Review Non Serviam – Le Cœur Bat

Die zumeist mit Luzifer und seiner Auflehnung gegen Gott assoziierte Phrase „non serviam“ wird von vielen Künstler*innen als Ausdruck ultimativen Rebellentums verwendet. Kaum eine Band verkörpert diesen Kampfbegriff der Selbstbestimmung jedoch auf so vielschichtige Weise wie die gleichnamige Musikgruppe aus Frankreich. Nicht nur versteht sich das ehemalige Soloprojekt eines anonymen Multi-Instrumentalisten als anarchistisch, anti-moralisch und anti-religiös, auch musikalisch lassen NON SERVIAM sich keinerlei Regeln auferlegen. Hinter der prunkvollen Barock-Ästhetik ihres 69 Minuten langen Albums „Le Cœur Bat“ verbirgt sich ein wahnwitziger Mix aus Black Metal, Doom Metal, Crust Punk, Industrial, Trip-Hop und Shoegaze, der selbst vor den Grenzen des guten Geschmacks keinen Halt macht.

Anstatt Zuhörende in falscher Sicherheit zu wiegen, stellen NON SERVIAM ihre Kompromisslosigkeit gleich zu Beginn offen zur Schau. So nimmt „Le Cœur Bat“ ausgerechnet mit dem vertracktesten Stück der Platte seinen Anfang. Der eröffnende Titeltrack beansprucht geschlagene 25 Minuten für sich – eine knappe halbe Stunde, in der die Band ihr gesamtes Stilrepertoire in einer Orgie blanken Wahnsinns von der Leine lässt.

Geisterhaft unförmige Stimmen raunen durch einen aus unverzerrten Gitarren und Electro-Soundflächen strömenden Äther, ein trügerisch lässiger Bass schiebt sich ins Bild und von einem Moment auf den anderen fegen unmenschliche Screams und mechanische Blast-Beats und Riffs jeden halbwegs angenehmen Ton beiseite. Nach einem sonderbaren Ausklang mit urigem Akkordeon, sterilen Beats und einer gurrenden Orgel wird das Album ein wenig nachvollziehbarer, jedoch keineswegs anschmiegsamer.

Obwohl NON SERVIAM im unheimlichen „Infanticide“ und im instrumentalen „S‘Evaporer“ mit verschwommenen Clean-Gitarren und Trip-Hop-Beats eine etwas ruhigere Klangkulisse aufbauen, haftet den Songs doch stets etwas zutiefst Beunruhigendes an. Offensichtlicher manifestiert sich das Grauen, das NON SERVIAM vertonen, in „Salem“, das als verhängnisvoll siechende Doom-Nummer anfängt und später in zunehmend heftigeren Gewaltausbrüchen ausartet. „I Watch You From Afar“ und das nicht im Geringsten als Cover einer alten italienischen Anarcho-Folk-Hymne erkennbare „Inno individualista“ zeigen NON SERVIAM schließlich von ihrer brutalsten Seite: Sägende Gitarrenriffs und krachende Drums, deren Anschläge wie kleine Explosionen klingen, treffen hier in halsbrecherischer Geschwindigkeit aufeinander.

„Le Cœur Bat“ ist in jedweder Hinsicht ein unbarmherziger Angriff auf die Sinne. Inhaltlich und ästhetisch so freigeistig wie verstörend, stellt das Album insbesondere aufgrund seines chaotischen Sounds eine unglaublich schwer zu bewältigende Herausforderung dar. Dass NON SERVIAM in produktionstechnischer Hinsicht noch Aufholbedarf haben, zeigt sich besonders anschaulich daran, wie wenig die enthaltene Demo-Version von „Je Contre“ sich von den übrigen Tracks unterscheidet. Ein vollkommen realisiertes Meisterwerk ist „Le Cœur Bat“ mit seinem wirren Klang sowie seinen sich mitunter doch arg in die Länge ziehenden Kompositionen sicherlich nicht. Dennoch haben NON SERVIAM damit eines der faszinierendsten Extreme-Metal-Alben des Jahres vorgelegt.

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Wertung: 7.5 / 10

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