Review Unru – Als Tier ist der Mensch nichts

  • Label: Supreme Chaos
  • Veröffentlicht: 2016
  • Spielart: Black Metal

Punk und die frühen Formen des Black Metal hatten musikalisch recht viel gemeinsam, sei es eine gehörige Fuck-Off-Attitüde, die Rohheit der Musik, die oft fehlende Beherrschung des jeweiligen Instruments oder die schlechte Aufnahmequalität der Veröffentlichungen. In der Entwicklung dieser Genres hat besonders im Black Metal zu großen Teilen eine gewisse Sterilität des Sounds sowie ein genereller Drang zum Perfektionismus Einzug gehalten. Umso schöner ist es, wenn sich Bands aus dem für seinen dreckigen und alles andere als makellosen Sound bekannten Genre des Crust Punk daran machen, Black Metal zu kapern. Auftritt UNRU: Alle vier Mitglieder der Band aus Bielefeld waren zuvor im Crust-Punk-Bereich aktiv und legen nun mit „Als Tier ist der Mensch nichts“ ihr erstes Album nach einer Demo und zwei Splits mit Sun Worship und Paramnesia vor. Nicht nur das Cover des Albums ist ungewohnt und verstörend, auch das musikalische Ergebnis ist ein sperriger, heftiger Klumpen, der erst nach und nach seine tieferen und – ja, wirklich – schöneren Schichten freilegt und insgesamt durch seine bewusst hässlich und dreckig gehaltene Atmosphäre überzeugt.

Eröffnet wird „Als Tier ist der Mensch nichts“ mit metallischem Scheppern, bedrohlichem Dröhnen und Pfeifen, einer verhallten und unverständlichen Stimme sowie diffusen Geräuschen, bis „Zerfall & Manifest“ nach zweieinhalb Minuten brachial loslegt. Verwaschener, bassiger Sound, ein gnadenlos durchgeknüppeltes Schlagzeug, das eine Mischung zwischen Marschrhythmus und Blastbeats vorlegt, gutturales, tief im Sound vergrabenes Gebrüll: UNRU zeigen gleich zu Beginn keine Kompromisse. Erst nach weiteren zwei Minuten werden ansatzweise Strukturen und Riffs erkennbar, die sich immer weiter nach vorne durcharbeiten und ab und an eine Melodie aufblitzen lassen. Als das Schlagzeug kurz verstummt und ein neuer Rhythmus einsetzt, wird auch der musikalische Einfluss des Crustpunk mehr als deutlich, der sich in den Gitarrenläufen manifestiert. Diese Energie und das Räudige der Crustpunkvergangenheit der Mitglieder von UNRU merkt man „Als Tier ist der Mensch nichts“ zu jeder Zeit an.

„Das Anna-Karenina-Prinzip“, mit über zwölf Minuten Spielzeit die längste Nummer auf „Als Tier ist der Mensch nichts“, ist das Highlight des Albums und wohl am ehesten noch als klassischer Black-Metal-Song zu bezeichnen. In der Mitte des Songs übernimmt nach diversen Tempowechseln eine melancholisch-schöne Melodie das Kommando, sodass der Song stellenweise fast an den Blackened Hardcore von Deafheaven erinnert. Mit „Hēdonḗe“ legen UNRU eine Doom-Nummer vor, die sich fast als durchgängiger Breakdown präsentiert, und sein Ziel, absolut hässlich und dreckig zu klingen, voll und ganz erreicht. Melodien sind hier Fehl am Platz, es herrschen kilometertiefe Riffs, Feedbackdröhnen, tiefstes Gegurgel und heftiges Drumming vor, bis am Ende ein versöhnlicher Akkord ausklingt, der direkt in das Chaos von „Totemiker“ überleitet. Der Abschluss schlägt in eine ähnliche Kerbe wie „Das Anna-Karenina-Prinzip“, klingt dabei musikalisch aber deutlich sehnsüchtiger und weniger abwechslungsreich. Dennoch stellt diese Nummer einen versöhnlichen, nahezu harmonischen Ausgang aus der schlammigen Hölle von UNRU dar.

Auch wenn die 37 Minuten, die UNRU auf „Als Tier ist der Mensch nichts“ präsentieren die ersten paar Durchgänge kaum zu durchdringen sind und in ihrer schieren Überfrachtung und Wucht nahezu überfordern, lohnen sich weitere Tiefenbohrungen. Nach mehrmaligem Hören schälen sich die tief im bassigen, verwaschenen, chaotischen, dröhnenden Sound vergrabenen Melodien heraus, erst nach und nach werden die Feinheiten des Songwritings offenbar. Auch wenn das Schlagzeug durchhämmert und sich viele Riffs wiederholen, sind UNRU nicht stumpf, wie es bei oberflächlichem Hören den Anschein machen kann. Dass die Abwechslung dabei dennoch stellenweise zu kurz kommt und das musikalische Dauerfeuer manchmal ermüdend wirkt, ist nur ein kleiner Minuspunkt eines ansonsten starken Debüts.

Wertung: 7.5 / 10

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