Review The Axis Of Perdition – Deleted Scenes From The Transition Hospital

Dunkelheit. Absolute, undurchdringliche Dunkelheit. Die Wände sind feucht und im Verfall begriffen, die Tapete wirft hässliche Blasen und blättert ab und der Boden ist mit einer schwammigen, nassen Substanz bedeckt. Durch die Stille gellen furchtbare Schreie der Angst und des Leides, die immer wieder von einem tiefen, statischen Rumoren überdeckt werden, das irgendwo von tief unten kommt, aus den finsteren Eingeweiden dieses gottverlassenen Ortes. Da… Irgend etwas taumelt mit schleppenden Schritten durch die allumfassende Dunkelheit, keucht heiser, stößt gegen einen alten verrosteten Rollstuhl, der sich mit unheilvollem Quietschen in Bewegung setzt. Was auch immer es ist, es kommt näher… langsam. Und wieder diese Schreie um Hilfe, Hilfe die niemals kommen wird. Ist das Wahnsinn? Bin ich wahnsinnig? Oder ist der Albtraum real?
Puh… schnell auf die Pausen-Taste gedrückt und erstmal tief durchatmen. Harter Tobak, der da aus den Boxen dröhnt. Ja, der Kenner darf sich direkt mal an Silent Hill erinnert fühlen (oder wahlweise auch an die eigene Wohnung, aber dann sollte man echt mal anfangen, sich Gedanken zu machen…). Und das war wohl auch die Absicht der vier Briten THE AXIS OF PERDITION, die sich im Jahre 2001 (damals noch ohne das „The“ im Namen) zusammenfanden und mit den gelöschten Szenen 2005 ihren zweiten Langspieler ablieferten.

„Deleted Scenes From The Transition Hospital“ kommt im edlen Digipack daher und weiß schon mit seinem düsteren (aber verflucht coolen) Cover ordentlich Stimmung zu machen. Besagter verrosteter Rollstuhl in den Ruinen eines zerstörten Krankenhauses und diese krumme graue Erscheinung mittendrin… Die Inlay-Texte beweisen mit Zeilen wie „Requests for eyeball touching will be considered on an individual basis and treated with the utmost seriousness and discretion“ auch den… äh… sehr speziellen Humor des Vierers. Aber wie steht’s denn eigentlich mit der Musik?

„Deleted Scenes“ beginnt mit dem wohl fiesesten Ambient-Gewitter, dem ich je lauschen durfte. Man merkt dem Opener sofort den Einfluss an, den die Kompositionen von Akira Yamaoka auf THE AXIS OF PERDITION gehabt haben dürften. Tiefes Dröhnen, schleimiges Platschen, eine Stimme, die so angsterfüllt klingt, dass man meinen möchte, der Sprecher würde jeden Augenblick einen gar grausigen Tod und/oder schlimmeres erleiden. THE AXIS OF PERDITION haben’s einfach raus. Die Jungs brauchen keine halbe Stunde Vorlaufzeit, um eine sinistre Atmosphäre zu erschaffen. Schon nach den ersten drei Sekunden von „Deleted Scenes I“ möchte man sich am Liebsten unter der Bettdecke verkriechen. Stark.
Ambient ist aber nicht alles, was die drei Briten fabrizieren. Denn nach etwa zwei Minuten purer Angst und Verzweiflung setzt die eigentliche Musik ein. Und die lässt sich wohl am Ehesten Black Metal nennen. Sehr steriles, klinisch sauberes Geballer, das wie ein blitzblankes Skalpell in den schmutzigen Ambient-Pfuhl schneidet und so einen faszinierenden Widersatz bildet. Die Gitarre zaubert dabei wahrlich verstörende Dissonanzen, das (teilweise aus dem Computer stammende, ansonsten extrem getriggerte) Schlagzeug bolzt absolut kontrolliert nebenher. Und Sänger Johnson keift im tieferen Tonspektrum nebenher. Die Produktion ist dabei etwas verwaschen, was aber gut zu dem düsteren Ambiente passt.
Kontrolliert, das Stichwort fiel schon. Und es ist ein gutes. Denn wo andere Black Metal Acts wilde, hasserfüllte Ausbrüche zelebrieren, da arbeiten THE AXIS OF PERDITION ganz anders. Ihre Black Metal-Einwürfe spiegeln weniger Wut, sondern absolute Gleichgültigkeit dem Leid und dem Horror der Ambientpassagen gegenüber wieder. Und das resultiert in einer Bösartigkeit, die dem Hörer fast den Atem raubt.

„Deleted Scenes“ ist keine Musik im eigentlichen Sinne. Die CD ist mehr ein Dark Ambient Hörspiel mit Black Metal Passagen, die in Töne gefasste Essenz von Angst und Verzweiflung. Aber das schöne daran: Da die Atmosphäre wirklich beinahe unmittelbar aufgebaut wird (und das in wirklich jedem Track) funktioniert die Scheibe nicht nur als Gesamtkonzept. So sind beispielsweise das fiese „Entangled in Mannequin Limbs“ oder aber auch das wüste „Pendulum Prey (Second Incarceration)“ (das mit einem unglaublich seltsamen Piano-Einwurf gegen Ende auftrumpfen kann) auch als Einzelsongs ganz klare Anspieltipps.

Kommen wir zu den gefürchteten Schlussworten: Die Musik von THE AXIS OF PERDITION ist so böse, dass sie tatsächlich Angst macht. Und das ist positiv gemeint. Ich kenne keine andere CD, die eine so greifbare Atmosphäre aufbauen kann, wie „Deleted Scenes From The Transition Hospital“. Es ist schwer, die Qualität des Albums in Punkten auszudrücken. Ganz subjektiv müsste ich wohl eine glatte zehn hinklatschen, aber die zweite Langrille von THE AXIS OF PERDITION ist ganz sicher nicht jedermanns Sache. Interessant ist sie allerdings nicht nur für alles andere als engstirnige Black Metal Fans, sondern für all diejenigen Menschen, die atmosphärische und vor allem verteufelt böse Klangkunst zu schätzen wissen. An all diejenigen: kaufen!

Keine Wertung

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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