Review Seventh Wonder – Mercy Falls

Bis vor kurzen noch als Geheimtipp gehandelt, wollen die finnischen Progger von SEVENTH WONDER mit ihrem neusten Longplayer „Mercy Falls“ sich endlich als feste Größe etablieren. Offensichtlich setzten sie auf die „monumental und episch“-Taktik, denn das neue Werk ist geschlagene 75 Minuten lang und durchsetzt von einer kompliziert ausgeführten Geschichte. Ob es ihnen gelingt, auch mit der Musik viele Punkte einzusammeln, werden wir nun genauer beleuchten.

Das Intro „A New Beginning“ vertraut den Hörer direkt mit der Story des Albums; ein Unfall, Sirenen, ein Arzt, das ganze mit orchestraler Unermalung. Die Musik wird lauter, die Handlung endet und die Musik trägt sich weiter, bis wieder Stimmen einsetzten: Ein kleiner Junge in einem Krankenhaus, er redet mit seinem Vater, der nicht Antwortet. Als er sich verabschiedet, macht er das Radio an; so beginnt das eigentliche Album. Schon nach diesem sehr ansprechenden Intro ahne ich, hier wartet großes auf mich. Der nächste Song überrascht sehr, da er komplett instrumental ist. Nicht das dies ihn schlechter macht, man hört schon hier, dass die Männer an den Saiteninstrumenten Meister ihres Fachs sind, aber ich habe fest mit einem Sänger gerechnet. Als dann beim Titeltrack die erste Minute wieder ohne Vocals ausfällt, beschleicht mich langsam das Gefühl, dass das Album eventuell doch ein instrumentales Werk sein könnte. Doch nach dem ersten Viertel erlöst mich die wohlklingende, warme und unverzerrte Stimme des Frontsängers, sodass ich mich endlich voll auf die geniale Musik einlassen kann. Nicht allzu viel Metal und viele Anleihen vom Rock der 80-ger dominieren das geschehen. Vor allem der Titeltrack, „Unbreakable“ und „Fall in Line“ sind absolut gelungen und werden nur schwer zu toppen sein.

Zum Musikstil: SEVENTH WONDER spielen hochtechnischen, anspruchsvollen und doch eingängigen Prgressive mit vielen Elektro- und Piano-Einlagen. Auch wenn es – wie fast immer im Prog-Rock – einige Zeit dauert, bis man de Aufbau und Melodien der Lieder verinnerlicht hat, bleibt der Refrain, der sehr im Stile des guten alten Heavy gehalten ist, meist wegen der Einfachheit direkt im Ohr hängen. Sehr untypisch für das Genre ist die große Rolle des E-Basses, die sich auch erst nach einiger Zeit erschließt. Dieser wurde genauso gemischt, wie man es im Metal meist handhabt; eher hintergründig und leicht angezerrt, sodass man das „Klick“-Geräusch des Anschlags pusht. Doch der Bassist hier bietet meisterliche Soli und Läufe in dem Songs und zeigt immer wieder – ganz dezent – das er verdammt noch mal richtig gut ist. Im Gegensatz zu anderen Leuten, die das ewig raushängen lassen und so den Sound zerstören, spielt der Herr Blomqvist meist seine Grundtöne, wie es sich gehört, schüttelt aber im ein oder anderen Break oder Übergang einen solch unmöglichen Lauf aus dem Ärmel, dass ich als Bassist echt neidisch werde. Auch die Gitarren sind nicht von schlechten Eltern, doch die Band hat trotz exzellenter Musiker sich dazu entschieden, die Musik nicht zu überladen nur sehr vorsichtig auf ihre kompletten Fähigkeiten zurückzugreifen; großer Pluspunkt, denn die CD profitiert sehr davon.

Einige Kritikpunkte muss ich dennoch nennen; zum einen wäre da das erzwungene „Value-For-Money“. Zwar sind wirklich alle Songs sehr gut, aber ich drücke es mal so aus: 40 % der Tracks auf „Mercy Falls“, sind solide, gute Lieder, doch 60 % der CD sind echte Über-Songs. Dadurch hat man – obwohl die Songs alle gut sind – das Gefühl, dass die CD aufgefüllt worden ist (was wohl auch der Wahrheit entspricht). Bei der sehr ausgearbeiteten Story, die sich nur langsam erschließt, hat man sich zwar viel Mühe gegeben, doch das Grundkonzept ist schlichte Hollywood Grütze. So was sagt mir nun mal gar nicht zu. Bei den ruhigen Songs wirkt die Stimmung dabei auch oft aufgesetzt. Die ganze Darstellung, der Junge, mit der gar zu unschuldigen Stimme, der um seinen Vater trauert, dabei die Seufzer, ist mir einfach zu kitschig. „Tears For A Father” kann bei mir trotz alledem noch Punkten, einfach weil es ein extrem schönes Lied ist, aber spätestens bei „Tears For A Son“ ist mir das alles zu plump; die Emotionen hängen einfach zu sehr raus, das ist nicht mehr glaubwürdig. Ungeschickt ist auch, dass die Story-Passagen immer durch ein „Radio“ beendet werden, worauf meistens ein sehr guter Song, der aber fernab der Geschichte steht folgt. Das wirkt, als hätte man sich während der Aufnahmen entschiedenen „Komm, wir packen noch nen Konzept rein“. So gibt es sülzige Balladen, welche die Story führen und geniale Up-Tempo-Nummern, die einfach „im Radio laufen“. ich möchte jetzt nichts verraten, aber die komplette Auflösung der Geschehnisse im Rausschmieser ist auch wirklich sehr billig. Na ja, aber es gibt wahrlich schlimmeres.

Trotz allem ist „Mercy Falls“ tatsächlich ein sehr gutes 75-Minuten-Album geworden, doch hätte man schlicht die reinen Storysongs inklusive der schlechteren Tracks rausgestrichen, hätten SEVENTH WONDER ein 45-Minuten Must-Have-Album. Schade drum, denn dieses hätte wohl die Höchstpunktzahl einfahren können. Das Werk ist trotzdem konstant gut und wird zum Ende hin weder besser noch schlechter, ist zudem fast unendlich oft hörbar, obwohl man die Balladen wohl nach einiger Zeit auslassen wird. Ob ihnen der Sprung letztendlich gelungen ist, kann ich leider nicht entscheiden. Kauftipp für alle Fans von anspruchsvollen, nicht allzu Metallastigem Progressive und Freunde klischeehafter Storys.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

Ein Kommentar zu “Seventh Wonder – Mercy Falls

  1. Die Story von „Mercy Falls“hat Schwächen bei der Glaubwürdigkeit, der Rezensent bei seinen Erdkundekenntnissen. Blomqvist ist wirklich ein sehr finnisch klingender Name. An alle, die es immer noch nicht glauben wollen: Seventh Wonder ist eine schwedische Band. Im Intro wird auch nicht der Sohn des Verunglückten zu Gehör gebracht, sondern seine Ehefrau. Immerhin sind die 9 Punkte gerechtfertigt.

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