Review TV Smith – Lockdown Holiday

Die späten 1970er-Jahre waren die Zeit der „The“-Bands aus Großbritannien: The Clash, The Damned, The Adicts, The Slits, The Stranglers … und natürlich The Adverts. Obwohl letztere gerade einmal zwei Jahre aktiv waren (1977–1979), zählt zumindest ihr Album „Crossing The Red Sea With The Adverts“ zu den Klassikern der ersten Punk-Bewegung. An den frühen Erfolg konnte Sänger und Texter TV SMITH später nie anknüpfen – selbst Projekte mit den Toten Hosen (u. a. „Useless“, 2001) und Shows in deren Vorprogramm halfen nicht zum (erneuten) Durchbruch.

Das hat TV SMITH jedoch nicht davon abgehalten, weiterzumachen, als Singer-Songwriter Soloalben zu veröffentlichen und auch mit über 60 Jahren noch als Alleinunterhalter durch die Clubs der Welt zu ziehen. Zumindest bis die Corona-Pandemie die Live-Branche zum Erliegen brachte. Und was macht ein gestrandeter Rastloser wie TV SMITH, der sich kurz vor dem Abbruch seiner Tour im Vorprogramm von Stiff Little Fingers auch noch selbst mit dem Corona-Virus infizierte, in einer erzwungenen Ruhepause? Natürlich Musik.

Zwölf Songs sind es am Ende geworden, die TV SMITH in der Zeit seiner Genesung geschrieben, ohne viel produktionstechnische Zauberei im Heimstudio aufgenommen und auf „Lockdown Holiday“ in der Reihenfolge ihrer Entstehung festgehalten hat. Man könnte also fast von einem Konzeptalbum sprechen – wäre das nicht „that most un-punk of things“, wie TV SMITH im Vorwort zu „Lockdown Holiday“ selbst sagt.

Dabei ist TV SMITH nach wie vor mehr Punk als jede Irokesen-Band – wenn auch eher in der Attitüde als im Sound: Musikalisch bleibt TV SMITH auch auf „Lockdown Holiday“ dem Singer-Songwriter-Konzept seiner bisherigen Soloalben treu. Akustikgitarre und Gesang, mehr braucht der Brite nicht für seine ernste Gute-Laune-Musik. So lässt sich der Stil von TV SMITH vielleicht tatsächlich am besten beschreiben. Denn während die Musik durchaus mit fröhlichen Akkordfolgen aufwartet (wenn auch nicht so fröhlich wie auf dem Vorgängeralbum „Land Of The Overdose“), sind die Texte nach wie vor ernst und kritisch: „We Are The Lucky Ones“ resümiert der Covid-19-kranke TV SMITH im Hinblick auf die Situation in Flüchtlingslagern, in „Bounce Back“ zelebriert er das Nie-Aufgeben und immer wieder wird es gesellschaftskritisch: „Join The Mainstream“ oder „Let’s Go Back To The Good Old Days“ singt TV SMITH in eingängigen Refrains. Ob das noch sarkastisch oder schon verbittert ist, ist schwer zu sagen. Dass diese elf Songs textlich wie musikalisch ernster, nachdenklicher und düsterer sind als von TV SMITH gewohnt, ist hingegen offenkundig. Und doch klingt TV SMITH nie selbstmitleidig, nie verzagt, nie resigniert: Am Ende heißt die Devise eben doch, wie in „Bounce Back“ besungen: „Looks bad now but it won’t last.“

„Stay save. Think dangerous“ ist ein anderes Motto von TV SMITH. Damit ist auch „Lockdown Holiday“ gut umschrieben: Musikalisch bleibt der Brite mit seinem Spontan-Projekt auf sicherem Terrain, während die Texte so nachdenklich und gesellschaftskritisch ausgefallen sind wie vielleicht nie zuvor. Dass man das Material so schnell wohl nicht live erleben wird, ist der einzige Wermutstropfen an diesem ansonsten rundum stimmigen Album zwischen Gänsehautfeeling und punkiger Ironie.

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Wertung: 8 / 10

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