Review Theatres Des Vampires – Bloody Lunatic Asylum

Anne Rice mag ich nicht. Okay, „Interview mit einem Vampir“ ist ein toller Film, das geb ich wohl zu, daraufhin dachte ich mir, man könnte ja auch mal ein Buch von der Frau lesen. Die Wahl fiel auf „Der Fürst der Finsternis“, die Lebensgeschichte von Lestat de Lioncourt (ihr wisst schon, Tom Cruise im Film), allerdings fand ich die abgedroschene Story, den lahmen Stil und die ewigen homoerotischen Untertöne, die Rice bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit in die Zeilen kloppte, eher wenig erbaulich. THEATRES DES VAMPIRES fanden die Ideen der Frau aber scheinbar wesentlich besser, denn immerhin nahmen sie das von ihr beschriebene Vampirtheater nicht nur als Inspirationsquelle für ihren Bandnamen, sondern auch als Grundlage für ihr komplettes Bandkonzept. Naja, Pseudo-Franzosen aus Italien sind auch nicht merkwürdiger als Pseudo-Rumänen aus Schweden… Ja, Poseralarm.

Tatsächlich muss ich noch heute bei so Namen wie „Lord Vampyr“ oder „Necros“ nicht zu knapp grinsen und das obwohl ich die Band jetzt schon seit knapp fünf Jahren kenne (damals tätigte ich einen Blindkauf und legte mir die „Blackend Collection“ für knappe 15 Euro zu, eine Box, die drei Alben und eine EP der Band enthält, die Plattenfirma machte ähnliches übrigens auch für/mit Hecate Enthroned und den Belgiern Enthroned) und die Evolution ihres Musikstils (mittlerweile haben sie nur noch eine Frontfrau und sind irgendwo im Elektrogothic angekommen) relativ zeitnah miterleben. Anno 2000 befanden sie sich mit ihrer dritten CD „Bloody Lunatic Asylum“ stilistisch gerade wieder in einer Umbruchphase. Nachdem ihre erste Scheibe „Vampyrìsme, Nècrophilie, Nècrosadisme, Nècrophagie“ (handlicher Titel… und so putzig) noch eher ungeschliffenen Melo-Black-Metal beinhaltete, fingen sie mit dem Zweitling „The Vampire Chronicles“ mehr und mehr Gothic-Elemente einfließen zu lassen. Auf „Bloody Lunatic Asylum“ erreichte diese Entwicklung dann ihren Höhepunkt. Ihr ahnt es schon: Trotz dem bedrömmelten Äußeren ist die Scheibe gut.

Mit Vergleichen sind die Leute ja immer gern schnell bei der Hand, der offensichtlichste in Sachen THEATRES DES VAMPIRES (und zugleich auch der Überstrapazierteste) ist wohl Cradle of Filth, haben wir es hier doch immerhin mit einer Melange aus Melodic Black Metal, Gothic Metal, ein paar symphonischen Elementen und Themen rings um Vampire herum zu tun. Stimmt prinzipiell, aber eigentlich nicht. Ja, das Genre, in dem sich die beiden Bands austoben, ist ungefähr das gleiche, ja, Vampire sind drin, aber die Musik der beiden Bands klingt einfach nicht wirklich ähnlich, geschweige denn gleich. Was die Italiener im Gegensatz zu den Briten nämlich haben ist ein ungleich größerer Hang zu Theatralik. Sei es der beinahe ständige Einsatz einer Kirchenorgel, seien es die choralartigen mehrstimmigen Gesänge, die des öfteren im Refrain eingesetzt werden, das Wechselspiel zwischen heiserem Krächzen, weiblichen Vocals und geradezu operettenhaften Gesang (alle drei Arten sind übrigens absolut einwandfrei und machen viel Freude), hier kommt alles zusammen.

Was aber wohl das wichtigste ist: THEATRES DES VAMPIRES können einfach verflucht gute Songs schreiben. Ja, von der technischen Seite ist das alles gar nicht so beeindruckend (außer vielleicht das ziemlich versierte Gekloppe von Schlagzeuger Blasfemator), vor allem die Gitarrenarbeit ist eigentlich ziemlich lahm geraten, gute Leads oder Soli sucht man (abgesehen vom ziemlich coolen Solo von „Pale Religious Letchery“) meist vergebens, aber die elf Songs, die einem hier um die Ohren gehauen werden, reißen ganz einfach mit, wecken Emotionen, fühlen sich tatsächlich passend zum Namen der Band an wie großes Theater (leider eine Kunst, die sie mittlerweile verlernt haben, zumindest auf „Pleasure & Pain“ war davon nicht mehr viel zu merken). Abwechslung wird hier groß geschrieben, sei es das treibende, eher gotische „Dances with Satan“ (von dem es auf der „Iubilaeum Anno Dracula 2001“-EP übrigens einen recht netten Club-Mix gab) mit seinem coolen Refrain, das ruhigere, aber dafür epischere „Une Saison En Enfer“, das mächtig ballernde „Dominions“ oder die sehr emotionale Halbbalade „Pale Religious Letchery“, hier ist für jeden was dabei. Natürlich sind auch die anderen Songs große Klasse (das Intro ist zwar etwas doof und „‚Til The Last Drop Of Blood“ nicht ganz so gut als Opener geeignet), aber vor allem „Dominions“ muss man ganz besonders hervorheben, toller Track.

Allerdings hat „Bloody Lunatic Asylum“ auch ein paar kleinere Schwierigkeiten. Die erste davon sind die Texte, die sind teilweise nämlich so doof geraten, dass es schon wirklich weh tut. Zielsicher von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen stapft Texter Lord Vampyr und nimmt jedes Klischee mit, sauber. Zweitens ist die Reihenfolge der Trackliste – wie oben schon angedeutet – etwas unvorteilhaft. Die CD könnte einen stärkeren Opener als „‚Til The Last Drop Of Blood“ gebrauchen (ist zwar ein tolles Lied, aber einfach nicht knallig genug, als dass das Ding damit gut aus dem Arsch käme), auch der Rausschmeißer „Les Litanies De Satan“ (die gute alte Mondschein Sonate verfeinert mit strunzblödem Gelaber, aber gar nicht so unatmosphärisch) ist… suboptimal. Und der größte Schwachpunkt des hier vorliegenden Werkes: Abnutzungserscheinungen. Das Material, mit dem THEATRES DES VAMPIRES arbeiten ist extrem eingängig und macht auch eine ganze Weile Freude, aber es hört sich doch tatsächlich irgendwann zu einem gewissen Grad tot. Zum Glück nicht für ewig und alle Zeit und auch erst nach sehr ausführlichem Konsum (ich hab die Scheibe vor ein paar Jahren quasi täglich rauf und runter gehört), aber es gibt Augenblicke, da mag ich’s echt nicht hören.

Davon abgesehen ist „Bloody Lunatic Asylum“ allerdings eine wundervolle CD einer sehr netten, leider viel zu unbekannten Band, die einfach viel mehr ist, als nur ein Cradle of Filth-Klon. Wer mit theatralischem Gothic-Black-Metal was anfangen kann, der dürfte mit der Scheibe hier auf jeden Fall ziemlich glücklich werden.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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