Review The Exploited – Fuck The System

18 Jahre sind eine lange Zeit – das weiß jeder, der schon einmal darauf gewartet hat, endlich wählen, autofahren und unbegrenzt ausgehen zu dürfen. Und jeder Fan von THE EXPLOITED. 18 Jahre sind nämlich auch die Zeitspanne, die mit dem heutigen Tag verstrichen ist, seit die schottischen Hardcore-Punks am 17. Februar 2003 ihr bislang letztes Album veröffentlicht haben: „Fuck The System“.

Dass das Album „ein Erwachsenwerden später“ noch der Rede wert ist, liegt jedoch nicht (nur) daran, dass es THE EXPLOITED seitdem nicht mehr ins Studio geschafft haben – sondern vor allem daran, dass „Fuck The System“ auch mit 18 Jahren auf dem Buckel noch genauso ungestüm wirkt wie damals. Hatten THE EXPOITED Ende der 1980er-Jahre viel von ihrer Strahlkraft eingebüßt, waren sie mit „The Massacre“ (1990) und „Beat The Bastards“ (1996) zu neuer Höchstform aufgelaufen. Nicht zuletzt, weil sie sich vom klassischen Punk immer weiter verabschiedet und dem immer thrashigeren Hardcore-Punk zugewandt hatten.

Nach besagten beiden Alben geht auch „Fuck The System“ als neuerliche Wiedergeburt der Band durch – eingeleitet von 43-sekündigem (!) Geschrei, das jedes Neugeborene stolz machen würde. War „Beat The Bastards“ geprägt von seiner ultraaggressiven Art, dem durchweg extremen Tempo und dem starken Thash-Metal-Einschlag, ist „Fuck The System“ punkiger und metallastiger zugleich: Während der Sound mit fetten Gitarren, flotten Soli und einem im Mix sehr präsenten Bass nochmal mehr nach Metal-Produktion klingt, sind die Songs wieder klarer vom Punk geprägt: Die Riffs sind maximal simpel gehalten, dazu brüllt Wattie seine oft politischen, selten tiefgründigen Parolen in kurzen, stumpf wiederholten Versen heraus – zum Beispiel 33 mal „You’re a fucking Bastard“ im gerade einmal 2:38 Minuten langen, gleichnamigen Song (dazwischen kommt 24 mal „A Shit Fuck too“, womit das Wortkontingent für diesen Song dann auch ausgeschöpft ist). Dabei treten THE EXPLOITED das Gaspedal anders als auf „Beat The Bastards“ nicht mehr konsequent komplett durch, sondern gehen die Sachen zwischendurch richtiggehend groovig an („You’re A Fucking Bastard, Never Sell Out) – das fast bedächtige „Was It Me“ am Albumende ließe sich mit etwas gutem Willen sogar als „Hardcore-Ballade“ beschreiben. Nun ja, eher mit viel gutem Willen.

Den unbestreitbaren Mangel an Abwechslung innerhalb der Stücke kompensieren THE EXPLOITED sehr erfolgreich durch alles in allem extrem kurze Songs. Mit jeweils rund vier Minuten sind Opener und Rausschmeißer die mit Abstand längsten Tracks – dazwischen feuern THE EXPLOITED elf weitere Tracks in nur 25:26 Minuten ab. Bei im Durchschnitt kaum 2:30 Minuten pro Song fällt dann tatsächlich nicht weiter ins Gewicht, dass die meisten Stücke aus bestenfalls zwei Riffs plus wahlweise einem Bassbreak oder einem überraschend melodiösen Solo bestehen. Freilich, das macht die Musik nicht komplexer. Es sorgt aber dafür, dass auf „Fuck The System“ trotz des primitiven Songwritings genug passiert, um eine gute halbe Stunde lang für Unterhaltung zu sorgen: Das Album ist aggressiv, aber nicht auf Biegen und Brechen, ist Punk, aber auf technisch hohem Niveau, und ist am Ende auch noch verdammt eingängig, ohne sich in irgendeiner Form anzubiedern.

War „Beat The Bastards“ die Faust (im Gesicht), ist „Fuck The System“ der Mittelfinger: gegen alle, denen der neue Sound zu viel Metal, zu wenig Punk, zu viel Hardcore oder nun vielleicht auch wieder zu wenig Hardcore enthält. Ohne sich um derartige Schubladen im geringsten zu scheren, liefern THE EXPLOITED 13 so knackig komponierte wie lässig gespielte Tracks, die nicht mehr unverkennbar nach THE EXPLOITED klingen – als Album aber unverkennbar und in sich stimmig. Das muss man nach immerhin fast 25 Jahren als Band auch erst einmal schaffen.

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Wertung: 9 / 10

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