Review Therapy? – Disquiet

26 Jahre Bandgeschichte und das mittlerweile 14. Studioalbum – das ist die produktive Bilanz, auf die das nordirische Trio THERAPY? zurückblicken kann. Wenngleich die kommerziellen Höhenflüge der neunziger Jahre mit dem Meisterstück „Troublegum“ und seinem Nachfolger „Infernal Love“ längst vorüber sind, so ist das Dreiergespann doch seit jeher eine Gruppe, die sich mit jeder weiteren Platte ein bisschen neu erfindet und somit ein Garant für originelle Rockmusik ist. Nach den letzten beiden eher sperrigen, experimentell ausgerichteten Scheiben „Crooked Timber“ und „A Brief Crack Of Light“ legt die Gruppe mit „Disquiet“ wieder eine Full-Length mit zugänglicheren Songs vor.

Ob die vollständige Live-Aufführung des „Troublegum“-Albums zu seinem 20-jährigen Jubiläum im Jahr 2014 die Band dazu bewogen hat, wieder etwas eingängigeres Material aufzunehmen, sei dahingestellt, doch eins steht fest: „Disquiet“ macht schon nach dem ersten Durchlauf richtig Spaß. Sicherlich fühlt man sich bei mehreren Passagen an Tracks der oben genannten Erfolgsplatte erinnert, doch THERAPY? würden ihrem Ruf nicht gerecht, wenn sie lediglich olle Kamellen aufwärmen und sich selbst kopieren würden. Vielmehr haben sie sich laut Aussage von Frontmann Andy Cairns beim Songwriting und der inhaltlichen Ausrichtung an früheren Glanztaten orientiert, um daraus etwas Neues zu schaffen.

Was ist dabei herausgekommen? „Still Hurts“ steigt direkt ein mit mal abgehacktem, mal dichtem Riffing, peitschenden Drums und jeder Menge Wut und Verzweiflung im Bauch. Danach folgt mit „Tides“ eine astreine Poprocknummer, die unbekümmerte Radiotauglichkeit mit melancholischer Düsternis verbindet. „Good News Is No News“ beginnt dagegen etwas gesetzter und langsamer, wartet dann aber mit hymnischem Refrain und flotter Bridge auf. Mit dieser gelungenen Dreieinigkeit legen THERAPY? im Einstieg bereits gut vor, wissen aber auch im restlichen Verlauf von „Disquiet“ den Hörer bei der Stange zu halten. Das starke „Idiot Cousin“ erinnert an andere 90er-Jahre-Helden wie Alice In Chains und Nirvana, letztere vor allem durch den Gesang. „Insecurity“ weckt hingegen eher Assoziationen zum bandeigenen Joy-Division-Cover „Isolation“ von der „Troubegum“-Platte, gewürzt mit einer großzügigen Prise Stoner Rock. Den Preis für den geistreichsten Songtitel erhält – in Anlehnung an das fast identisch betitelte, legendäre Pantera-Album – der Track „Vulgar Display Of Powder“, in dem der auch sonst auf hohem Niveau agierende Drummer Neil Cooper glänzen kann.

Zum Ende hin geht „Disquiet“ nicht die Puste aus: Die Uptempo-Nummer „Torment Sorrow Misery Strife“ bietet noch mal eine kreative Kombination aus Hardcore-Elementen und Melodie, aus leichter Fröhlichkeit und finsteren Lyrics, wie sie typisch für THERAPY? Ist. Den Vogel schießt der Dreier schließlich mit „Deathstimate“ ab, einem siebenminütigen, zähflüssigen Doom-Song, in dem Cairns ein letztes Mal die Strophen hypnotisch und lediglich zur Rhythmusbegleitung vorträgt. Black Sabbath lassen grüßen.

All das verpackt in einen zeitgemäßen, druckvollen Sound vom Produzenten Tom Dalgety, bietet „Disquiet“ eigentlich kaum Angriffspunkte für Kritik. Jedoch könnten die Fans, die THERAPY? gerne den Weg der letzten beiden Langspieler hätten weitergehen sehen, von diesem neuen Studio-Output womöglich etwas enttäuscht sein. Alle anderen – und das schließt auch Interessierte ein, die bisher noch keinen Ton von dem Trio aus Nordirland gehört haben – können sich über ein energetisches Rockalbum mit Punk- und Metal-Anleihen und die stärkste THERAPY?-Veröffentlichung der letzten beiden Jahrzehnte freuen.

Wertung: 9 / 10

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