Review Unitopia – Artificial

Die australischen Progger UNITOPIA haben vor zwei Jahren mit „The Garden“ ein 100-minütiges Doppel-Konzeptalbum vorgelegt, auf dem sie abwechslungsreich, hochmelodisch und teilweise auch leicht „schlagerhaft“ musizierten. Jetzt folgt mit „Artificial“ ihr dritter Streich, mit dem die Band einen Großteil der Schwächen des Vorgängers ausgemerzt hat und somit ein rundum gelungenes und vor allem hervorragend unterhaltendes Album präsentiert.

Erster Vorteil von „Artificial“ ist, dass man sich diesmal kürzer fasst. Statt mehr als 1 ½ Stunden beschränkt man sich auf lediglich 52 Minuten. Zweiter Vorteil: Die Ideen werden nicht mehr allzu nahtlos und beliebig aneinandergereiht, sondern mit Bedacht verbunden. Eine große Anzahl an genretypischen Longtracks vermisst man ebenso: Lediglich das in der Mitte von „Artificial“ platzierte „Tesla“ sticht mit seinen 13 Minuten aus dem Rest des Materials heraus, welches größtenteils zwischen fünf bis sechs Minuten ins Ziel läuft. Die Trackgrenzen sind auf dem neuen Album von UNITOPIA aber sowieso nicht besonders wichtig: Die Songs gehen flüssig ineinander über und das Werk sollte am besten an einem Stück genossen werden.

Stilistisch bleibt man sich treu: Zelebriert wird Schönklang-Prog der Marke Spock’s Beard, stets nachvollziehbar und nicht zu komplex. Ausflüge in andere Genres machen die Songs von UNITOPIA erst richtig interessant. Neben den bereits vom Vorgänger bekannten Jazz-Ausflügen am Piano und einer kleinen Portion Weltmusik begegnet der Hörer einem klassischen Intermezzo („The Power Of 3“), das zwar mit seinem Pathos an Filmmusik erinnert, aber dennoch äußerst gelungen ist. Der Einsatz eines Saxophons in nahezu jedem Song erweitert den Klangkosmos zusätzlich und die Soloausflüge dieses Instruments sind regelmäßige Highlights der Kompositionen. Natürlich hat man auch an Satzgesänge gedacht und huldigt in „Nothing Lasts Forever“ überdeutlich den Beatles.

Leider präsentieren Mark Trueack & Co. auch auf diesem Album wieder ein paar Melodien, die allzu simpel und schlagerhaft sind. Hierunter fällt vor allem der Waldhorn-Part von „Nothing Lasts Forever“ und der sehr stumpfe Mittelteil von „Tesla“. Dieser Song ist ansonsten allerdings ein klares Highlight des Albums – ein sehr spannender, sich stets entwickelnder und trotzdem kohärent komponierter Longtrack. Obendrein gibts eine Hommage an die typischen Neoprog-Keys, wie sie durch Marillions „Garden Party“ legendär wurden.

Textlich behandeln UNITOPIA auf „Artificial“ die Entfremdung und Isolation von Menschen durch moderne Technologien wie das Internet. Dabei schimmert stets eine spirituelle – eventuell sogar christliche – Botschaft durch die Texte. Insofern ist auch eine Nähe zu den Solowerken von Neal Morse auszumachen. Das die CD abschließende „The Great Reward“ tönt folgerichtig auch wie das epische Finale eines Halbstündlers aus der Feder von Morse: Getragener Gesang, schwebende Keyboards und jubilierende Melodien.

Die Produktion der Platte ist der des Vorgängers sehr ähnlich: Im Prinzip sehr ausgewogen und natürlich, aber letztendlich ein klein wenig zu handzahm. Die Band ist in Natura sicher rockiger, als sie auf dem Album rüberkommt. Davon können sich die Progrock-Anhänger übrigens dieses Jahr noch überzeugen. Im Oktober wollen UNITOPIA ihre erste Europa-Tour absolvieren.

Alles in Allem ist „Artificial“ ein Album geworden, das farbenfrohe, abwechslungsreiche und – letztendlich – lebensbejahende Musik enthält. Gerade dieses Tatsache entspricht nicht gerade dem Prog-Klischee.

Übrigens: Auf der ersten Pressung wird die Platte mit den drei Bonustracks „What Kind Of World“, „This Time, I Think We Got It Right“ und „Relative To Me“ ausgeliefert.

Wertung: 8 / 10

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