Eridu – Enuma Elish (Track by Track)

Vier Jahre nach ihrem Debüt „Lugalbanda“ veröffentlichen die Münchner ERIDU am 14. April 2023 ihr zweites Album „Enuma Elish“. Auch das neue Werk der Band bietet orientalisch geprägten Extreme Metal, der sich mit der antiken Hochzivilisation im Zweistromland beschäftigt: Dabei ist das Album nicht nur nach dem babylonischen Schöpfungs-Mythos benannt, sondern auch konzeptionell darauf ausgerichtet.

Mastermind Enki erklärt das Konzept wie folgt: „Frei nach den ersten Worten des gleichnamigen babylonischen Schöpfungsmythos: „Als der Himmel noch nicht genannt war“ (übers.: „Enuma Elish“) führen ERIDU ihr Publikum in Sphären des frühen babylonischen Pantheons, in welchem Babylons Stadtgott Marduk in einem blutigen Krieg um die Vorherrschaft kämpft. Sagenumwobene Schlachten, mystische Götterkulte und die Schaffung von Planeten, Erde und Mensch verhelfen Enuma Elish zu einer dichten, epischen und finsteren Atmosphäre, die den Zuhörer in voller Intensität zurück nach Alt-Mesopotamien führt. Die sieben Keilschrifttafeln der Enuma Elish werden hierbei auf chronologische Weise lyrisch und thematisch durch sieben Songs repräsentiert, welches Enuma Elish zu einem zusammenhängenden Epos macht.“

In unserem „Track By Track“-Special erfahrt ihr zu jedem Stück von Enki, worum es geht, sowie anschließend von uns, wie es klingt.

Cosmogony

Worum es geht: Am Anfang war die Leere. Das Intro soll die Atmosphäre unmittelbar vor und nach der Erschaffung des Universums einfangen und auf den Beginn der ersten Tafel des Epos anspielen.

Wie es klingt: Ein klassisches Intro, das irgendwo zwischen Behemoth und Insomnium mit mächtig Pathos, aber auch filigranen Cleangitarren gelungen Spannung aufbaut. Los geht’s!

Enuma Elish – Tafel I

Worum es geht: Aus dem Altbabylonischen übersetzt bedeutet Enuma Elish „Als der Himmel noch nicht genannt war“. Zu dieser Zeit vermischten Apsu und Tiamat, die Schöpfergottheiten ihre Gewässer, woraufhin die Götter Anshar, Anu und Ea geboren werden. Die Götter dieser Generation versammeln sich oft und ihr Lärm stört Apsu und Tiamat, daher fasst Apsu den Plan, seine Nachkommen zu töten. Doch als die Götter von dessen Plan erfahren, erschlägt Ea Apsu im Schlaf.

Wie es klingt: Ein leichter Einschlag von „Armada“ (Keep Of Kalessin) mischt sich zu den im Intro anklingenden Bands – das Ergebnis ist ein melodischer Song, der gerade in der zweiten Hälfte mit ausschweifenden Melodien und gebetsartigen Chören eine starke Atmosphäre kreiert.

Reign Supreme – Tafel II

Worum es geht: Tiamat stellt eine Armee aus furchterregenden Kreaturen zusammen und ernennt den Gott Kingu zum Kommandanten. Nachdem Ea seinem Vater Anshar berichtete, was vor sich geht, wendet sich dieser an den babylonischen Stadtgott, Marduk. Dieser versichert Anshar, dass er sich der Kreatur Tiamat stellen und siegen wird.

Wie es klingt: Riff-orientierter als das bisher gehörte, dahingehend vergleichbar mit Behemoth‘ „Apostasy“. Der Eindruck wird durch die Art des Gowl-Gesangs verstärkt – jedoch aufgebrochen durch kurze Einwürfe von Frauengesang und die erneut stets umtriebigen Leadgitarren. Hätte nach dem Break nach zwei Drittel ruhig nochmal Fahrt aufnehmen dürfen, wendet sich stattdessen eher zum Melodischen hin – auch das funktioniert.

Defiling The Tablet Of Destinies – Tafel III

Worum es geht: Tiamat gibt Kingu die „Schicksalstafel“, die seine Herrschaft unanfechtbar machen soll. Bei dieser Tafel handelt es sich um einen mythischen Gegenstand, der seinem Besitzer die Autorität verleiht über das Universum zu herrschen.

Wie es klingt: Mit 3:46 Minuten der zweitkürzteste Song des Albums – man erwartet also instinktiv eine aggressive Nummer. Zu Recht: Das Stück startet sehr behemothesk und straight, es gibt eine kurze Verschnaufpause in Form eines Breaks, ehe ERIDU zum Ende hin nochmal alles auseinandernehmen. Statt auf rohe Gewalt setzt aber auch dieser Song noch auf Technik – stumpf gibt es bei ERIDU nicht. Spätestens jetzt einmal lobend hervorzuheben: das Drumming! Außerdem mit dabei: Michael Bachmann (Empyreal) als Gastsänger.

The Great Divide – Tafel IV

Worum es geht: Marduk schlachtet zunächst Tiamats verbündete Götter und Kreaturen ab, anschließend tötet er Tiamat selbst und teilt ihren Leichnam in zwei Hälften auf. Aus der einen Hälfte schafft er den Himmel, aus dem anderen Teil formt er Erde und Gebirge. Auch Kingu wird von ihm besiegt und Marduk entreißt ihm die Schicksalstafel.

Wie es klingt: Uptempo, aber anders: Bis zum Break nach knapp einer Minute dominieren die Leadgitarren, danach erst rückt der Fokus aufs akzentuierte Riffing – beides (wie auch der Gesang) erinnert im besten Sinne an Keep Of Kalessin: So geschickt vermögen nur wenige Bands Härte und Melodie zu extremem Metal zusammenzufügen … und auch das gefühlvoll-virtuose Solieren der Gitarristen in der zweiten Hälfte des Songs verdient einer dezidierten Erwähnung. Die fast einen Tick zu kitschigen Chöre hätte eigentlich gar nicht gebraucht – trotzdem definitiv der Album-Hit!

Constructing The Realms Of Nebiru – Tafel V

Worum es geht: Nach seinem Sieg stellt Marduk die Sternkonstellationen auf, die den verschiedenen Göttern entsprechen. Er bestimmt die Einteilung des Jahres und der Monate und weist dem Mond seinen monatlichen Lauf zu.

Wie es klingt: Verschnaufpause! Midtempo und pathetischer Sprechgesang, und natürlich sind auch die Gitarristen nicht untätig und steuern ein paar soloartige Leads bei. So richtig Songcharakter entwickelt das Stück aber nicht – und für ein Interlude ist es mit vier Minuten fast etwas zu lang – zumal anschließend ein „echtes“ Interlude folgt.

Shedding The Blood Of Kingu

Worum es geht: Atmosphärische Überleitung für den Prozess und die Opferung von Kingu.

Wie es klingt: Mit Trommeln, Wind und atmosphärischen Sounds huldigen ERIDU hier ihrem Bandkonzept auch musikalisch – in Kombination mit dem vorangegangenen Stück reißt geht der Flow des Albums leider etwas verloren: Einer von beiden Songs (vorzugsweise der vorangegangene) hätte als Ruhepunkt in der Albummitte eigentlich ausgereicht.

Clay, Blood And Vengeance – Tafel VI

Worum es geht: Marduk beruft eine Versammlung der Götter ein und fordert, dass derjenige, der Tiamats Krieg begonnen und ihre Armee versammelt hat, ihm ausgeliefert werden soll. Die Götter erwidern, dass der Gott Kingu der schuldige sei. Daraufhin fesseln die Götter Kingu und Ea erschafft aus Kingus Blut die Menschheit. Die Arbeit der Götter soll zukünftig den Menschen auferlegt werden.

Wie es klingt: Die Zerrgitarren sind zurück, nun mit deutlichem Melechesh-Einschlag. Dieser Vibe wird noch verstärkt, da auch der Gesang an deren Fronter Ashmedi erinnert und ERIDU auf orientalisch angehauchte Zusatzinstrumentiertung (Saiteninstrumente und Percussions) zurückgreifen.

The 50 Names Of Marduk – Tafel VII

Worum es geht: Tafel VII beschreibt ausschließlich eine Aufzählung der fünfzig Titel und Attribute Marduks durch die Götterversammlung. Darunter ist Marduk der „Erzeuger der Vegetation“, derjenige, „der die Menschen erschuf, um sie zu befreien“ und derjenige, „der in seinem Zorn in das weite Meer Tiamat watete“. Mit diesen und vielen weiteren Namen preisen die Götter Marduk.

Wie es klingt: Grooviges Riffing, verstärkt durch subtile Percussions geben dem Song kräftig Schub. Diesen Gewaltakt ziehen ERIDU für dreieinhalb Minuten mit aller Härte durch, ehe eine dominante Cleangitarre und klagende Screams den Song sehr stimmungsvoll zu Ende bringen.

Let Them Call On His Name

Worum es geht: Das Epos schließt mit einer Aufforderung an die Menschheit ab, Marduks Namen anzurufen und sich an seinen Sieg über Tiamat und das von ihm errungene Königtum zu erinnern.

Wie es klingt: Irgendwo zwischen Rotting Christ und Insomnium führen ERIDU das Album melodisch und mit nur wenig pathetischem Sprechgesang dem Ende entgegen. Dass der Song nicht mehr wirklich Fahrt aufnimmt und nach zweieinhalb Minuten für eine weitere Minute nur noch Outro-Sound bietet, ist ein wenig schade, hat man diese Songstruktur doch eben erst so ähnlich zu hören bekommen; mit deutlich mehr Wums wäre „The 50 Names Of Marduk“ eigentlich der wuchtigere Rausschmeißer gewesen.

(unbetitelt)

(Instrumental)

Wie es klingt: Nicht nur musikalisch, auch konzeptionell will das unbetitelte Schlussstück – komponiert und gespielt vom Metal-Pianisten Alphatraz – nicht wirklich zum Album passen: War das gesamte Werk bis dahin tendenziell orientalisch untermalt, gibt es nun für dreieinhalb Minuten ein durchaus hübsches, insgesamt aber eben auch ziemlich okzidental anmutendes Klavierstück zu hören. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Stück selbst musikalisch auf Motiven von „The 50 Names Of Marduk“ basiert: Stilistisch hätte hier ein Track á la „Shedding The Blood Of Kingu“ einfach besser gepasst. Aber wer sich daran stört, kann diesen „Abspann“ aber einfach ausssparen und wieder zum Anfang springen.

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