befinden würde. Hier stimmt beinahe nichts, die Stimmung des Songs zieht nicht und der Text hat eine unhaltbare Tendenz ins Lächerliche. Auch der Abschlusssong „Der Abschied“ misslingt, obwohl der Gedanke nahe lag, die CD mit einem enorm ruhigen, getragenen Stück ausklingen zu lassen. Aber das Resultat ist ein wenig inspirierter, teils nervender Song, der in seiner ganzen Art gekünstelt und unpassend klingt. Schade. Schade!

Was soll ich tun? MAYFAIR haben – auch wenn dies an manchen Stellen so klingen mag – KEIN schlechtes Album veröffentlicht. Man hat auch auf der neuen CD eine Handvoll stimmungsvoller Stücke aufnehmen können und behauptet seinen Platz als eine jener eigenwilligen Bands, die die Szene definitiv braucht. Persönlich kann ich eine gewisse Enttäuschung nicht verbergen; vielleicht habe ich viel erwartet. So oder so: Es ist schön, die Österreicher wieder zurückzuhaben. Das Herz, es schlägt …

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Manuel Förderer

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