Cover Artwork des Albums „Really Good Terrible Things“ von North Sea Echoes

Review North Sea Echoes – Really Good Terrible Things

Fans von Fates Warning müssen stark sein: Laut Sänger Ray Alder werden die amerikanischen Prog-Metaller wohl kein neues Material mehr aufnehmen und als reine Tour-Band weitermachen. Ihre 2020er Scheibe „Long Day Good Night“ wird ihr vorerst letztes Werk bleiben.

Ray Alder reagierte darauf im letzten Jahr mit einem zweiten Soloalbum und gründete gemeinsam mit Ex-Fates-Warning-Schlagzeuger Mark Zonder die Hardrock-Combo A-Z. Und Fates-Warning-Chef Jim Matheos? Der hat derzeit auch Lust auf weniger verkopfte Musik. Gemeinsam mit Schlagzeug-Legende Simon Phillips und Sänger Steve Overland (FM) macht er als Kings Of Mercia ebenfalls harten Rock. Darüber hinaus hat er unter dem Banner Tuesday The Sky 2021 ein zweites Soloalbum veröffentlicht, bei dem Schlagzeuger Gavin Harrison (u. a. Porcupine Tree) und Tim Bowness (No-Man) mitspielten. Darauf war eine Mischung aus Post-Rock, Ambient und Electronica zu hören.

Warum die ganze Vorrede? Weil sie erklärt, warum es mit NORTH SEA ECHOES jetzt ein neues Projekt von Ray Alder und Jim Matheos gibt, das ebenfalls stark reduziert und elektronisch daherkommt. So richtig lassen können es die langjährigen Gefährten also nicht. Leider werden die zehn Songs ihres Debüts „Really Good Terrible Things“ Freunden des trocken-sperrigen Fates-Warning-Sounds aber nur ein müdes Lächeln entlocken können; denn die Grundstimmung ist ruhig, geradezu andächtig und nachdenklich – und mit Gitarrenmusik haben die hier zusammengestellten 41 Minuten im Grunde nichts zu tun.

Tracks wie das eröffnende „Open Book“ oder das starke Trio „Throwing Stones“, „Empty“ und „The Mission“ schlagen eine Brücke zwischen Pop, Ambient, Electronica und Post-Rock. Die beiden letztgenannten Songs sind dann auch die einzigen Nummern mit echten Drums, die Gunnar Olsen (Puscifer) beigesteuert hat. Werden bei NORTH SEA ECHOES die Gitarren verzerrt eingesetzt, dann nur als Effekt und nicht, weil man damit ein gewisses Härtelevel erreichen möchte. Das klingt dann in „Empty“ nach Office Of Strategic Influence (O.S.I.), einem weiteren Jim-Matheos-Projekt der 2000er Jahre.

Dass Ray Alder in Sachen Gesangsmelodien und Lyrics auf „Really Good Terrible Things“ viel zu sagen hatte, macht schon „Open Book“ unweigerlich klar. Da ist sie wieder, diese melancholische Alder-Melodie, die sich einem typischen Alder-Thema widmet: Vergänglichkeit und Älterwerden. Zeilen wie diese hätten auch von Ray Alders Soloalben „What The Water Wants“ oder „II“ stammen können:

„Every day is just an open book
With the words flying off the pages
But no matter how those lines are written
Every story has an end“

Insofern lässt die Musik von NORTH SEA ECHOES die kompositorische DNA von Jim Matheos und Ray Alder deutlich erkennen. Aber auch, wer ruhiger Musik nicht abgeneigt ist, sollte vorher lieber reinhören: Die Melodien sind schön, die Produktion hochwertig, aber irgendetwas fehlt. Die Musik will zu wenig. Sie dümpelt über weite Strecken dahin, ist leider nicht interessant genug, um über die gesamte Spielzeit zu fesseln oder gar, um sie wiederholt hören zu wollen. Dafür sind die Songs dann doch zu einfach gestrickt.

Hier wurden schlichte Singer-Songwriter-Nummern soundtechnisch aufgemöbelt und in ein leicht elektronisches, sphärisches Tuch gekleidet. Es gibt aber weder große Experimente, noch Widerhaken oder einen geschickten Spannungsaufbau innerhalb des Platte. Die ersten zwei Tracks sowie der Mittelteil mit „Throwing Stones“, „Empty“ und „The Mission“ sind stark, die restlichen Nummern wirken dagegen blutleer und grau. Übrig bleibt ein Album, das leider genauso schnell enttäuscht wie es neugierig gemacht hat.

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Wertung: 6 / 10

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