Bis zu seinem unrühmlichen Ende im Portfolio von Warner Music 2006 war Roadrunner Records die Adresse für modernen Metal. Den Höhepunkt in der Geschichte dieses auch sonst geschichtsträchtigen Labels markierte das Projekt ROADRUNNER UNITED: Zu seinem 25. Geburtstag hatte sich das Unternehmen nicht lumpen lassen und ein All-Star-Album initiiert, das bis heute seinesgleichen sucht [mehr dazu in unserem Review]. Doch damit nicht genug: Was wäre schließlich ein Labelgeburtstag ohne Geburtstagskonzert?
So fand am 15. Dezember 2005 im Nokia Theater in New York City ein Jubiläumskonzert statt, wie es in der Rockgeschichte wohl nur wenige gab. Umso erfreulicher, dass nicht nur das „The All-Star Sessions“-Album, sondern auch die Aufzeichnung der Show in verschiedenen Versionen (Vinyl, CD, digital) neu aufgelegt wird – und damit erstmalig ein Live-Album des seitdem nur als DVD veröffentlichten Mitschnitts erscheint.
Was die Fans damals live und heute zumindest auf CD zu hören bekommen, ist ein Best-of-Set aus den größten Hits, die über Roadrunner veröffentlicht wurden, sowie vier Tracks aus den All-Star-Sessions – dargeboten von einer „Kernband“ mit wechselnden Gästen. Schon das Line-up dieser Band (inklusive „Auswechselspielern“) liest sich surreal – stehen hier doch Dino Cazares (Fear Factory), Adam Duce (Machine Head), die mittlerweile verstorbenen Slipknot-Mitglieder Paul Gray und Joey Jordison (auch Murderdolls), Andreas Kisser (Sepultura) sowie Roy Mayorga (Stone Sour) auf der Bühne. Dazu gesellten sich vornehmlich Sänger – darunter Jamey Jasta (Hatebreed), Glen Benton (Deicide), Tim „Ripper“ Owens (u. a. ex-Judas Priest), Matt Heafy (Trivium), Corey Taylor (Slipknot, Stone Sour), Ville Valo (HIM) oder Robb Flynn (Machine Head) – um nur einige zu nennen [alle Details bietet Wikipedia].
Bei einer solchen Zusammenkunft kann eigentlich kaum noch etwas schiefgehen – und wer die DVD von damals kennt, weiß: Da ging auch nichts schief – im Gegenteil: Egal, ob der Type-O-Negative-Hit „Black No. 1 (Little Miss Scare-All)“ mit Ville Valo, Sepulturas „Refuse/Resist“ (mit Robb Flynn), „The End Complete“ von Obituary mit Glen Benton am Mikrophon oder die Stone-Sour-Ballade „Bother“, herzerreißend dargeboten von Corey Taylor und Keith (heute Mina) Caputo (Life Of Agony), um nur ein paar hervorzuheben – jeder einzelne Track ist in der gebotenen Version einzigartig und sorgt schon darum für Gänsehaut.
Erfreulicherweise ist auch die Qualität der Tonaufzeichnung gut: Sieht man davon ab, dass „The Concert“ von ROADRUNNER UNITED ohne jedweden Vorlauf oder einleitenden Jubel mit dem ersten Gitarrenton von Biohazards „Punishment“ (und damit sehr direkt) einsteigt und dass das Publikum dem wohl über das Mischpult abgenommenen Material generell etwas zu leise beigemischt wurde, gibt es hier nichts auszusetzen. Dass „Roadrunner United – The Concert“ 2023 nur noch als Audiomitschnitt erscheint, dürfte umgekehrt ebenfalls auf Qualität zurückzuführen sein – war das Bildmaterial der Original-DVD doch schon für damalige Verhältnisse nicht wirklich gut. Viel geht daran also nicht verloren, zumal einige Clips zur Promotion des Re-Releases auf YouTube gestellt wurden.
Wer um die Jahrtausendwende mit (amerikanischem) Metal sozialisiert wurde, kommt an „The Concert“ der ROADRUNNER ALLSTARS schon aus Nostalgie nicht vorbei. Aber auch alle jüngeren (oder älteren) Fans der hier involvierten Musiker und Bands sollten ohne zu zögern zugreifen. Schon allein, um Joey Jordison noch einmal drummen zu hören, aber auch weil das Gefühl der „Metal-Familie“ selten eindrucksvoller eingefangen wurde als bei diesem Live-Mitschnitt. Wer die „The All-Star Sessions“ noch nicht im Schrank hat, kann dies dank des parallel erscheinenden Re-Releases gleich nachholen. Dass beide Tonträger nicht im Set auf den Markt kommen, ist in diesem Kontext der einzige Wermutstropfen einer ansonsten absolut sinnvollen Wiederveröffentlichung.
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Wertung: 9 / 10
9. März 2023 Moritz Grütz