Review Melkor – Ferne

  • Label: Eigenproduktion
  • Veröffentlicht: 2009
  • Spielart: Black Metal

Ein Debütalbum eines deutschen Black Metal-Projektes mit einer Spielzeit von über einer Stunde – das lässt doch gutes erhoffen. Nicht mindernd auf die Vorfreude wirkt sich dabei aus, dass der Kopf hinter dem Projekt, Patrik Baumann, kein unbeschriebenes Blatt ist – war er doch als Bassist bei Nocte Obducta aktiv und auch an deren Nachfolgeband Agrypnie beteiligt.

Den Erwartungen an ein derart umfangreiches Werk entsprechend opulent beginnt „Ferne“ mit einem orechstral anmutenden Intro, um das herum sich dann die Gitarren und der sehr tief gefauchte Gesang arrangieren, um alsdann in einen Break, gefüllt mit düsteren Synthesizer-Klängen, zu münden. Erst hier beginnt der Song dann richtig: Wuchtige Gitarrenriffs, ein sehr voller Klang und die sehr bedachte und ruhige Stimme von Patrik Baumann wissen durchaus zu überzeugen.
Auch im Weiteren bietet sich dem Hörer eine vielfältige Klanglandschaft, die nur schwer einzuordnen ist: Die schnellen Melodien erinnern teils an schwedischen Black Metal, der Gesang und die Riffs etwas an Helrunar und Konsorten, die ruhigeren Parts hingegen sind relativ individuell, zumal musikalisch schön ausgearbeitet und von eleganten Bassläufen untermalt.
Auch Textlich ist man den eben genannten Helrunar wohl nicht allzu fern: Die nahezu ausschließlich auf deutsch verfassten Texte drehen sich – bei Songtiteln wie „Winter“ oder „Morgentau“ auch nicht schwer zu erraten – zumindest oberflächlich betrachtet ebenso um Natur und archaische Gefühle. Dabei sind Verse wie „Und ein sterbender Wolf jagt ein frierendes Reh – seine mageren Klauen graben sich in den Schnee“ zwar sicherlich nicht die Vorreiter der deutschen Nachkriegslyrik (und das nicht nur aufgrund der „mageren Klauen“, die sich mir nicht völlig erschließen wollen), aber doch durchaus lesenswert, da sie die Stimmung der Songs trefflich untermalen – und inhaltsleerer als „Ich kenne ein Grab, älter als das Kreuz – zwischen Sonne und Mond“ sind sie allemal nicht (und damit wurden Helrunar im deutschen Pagan Black Metal immerhin nahezu genreführend).
Von der musikalischen Seite her setzt man hier jedoch auf mehr Vielseitigkeit, auch wenn die Progressivität nicht an die Genregrenzen des Black Metal heranreicht, sondern eigentlich stets relativ traditionell bleibt – dass man hier „alle Register dieses Genres“ zieht, wie im Informationsblatt angekündigt, kann ich nicht wirklich unterschreiben.
Dabei entwickeln die Songs zwar eine sehr dichte Atmosphäre, was wohl zum Teil auch daher rührt, dass sie durch die sehr eigene Art der Melodieführung, die ihnen allen eigen ist, eng miteinander verbunden sind, wirken aber leider dennoch teilweise etwas zerfahren und schwer nachvollziehbar: Zugleich Vorzug und Schwachpunkt der Musik von MELKOR sind dabei die sehr unüberschaubaren Soungstrukturen – mit den Ideen eines solchen Songs würde so manche andere Kapelle wohl ein ganzes Album füllen.
Vorzug deshalb, weil man so auch beim x-ten Durchlauf noch etwas zu entdecken hat, und das Album so eigentlich nicht langweilig werden sollte; Schwachpunkt jedoch, weil die Songs dafür bis zum x-ten Durchlauf mitunter etwas sperrig, unnachvollziehbar und somit etwas etwas schwer verdaulich sind, beziehungsweise bleiben – und das Album genau deshalb gerade in der zweiten Hälfte doch einige Längen aufweist.
Etwas paradox mag es vielleicht wirken, dass das Album trotz der großen Zahl guter Ideen, die ihren Weg auf das Album gefunden haben, langweilig sein soll – verbindet man langweilig doch zumeinst mit sich ständig wiederholendem, anspruchs- und innovationslosem Geschredder.
In diesem Fall ist die mangelnde Spannung viel eher dadruch zu erklären, dass die meisten Ideen aus dem Gesäge der Gitarren oder den sich mit der Zeit immer ähnlicher werdenden Cleanparts herausgehört werden wollen, so dass es die volle Konzentration des Hörers in Anspruch nimmt, aus dem in sich geschlossenen, atmosphärisch dichten Album eben diese herauszuhören.

Ist man nicht dazu bereit, dem Album volle Aufmerksamkeit zu schenken, wird man an „Ferne“ wohl nicht all zu lange Freude haben – spätestens ab der Hälfte hört man in diesem Fall nurnoch die relativ monotonen oberen Schichten der Kompositionen. Ist man jedoch gewillt, sich über viele Durchläufe hinweg eingehend mit dem Werk zu befassen und tiefer in die Songs einzudringen, gibt es auch hier einiges zu entdecken – wobei durchaus die Frage gestellt werden muss, ob man sich nicht einen größeren Gefallen getan hätte, hätte man nur die Hälfte der Songs auf das Album gepackt und diese dafür noch etwas hinsichtlich ihrer Vielfältigkeit ausgebaut. So wirkt das Werk schlicht zu behäbig und unnachgiebig, lässt es sich seine Geheimnisse doch sogar für meinen Geschmack erst nach zu langem Kampf entreißen.

Anspieltipp: Der Titeltrack, „Ferne“, der eigentlich alles in sich vereint, was dieses Album ausmacht.

Wertung: 6.5 / 10

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