Review War From A Harlots Mouth – Voyeur

Was haben Klaus Wowereit und der Flughafen Berlin-Tegel gemeinsam mit WAR FROM A HARLOTS MOUTH? Richtig, alle sind in oder aus Berlin und wo sie sind, herrscht Chaos. Das hat sich mit „Voyeur“ nicht geändert, soviel vorneweg. Zwei Jahre nach dem schlicht betitelten Vorgänger „MMX“ melden sich Deutschlands aktivste Nacheiferer von Bands wie The Dillinger Escape Plan und Converge zurück.

Die Frage bei WAR FROM A HARLOTS MOUTH war schon immer, ob sie es schaffen würden, ihre massiven Lärmattacken in einem Gesamtpaket zu verstauen, dass nicht an Wingdings, sondern eher an Times New Roman, nicht an Deathcore mit dreimal so vielen Breakdowns und fünfmal so vielen Taktwechseln, sondern an veritablen Mathcore (oder Extreme Metal, wie mans nimmt) erinnert. Denn wie bei Klaus Wowereit und dem Berliner Flughafen überwiegt(e) das Chaos früher manchmal in einer Weise, dass man den Überblick, die Hoffnung oder schlicht die Lust verlor.
Schließlich sind auch im Mathcore-Genre schlüssige Songstrukturen und einige eingängige Hooks kein Ding der Unmöglichkeit – WAR FROM A HARLOTS MOUTH haben das auf dem Vorgänger „MMX“ selbst bewiesen, scheinen sich daran aber nicht mehr so gut erinnern zu können: Voyeuristen können auf dem neuen Album hauptsächlich wüste Breakdown- und dissonante Rifforgien in Kombination mit Blastbeat-Attacken bestaunen, die so gar nicht zum Ziel führen, sondern sich in ihrem Selbstzweck, sich möglichst unnachvollziehbar durch Stereo-Anlage und Gehörgangswindungen zu fräsen, erschöpfen.
Da Ausnahmen die Regel bestätigen, bricht „To The Villains“ aus diesem Schema aus, gibt es hier doch endlich einmal richtig packende, überraschende Wendungen innerhalb des Liedes zu bestaunen. Auch das schleppende „Krycek“ und der sehr schnelle Track „Scobophobia“ können überzeugen. Das Prinzip mit den kurzen (Beinahe-)Instrumentals haben WAR FROM A HARLOTS MOUTH derweil beibehalten, diesmal sind es vier an der Zahl. Der auflockernde Effekt, den diese auf „MMX“ hatten, entfällt hier jedoch dadurch, dass auch diese Instrumentals unergründlich zu sein scheinen.
„Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?“ sagt man gerne, um etwas sarkastisch zu kommentieren, was sich viel leichter hätte erledigen lassen können. Trotz einiger überzeugender Abschnitte bleibt „Voyeur“ nämlich hinter den Erwartungen zurück: Klar ist das Album hart und extrem – diese Art von Chaos-Core ist aber gerade in Deutschland mittlerweile beileibe nichts neues mehr und wenn ich mir zum Vergleich das letzte Album von Ion Dissonance anhöre und „You People Are Fucked Up“ in den ersten 20 Sekunden bereits alles wegmäht, was WAR FROM A HARLOTS MOUTH vermutlich auch in der doppelten Spielzeit nicht kleingekriegt hätten, kann man sich nur denken: „Machts doch einfach mal einfach.“ Das wünscht man auch Klaus Wowereit und den Bauherren des Flughafenprojekts – die haben bis heute auch nirgends Ordnung reinbekommen.

Wertung: 5.5 / 10

Publiziert am von Pascal Stieler

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