Herbert Hauke – Storyjäger im Rock-Olymp [Portrait]

Tina Turner warf er Rosen auf die Bühne, doch seine Liebe galt dem Rock ’n’ Roll. Heute zeugen in Herbert Haukes Rockmuseum Munich unzählige Schaustücke von einem Leben, das in „jedem Zeitabschnitt immer wieder geil war“, wie er es ausdrückt. Sein wahrer Schatz aber sind die Geschichten, die er seit 50 Jahren auf, neben und vor allem hinter der Bühne sammelt.

„Super, I will be there … CU Herbi“, bestätigt Herbert Hauke das Treffen, ganz so, als ginge seine Mail an einen internationalen Rockstar. Tatsächlich dürften schon viele Promis so eine Nachricht bekommen haben, längst nicht alle hatten das Glück, Herbi zu treffen. Einen Termin mit David Bowie etwa habe er mal verschlafen, gibt er zu. „Und der war noch neugierig auf mich, was ich da mache, und war total enttäuscht.“ Was Bowie neugierig machte: Herbis Rockmuseum im Münchner Olympiaturm. Von Konzertkarten, Backstage-Pässen und Fotos bis hin zu Bühnenbekleidung und Instrumenten von Rock-Größen wie Deep Purple, Scorpions oder den Rolling Stones – Herbert Hauke sammelt alles.

„Ich bin seit schon 30 Jahren kein Autogrammjäger mehr
– sondern eigentlich Storyjäger“

Heute kommt Herbi auf die Minute pünktlich ins Foyer des Turms. Randlose Brille, sonnengebräunt, das etwas schüttere graue Haar lässig nach hinten gegelt. Zu beiger Hose und Turnschuhen trägt er ein türkisfarbenes Hemd mit kurzen Ärmeln und Pünktchenmuster, die dottergelbe Jacke hat er lässig über die Schulter geworfen. Gymnasiallehrer im Sommerurlaub wäre auf den ersten Blick ein plausibler Tipp. Zeitzeuge für 50 wilde Jahre Rockgeschichte, einer, der mal „den Joe Cocker unter den Tisch gesoffen“ hat, wie er später erzählen wird? Eher nicht. Nur durch seine Souveränität sticht Herbi aus der Masse planloser Touristen hervor. Wie er auf dem Weg in sein Wohnzimmer, wie er das Museum nennt, den Eingangsbereich durchschreitet, zielstrebig an der Schlange Wartender vorbei zum Lift geht, mit jedem Angestellten Smalltalk führt. Dass dabei fast ausschließlich er spricht, scheint keinen zu stören. Reden, das merkt man schnell, ist neben dem Sammeln Herbis zweite große Leidenschaft. Am liebsten verbindet er beides: „Ich bin schon seit 30 Jahren kein Autogrammjäger mehr – sondern eigentlich Storyjäger“, stellt er klar. Wichtig sei ihm, den Leuten in seinem Museum Zusammenhänge zu erklären.

Wie viel ihm an diesen Zusammenhängen liegt, merkt, wer Herbi unbedarft fragt, wie er zum Rock ’n’ Roll gefunden hat. Gut 20 Minuten dauert die Kurzfassung seiner Lebensgeschichte – nur bis zur Volljährigkeit, wohlgemerkt. Aber vielleicht lässt sich nur so verstehen, was es für den Jungen, der in der Kneipe der Eltern zwischen „bayerischem Bierdünkel“ und amerikanischen Besatzern aufwuchs, bedeutete, dass mit den Soldaten eine Musicbox ins Lokal kam – und plötzlich „etwas in the air war“, wie er es ausdrückt, das komplett anders klang als Schlager und Marschmusik. Wie der Drogentod eines Freundes und ein Motorradunfall in der Clique bewirkten, dass er sich ganz der Musik verschrieb. Und warum er seltener daheim und immer öfter „backstage“ war.

Herbert Hauke mit Klaus Meine der Rockband Scorpions.
Herbi backstage mit Klaus Meine (Scorpions). Foto: Privatarchiv

Mit 19 warf er Tina Turner einen Strauß Rosen auf die Bühne, wurde deshalb zur Aftershowparty eingeladen. Als „linksgescheitelter Bub, den seine Eltern nicht einmal aufgeklärt haben“, fügt er vielsagend hinzu. Er hat die Geschichte vermutlich schon hunderte Male erzählt, die Pointe trägt er quasi druckreif vor: „In der Nacht bin ich nach Hause und hab mir gedacht: Wenn ein Rockstar nach München kommt, muss der Herbi Hauke kennenlernen.“ Der Plan ging auf: Zeitweise sei er fast jeden Tag in der Szene unterwegs gewesen, seine Trophäensammlung wuchs und wuchs. Und wächst bis heute – nicht zuletzt dank guter Kontakte. Ständig bekomme er Sammlerstücke, von alten Konzertpostern bis hin zu signierten Instrumenten angeboten: „Es kann jetzt das Telefon klingeln und die Hölle bricht los“, warnt Herbi vor. Einmal etwa habe ein befreundeter Roady nach einem Videodreh angerufen: Er hätte jetzt eine „signierte Klampfe rumflacken“ – von AC/DC.

„Von 100 Frauen hätten 99 gesagt: Das ist toll,
aber jetzt geh den Müll raustragen“

Die Idee fürs eigene Rockmuseum kam Herbi 1992 – im Traum. „Und von 100 Frauen hätten 99 gesagt: Das ist toll, aber jetzt geh den Müll raustragen. Und meine Frau hat gesagt: Das ist eine geile Idee. Du kennst doch all die Künstler, du hast eine tolle Sammlung, du kannst gut mit Leuten, mach das doch!“ Mitten im Sprechen springt Herbi auf und ruft quer durch das Cafe am Olympiaturm: „Tobias! Tobias! Ich wollte nur danke sagen!“ Das sei der Pressesprecher vom Olympiapark gewesen, erklärt er später, der ihm für seine Frau zwei Tickets für Rod Stewart besorgt habe. „Das sichert meine Ehe“ sagt er schmunzelnd. Nicht ohne Stolz setzt er hinzu: „Wieder eine meiner vielen Vernetzungen“. Auch sein Handy klingelt später tatsächlich noch: „Auf alle Fälle Fotos machen!“, bittet er den Anrufer. Das nächste große Ding für die Sammlung? „Hagelschäden“ erklärt er kurz, als er aufgelegt hat. „Ich bin Finanzberater – also das totale opposite zu diesen ganzen Dingen.“ Kein ganz freiwillig eingeschlagener Weg, wie er zugibt: Die Eltern hätten ihn in die Bank gesteckt, damit er etwas Anständiges lerne. Wenngleich er es irgendwann leid gewesen sei, jeden Tag anzuecken, schiebt er sein geschniegeltes Erscheinungsbild von heute ganz bewusst nicht nur auf den Job: Er habe auch nie aus der Zeit gefallen wirken wollen. „Und wenn du dann eine Familie und Verantwortung hast, kannst du nicht mehr ausschließlich dein Leben leben.“ Für seine Tochter kommt diese Erkenntnis allerdings etwas spät, wie Herbi eingesteht: „Sie hatte eine relativ schwierige Pubertät mit zwei pubertierenden Eltern im Alter um die 50.“

Heute, mit 64, denkt er oft ans Aufhören – „Alle fünf Minuten. Aber in der sechsten denke ich mir dann wieder es ist doch geil, oder es passiert wieder etwas Spannendes.“ Der Gedanke, das Rockmuseum weiterzugeben, behagt ihm nicht: „Jemand anderes könnte wahrscheinlich auch die Exponate erklären, aber I think it’s a different story. Ich bin eben jemand, der weiß, wovon er redet.“ Dass er trotzdem nicht ewig weitermachen kann, ist Herbert Hauke bewusst: „Du musst ja auch selbst merken, wenn du peinlich wirst. Wenn mir dann bei einer Erzählung über die Beatles mein Gebiss rausfällt, muss ich es lassen.“ Bis dahin hat er noch so einiges vor. „Ich will nicht künstlich auf jung machen, aber ich versuche, im brain einigermaßen zu verstehen, was abläuft.“ Mit leuchtenden Augen kündigt er das nächste große Projekt an: ein 3D-Rockmuseum. „Diese Virtual und Augmented Reality, das ist wahnsinnig geil!“ Und vielleicht ja auch die Lösung: Im virtuellen Raum verliert niemand sein Gebiss.

>> Lies hier das Interview mit Herbert Hauke!

Herbert Hauke vom Rockmuseum Munich mit dem Museumslogo.
Herbi mit dem Logo des Rockmuseum Munich. Foto: Moritz Grütz

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