Review Subsignal – Paraiso

Preisfrage: Was haben SUBSIGNAL mit dem Eurovision Song Contest und Walt Disney gemeinsam? Nicht viel, möchte man meinen. Doch beim Hören von „The Blueprint Of A Winter“, der ersten Single ihres neuen Albums „Paraiso“, drägen sich mir die süßlichen Liebeslieder alter Disney-Filme ebenso auf wie die aufgeblasenen Balladen des alljährlichen Pop-Spektakels.

„The Blueprint Of A Winter“ ist ein unglaublich kitschiges Duett zwischen Sänger Arno Menses und Gastsängerin Marcela Bovio, bekannt als Frontfrau von Stream Of Passion oder durch ihre Beteiligung an Ayreon. Nun waren SUBSIGNAL schon immer eine Band, die Melodien große Bedeutung zugemessen hat – hier gehen sie aber doch ein gutes Stück zu weit: Der Track ist derart massenkompatibel, dass er in der verkürzten Fassung wirklich problemlos zum Weihnachtshit im Radio avancieren könnte – und auch wenn der Rest des Albums nicht in derart klebrig-seichte Regionen abdriftet, steht der Song doch sinnbildlich für den Richtungswechsel, den uns das deutsch-niederländische Kollektiv auf ihrem dritten Werk präsentiert:

Vorbei ist die Zeit des knackigen Progmetals, der noch auf dem überragenden Vorgänger „Touchstones“ zelebriert wurde; treibende, saftig produzierte Metalriffs sucht man vergebens – sie werden nur äußerst akzentuiert und wirkungsvoll eingesetzt. Alles klingt zarter, weicher, stromlinienförmiger. Ruhige, aber sündhaft gut komponierte Songs bestimmen das Album. Songs wie „A Long Way Since The Earth Crashed“ oder „A Heartbeat Away“, die sich nicht dafür schämen, beinahe lupenreiner AOR zu sein, sondern dieses oft gescholtene Genre voller Stolz repräsentieren.

Ohne Frage steht „Paraiso“ dem SUBSIGNAL-Debüt „Beautiful & Monstrous“ stilistisch wesentlich näher als dem energetischen Zweitwerk „Touchstones“. Doch im Gegensatz zum Erstling setzen die fünf Herren hier nicht auf atmosphärische Weite, sondern auf poppige Melodien, die meist überaus schnell ins Ohr gehen. Lediglich im Titeltrack sowie im reinrassigen Progrocker „The Colossus That Bestrode The World“ hört man noch immer Anklänge von Sieges Even, der Formation, aus der SUBSIGNAL einst hervorgingen. Keyboarder David Bertok rückt mit seinen geschmackvollen Sounds mehr denn je in den Vordergrund, Gitarrist Markus Steffen hingegen hält sich überraschend stark zurück und setzt nur hin und wieder überzeugende Akzente, vor allem in Form von fantastischen Akustikgitarren-Soli.

Die Lieder kommen noch schneller als bisher auf den Punkt, weisen keinerlei Längen auf und sind überaus abwechslungsreich arrangiert. Ein Paradebeispiel hierfür ist „A New Reliance“ – ein Song, der auf erstaunlich homogene Art und Weise progressive Saga-Riffs mit Reggae-Rhythmen, frech-frischen Bläserarrangements, epischem Piano und lupenreinen AOR-Melodien kombiniert. Sicher einer der besten Tracks, den die Band bisher aufgenommen hat. Quasi im Vorbeigehen zitieren sich SUBSIGNAL dann auch noch selbst, indem sie eine Melodie verarbeiten, die schon in „Where Angels Fear To Tread“ vom Debüt und „Echoes In Eternity“ vom Zweitling auftauchte. Mit dem abschließenden achtminütiger „Swimming Home“ präsentieren sie außerdem den inoffiziellen Nachfolger zum epischen Tränenzieher „Embers Pt. 1: Your Secret Is Safe With Me“ von „Touchstones“, ohne allerdings die Klasse des Originals zu erreichen – wenn das der Band ohne weiteres gelingen würde, wäre es aber auch überaus beängstigend.

Alles in allem ist auch „Paraiso“ wieder ein schockierend brillantes Album. Es enthält mehr AOR als die beiden Vorgänger, ist für meinen persönlichen Geschmack ein wenig zu sanft ausgefallen und schrammt oft nur knapp am Kitsch vorbei. Das machte mir während der ersten Hördurchgänge schwer zu schaffen. Unzählige Durchläufe später wich die anfängliche Ernüchterung allerdings purer Begeisterung. Denn wenn man auf einem solch hohen Niveau komponiert und musiziert, wie SUBSIGNAL es hier tun, ist selbst eine Kitsch-Granate wie „The Blueprint Of Winter“ nichts weiter als ein unglaublich guter Song. Eurovision Song Contest und Disney hin oder her – dieses Album ist großartig.

Wertung: 9 / 10

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