Review Nothington – Borrowed Time

Dem Wunsch nach Innovation zum Trotz: Manchmal wünscht man sich als Musikliebhaber/Musikliebhaberin eine Band, die einen daran erinnert, warum man eine Musikrichtung ursprünglich gut fand. Die einen wieder jung fühlen lässt, die Erinnerungen an alte Zeiten heraufbeschwört und trotzdem mit einem eigenen Sound begeistern kann. Die sich auf die Wurzeln eines Genres bezieht, sich vor Vorbildern verneigt und sich mit der Vertrautheit der kuscheligen Schmusedecke aus Kindertagen um die Schultern legt. Dieser Wunsch liegt nicht zuletzt daran, dass sich in den letzten Jahren viele Punk Rock Bands wie Green Day oder Rise Against dazu entschieden haben, den großen Erfolg zu umarmen und ihre Wurzeln dafür aufzugeben. Doch zum Glück, möchte man sagen, gibt es noch Bands wie Social Distortion oder auch Hot Water Music, welche die Fahne des klassischen Punk Rock nach wie vor weit nach oben gereckt halten und ihre eigenen Nachfolger hervorbringen – neben den aufstrebenden The Gaslight Anthem muss man nun spätestens mit der Veröffentlichung ihres dritten Albums „Borrowed Time“ auch NOTHINGTON aus San Francisco in diese Reihe aufnehmen.

Bereits mit dem Drücken der Play-Taste wird klar, wohin die Reise auf „Borrowed Time“ geht: Mitreißende, relativ einfach gestrickte Akkordfolgen werden durch unwiderstehliche Gitarrenmelodien und ein treibendes Schlagzeug angereichert und treffen auf zwei sich abwechselnde Reibeißen-Stimmen, welche eindeutig an das Wechselspiel von Chris Wollard und Chuck Ragan von Hot Water Music orientieren. Die Post-Hardcore Legenden aus Gainesville, Florida spielen auch auf der rein musikalischen Seite immer wieder eine große Rolle, sei es im mitreißenden „Ordinary Lives“ oder im leidenschaftlichen „Hopeless“. Trotz der häufig sehr emotionalen Texte klingen NOTHINGTON niemals zu aggressiv oder wütend, sondern stellen den Spaß an der Musik deutlich in den Vordergrund – so wird selbstverständlich nicht auf auf Oh-Oh-Oh Chöre, Gangshouts und eine positive Grundstimmung verzichtet. Wenn doch mal vom Gas gegangen wird, wie zum Beispiel im großartigen „End Of The Day“, erinnern NOTHINGTON stark an eine Mischung zwischen der Rock’n’Roll-Attitüde von Social Distortion und der jugendlichen Verspieltheit von The Gaslight Anthem. Auch eine gewisse Skate-Attitüde kommt nicht zu kurz, was sich sicherlich am deutlichsten in der Album-Hymne „The Escapist“ zeigt, die sich wohl am deutlichsten vor dem klassischen US-Punk der 90er Jahre verbeugt.

Ihre Stärken haben NOTHINGTON sicherlich in ihren beiden tollen Sängern und in ihrer Fähigkeit, mitreißende Melodien mit einer unbändigen Leidenschaft zu kombinieren. Dass an manchen Stellen Refrain und Strophe nicht ganz zusammenpassen, einige Spannungsabfälle innerhalb der Songs vorkommen und die Platte ziemlich plötzlich endet, ist auf Grund der permanent spürbaren Spielfreude zu verschmerzen. Dass sich Punk Rock nicht durch unfassbare Innovationen auszeichnet, die Songstrukturen meistens vorhersehbar sind und auch auf Albumlänge öfter mal Déjà-Vu-Erlebnisse auftauchen – geschenkt. Alles was es jetzt braucht ist Sonne, ein Skateboard, eine Flasche Bier, die alte Gang und einen Ghetto-Blaster – und dann noch einmal die Jugend aufleben lassen, die Haare färben und mit der einen Faust in der Luft, mit dem Arm um die Schulter des besten Freundes gelegt die tollen Hymnen von NOTHINGTON in den Abendhimmel schmettern.

Wertung: 7.5 / 10

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