Review Mistur – Attende

Bald hat man den Eindruck, es gebe am Sognefjord mehr Windir-Nachfolgebands als Elvis-Imitatoren in Las Vegas. Nach Vreid und Cor Scorpii steht nun mit MISTUR die dritte Gruppe an, die zumindest mit Stian Bakketeig noch ein Mitglied der 2004 aufgelösten Schwarzmetaller enthält.

Und um es vorweg zu nehmen: Das hier vorliegende Debüt der sechs Norweger klingt noch um einiges stärker nach Windir als alles zuvor Gehörte. „Attende“, so der Titel dieses Langeisens, könnte sich mit wenig Fantasie direkt in eine Diskografie hinter Windirs „Likferd“ einordnen lassen. Nicht nur das heisere Fauchen Odnes tönt so, als hätte man den vor fünfeinhalb Jahren verstorbenen Valfar aus dem Grabe ans Mikro gezerrt. Vor allem auch die mal dröhnenden, mal singenden Gitarren liegen verdammt dicht bei dem, was der „Vorgänger“ auf seinem letzten Album erschaffen hatte. Dazu kommt, dass manche Passagen, wie das ruhige Outro von „Svartsyn“ eine nahezu identische Stimmung aufbauen, wie dies bereits bekannte Windir-Nummern taten (in diesem Falle „Journey To The End“ von deren 1184-Platte).

Gelegentlich heben sich MISTUR doch von dem „großen Vorbild“ ab. Im Großen und Ganzen bedeutet das, dass der „Sogna-Sound“ 2009 um ein paar Aspekte erweitert worden ist. An leise Frauengesänge und Chorelemente, sphärische Keyboardteppiche, Akustikgitarren oder Klavierpassagen kann ich mich zumindest nicht bei Valfars Kriegern erinnern, MISTUR scheuen davor jedoch nicht zurück. Besonders deutlich wird dies beispielsweise bei „Armod“, welches am deutlichsten Aufzeigt, wie gut der massive Windir-Einfluss mit den – dezenten – eigenen Ideen von MISTUR harmoniert.

„Attende“, das „Achtzehnte“ (so der deutsche Name) hält dabei über eine Spielzeit von einer knappen Stunde ein ausgesprochen hohes Niveau. Die Atmosphäre, die die sieben Songs erschaffen, erscheint – mal wieder – wie nicht von dieser Welt. Das Outro von „Attende“ kommt dabei in seiner tiefen Melancholie sogar fast an das von mir glühend verherte „Fagning“ heran. Wie Kollege Döll sich fragt, so muss man sich wirklich wundern, ob das Trinkwasser dort in Sogndal nicht etwa mit bewusstseinserweiternden Substanzen versetzt ist. Die sechs Herren beweisen auf ihrem Debüt, dass sie alles andere als unerfahrene Burschen sind, und wissen einfach genau, wann welches Riff zu sitzen hat oder wie man den Hörer rhythmisch vom Sessel fegt.

Wie aber beurteilt man eine Band, die im Grunde nur eine halbe eigene ist? Zweifellos gibt es eine Menge hungriger Hörer, die nach Windirs tragischem Ende nicht genug kriegen können von allem, was ähnlich wie die verblichenen Helden klingt. Dass für jene an „Attende“ kein Weg vorbei führt, ist nahezu überflüssig zu bemerken. Dass der gute Stian sich aber manches mal – so er es denn war, der die Songs in diese Form gegossen hat – derartig frech aus Valfars Schatztruhe bedient bzw. dessen Stil so detailgetreu nachahmt, ist eigentlich schon wieder unverschämt. „Attende“ ist eine großartige Platte, ohne Frage, die Fans von Windir wohl gerade dadurch Freudentränen vergießen lässt, dass sie denen so unglaublich ähnlich klingt.
Und wenn MISTUR oberflächlich betrachtet als Windir-Klon daherkommt, so hat dies seine gewisse Berechtigung: Erstens ist Stian wie erwähnt kein Unbeteiligter, es sei also verziehen, dass er seinen früheren Arbeitgeber fast kopiert. Zweitens sind Windir nun einmal Geschichte, und daher sollte es keinen mehr ernsthaft verärgern, dass hier der Geist Valfars wieder aufzuleben scheint. Die mangelnde Eigenständigkeit KANN, MUSS aber niemanden stören, und unterm Strich bleibt eine starke „Sognametal“-Platte.

Wertung: 8 / 10

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