Manchmal muss es selbst für den größten Genre-Querkopf einfach gemütlich heimelig zugehen. Dann braucht es quasi Werthers Echte für die Ohren. NIGHTFALL aus Griechenland sind hinsichtlich dieses Anliegens seit anderthalb Jahrzehnten (nach Wiedervereinigung) eine feste Bank. Seit 15 Jahren loten sie die Sparten innerhalb des Extreme Metal derart zuverlässig aus, dass jeder Genrefreund zwischen Melodic Death und Black Metal kleine Momente der Euphorie serviert bekommt. Selbstverständlich mit traditionell griechischen Anklängen.
Mit „Children Of Eve“ hat die Band ihr insgesamt elftes Studioalbum veröffentlicht. Thematisch geht es um die zerstörerische Kraft der Religion und die daraus resultierende Wehrhaftigkeit, die letztlich erst endet, wenn wir sterben. Lyrisch also schon einmal alles beim Alten. Der Opener „I Hate“ beginnt nach einem düsteren Intro mit stampfenden Drums und gleichermaßen groovenden Gitarren. Jacob Hansen an die Regler zu setzen, war die richtige Entscheidung für den Sound des neuen Albums. Denn bei aller Härte schafft er es ab Song eins des neuen NIGHTFALL-Albums, Vehemenz mit einem gewissen Feingefühl für monumentale Spitzen zu verbinden. Im Allgemeinen ist das eine Stärke, die die Band kompositorisch auf Albumlänge ausspielt. Irgendwo zwischen der Brachialgewalt Behemoths und der Anmut von Septicflesh steht „I Hate“ exemplarisch für die folgenden neun Tracks.
„The Cannibal“ als Beispiel hat in seinen Strophen eine sehr charmante Schlagseite Richtung Motörhead, während der Refrain mit einer epischen Lead-Melodie dagegenhält. Was schon zu Beginn auffällt und sich wie ein Faden durch das Album zieht: NIGHTFALL haben ein sehr starkes Gespür für Dynamik und Stimmung. Wo Black und Death Metal für sich genommen relativ schnell ermüden können, schafft es die Band durch geschickte Tempo- und Stimmungswechsel, die Aufmerksamkeit des Hörers bei sich zu halten. Das eher langsame, jedoch sehr melodische „Inside My Head“ kann mit einem hymnischen Refrain sowie seiner allgemeinen Entschleunigung punkten. Damit steht der Song konträr zu einem Titel wie „Traders Of Anathema“, der in so treffsicherer Death-Metal-Manier auftritt, dass es eine wahre Freude ist.
Songs der Marke „With Outlandish Desire To Disobey“ und „Christian Svengali“ bieten NIGHTFALL dann bei aller gebotenen Abwechslung extrem eingängig dar. Nicht, dass „Children Of Eve“ das nicht so schon wäre, aber das klare Verständnis für mitreißendes Songwriting der Marke Amorphis wird auch hier noch einmal sehr deutlich.
Zusammengefasst kann man sagen, dass NIGHTFALL mit „Children Of Eve“ ein tolles Album gelungen ist. Es verbindet die Härte der gespielten Subgenres perfekt mit einer mal subtilen, mal direkten Eingängigkeit. Aggression, jede Menge Melodie und abwechslungsreiches Songwriting machen das Album der Griechen zwar nicht zum neu erfundenen Rad, aber zu einer Platte, die wie ein Bonbon aus der Kindheit ist: geschmackvoll und voll von schönen Erinnerungen.
Wertung: 8.5 / 10