Interview mit Herbert Hauke von Rockmuseum Munich

Herbert Hauke, oder Herbi – wie er sich nennt – ist ein Urgestein der Rock-‘n’-Roll-Szene. Als Fan der ersten Stunde hängt er seit rund 50 Jahren mit Rockstars in Backstage-Bereichen herum und hat sich, quasi nebenbei, eine stattliche Sammlung an Memorabilia aufgebaut. Einen Teil davon gibt es im Rockmuseum München zu bewundern – lohnenswert wird der Besuch aber erst mit einer Führung. Denn wichtiger als Autogramme sind Herbi von jeher seine Geschichten und die unzähligen Anekdoten, um die er sich auch in unserem Interview nicht lange bitten lässt.

Herbi, was hat dich überhaupt zum Rock ‘n‘ Roll gebracht?
Ich bin 1955 geboren, mein Vater und mein Opa waren im Krieg, denen hat man komplett die Jugend gestohlen. Das ganze Land war damals traumatisiert, die Leute haben nicht darüber geredet, ob sie im KZ gearbeitet haben oder jemanden erschossen haben. Ich hatte mit all dem nichts zu tun, aber bin in einer traumatisierten Umgebung aufgewachsen, mein Vater war schwer kriegsgeschädigt, und auch meinen Opa haben diese Erlebnisse geprägt. Wenn du damit aufwächst, willst du das selbst nicht erleben – das ist ein kleines Pflänzchen des „Love & Peace“-Gedanken, dass du nicht die nächste Generation sein willst, die in so einen Mist verstrickt wird.

Meine Familie war eigentlich vermögend, hatte aber nahezu alles verloren, war dann aus dem Raum Berlin nach Bayern geflohen und hat dort ihre Existenz neu aufgebaut. Für mich als kleiner Junge war das natürlich grad toll, aber wenn man da aufwächst, sucht man als Jugendlicher natürlich seine Identität. Meine Eltern sind dann nach München und haben ein Lokal aufgemacht, in das viele amerikanische Soldaten kamen. Ich bin also einerseits im bayerischen Bierdünkel von Stammtischen, Kartenspielern und Leuten, die noch am Steckerl in die Wirtschaft gepieselt haben, aufgewachsen, und andererseits mit den Amerikanern, die für mich ein Stück Internationalität, ein Stück Welt waren. Irgendwann haben die eine Musikbox mitgebracht, und dann habe ich das erste Mal diese Musik gehört.

Das war insofern spannend, als die damalige Bevölkerung nur Schlager, Marschmusik und so seltsame Dinge gehört hat, und dann hörst du auf einmal „One, two, three o’clock … We’re gonna rock around the clock tonight“. Dann die Platten von Elvis – im Radio wurde das ja nicht gespielt. Das waren die ersten Anfänge: Da war etwas, das klang anders, das hatte nichts mit Bayern und Schweinsbraten oder Schnitzel zu tun, da war etwas in the air.

Herbert „Herbi“ Hauke 2019 in seinem Rockmuseum. Foto: Moritz Grütz

Als ich zwölf war, hat mich mein Vater dann in einen Plattenladen mitgenommen. Dann gab es da Platten von Udo Jürgens, Peter Alexander … und von den Beatles. Für die habe ich mich entschieden, weil in der Platte war ein Mobile – das wollte ich mir übers Bett hängen. Ich kam also schon sehr früh mit der Musik in Berührung. Und der entscheidende Punkt: In meiner damaligen Clique waren wir alles Leute, die zu Hause Probleme hatten, weil die Eltern uns nicht aufgeklärt, uns alles verboten haben. Und wie die heutige Generation wollten wir genau das nicht machen, was die Eltern gemacht haben, also haben wir uns die Haare wachsen lassen, das gab die ersten Krawalle, dann habe ich mir für fünf Mark in einem Army-Shop eine Vietnam-Jacke gekauft und hinten ein riesen Peace-Zeichen draufgemalt und so bin ich dann durch die Stadt. Und die alten Nazis haben die Schäferhunde auf mich gehetzt und mich Gammler und Penner geschimpft – das war eine sehr lustige Zeit. Und dann kam eben noch die Musik dazu.

1969 war dann noch das Woodstock-Festival, 1970 kam das ins Kino. Damals bin ich um 10 Uhr aus dem Haus und nachts um 1 Uhr wiedergekommen. Meine Mutter hat mich gefragt: Wo warst du – und ich habe gesagt: Im Kino. Da war ein geiler Film, den habe ich mir siebenmal angeschaut. Dieser Woodstock-Film war ein riesen Auslöser für mich, weil ich da das erste Mal gesehen habe, wie viele wir sind. Wie viele Leute gegen den Vietnamkrieg sind, gegen Gewalt protestieren, einfach nur Spaß haben, Liebe machen, Musik machen wollen. Und was für eine irre Gemeinde wir eigentlich sind. Daheim warst du ja einfach Exot, das war nur in der Clique auszuhalten, da waren wir alle Exoten.

… und wann ging es das erste Mal „backstage“?
1973 bin ich mit meiner Clique zum Tina-Turner-Konzert, dafür haben wir früh um vier mit dem Schlafsack vor dem Ticketschalter übernachtet, Internet gab es damals ja noch nicht. Dann kamen wir da rein, ich wollte Karten für die erste Reihe, es gab aber nur welche für die zweite. Das hat mir damals schon etwas gestunken. Auf dem Weg zum Konzert saß im Stachus-Untergeschoß so ein Krähenweiberl, so hat man das damals genannt, die allerlei Sachen verkauft haben. Da habe ich meiner damaligen Freundin gesagt: Weißt du was, ich bringe meiner Tina heute Rosen mit. Und sie hat gesagt: Herbi, du bist so ein Wahnsinnsspinner, aber dann mach das halt. Dann habe ich diesen Strauß Moosröschen gekauft, und jetzt kommen wir zum Anfang des Rockmuseums, denn das war der Anfang von allem: Wir gehen ins Konzert, während der Vorgruppe bleiben die Plätze vor uns leer. Und dann kommen fünf Typen und setzten sich da hin: Die Rolling Stones, komplett. Und damals gab es diese Musik ja nicht in dieser Masse und Verbreitung. Von den Rolling Stones hast du mal gehört, auch mal ‘ne Platte gekauft, und jetzt sitzen die da. Ich hab dann 100 Fotos von Keith Ritchards gemacht, von unten seitlich ins Nasenloch quasi, und ihn tausendmal angelangt, damit ich mein ganzes Leben sagen kann: Ich habe die Rolling Stones berührt.

Aber das interessante war: Die waren unglaublich nett und geduldig, haben Autogramme geschrieben und waren weder arrogant, noch genervt. Das war für mich ein Wow-Erlebnis, das hat etwas ausgelöst. Dann ging das Konzert weiter und ich habe den Strauß Rosen auf die Bühne geworfen. Tina hebt die Rosen auf, steckt sich eine hinter das Ohr und kommt fragend an den Bühnenrand – und ich sitze da in einem total peinlichen Lammfellmantel und weiß nicht, ob ich aufstehen soll. Dann stehe ich auf, 3.000 Leute applaudieren und Tina Turner beugt sich herunter und sagt: „You’re so sweet, the next song is for you and it’s called ‚I’ve been loving you too long‘.“ Jetzt stehe ich da, und weiß zwei Dinge nicht: Dieses Lied ging 17 Minuten und dabei hat sie einen Orgasmus simuliert und mit dem Mikrophon wie mit einem Penis gespielt. Jetzt stand ich da, in der Blüte meiner Pubertät, und mir hat es überall den Schweiß raus gehauen, und alle haben applaudiert. Dann ist Pause, ich will mir eine Sturzhalbe reinlöten, und dann steht da so eine kleine Dame und fragt mich: „Entschuldigen Sie, haben Sie gerade den Strauß Rosen auf die Bühne geworfen?“ Da kam die mir gerade recht, ich wollte ja nur mein Bier trinken, und hab gleich gesagt „Ja, und das würde ich wieder machen, das war ‘ne geile Aktion, aber das ist natürlich sicher verboten, Paragraph 17 der bayerischen Beamtenverordnung, aber ihr könnt mich am Arsch lecken“ und so weiter… dann hat die gewartet, bis ich mich beruhigt habe, meinte, ich solle ersteinmal einen Schluck Bier trinken, und hat dann gesagt: „Ich bin vom Management von Ike & Tina Turner, wir fanden das so eine goldige Idee, dürften wir Sie zur Aftershowparty einladen.“

Dann bin ich also in das Hotel Hilton gefahren und bin das erste Mal mit dieser Szenerie in Verbindung gekommen – ein linksgescheitelter Bub, den seine Eltern nicht einmal aufgeklärt haben, und dann diese ganzen Leute, die sich auf dem Buffet lieben, irgendwelches Zeug rauchen, koksen und was weiß ich noch alles. Das war eine geile Sache. Da dachte ich mir: Das ist es, das brauche ich jetzt so oft wie möglich. Und in der Nacht bin ich nach Hause und hab mir gedacht: Wenn ein Rockstar nach München kommt, muss der Herbi Hauke kennenlernen.. Mit 18 kann man so einen Entschluss ja noch fassen. Und damals gab es nicht diese ganzen Securitys und wichtigen Leute, die dir irgendwelche Dinger hinpappen, sondern die Stars waren die langhaarigen Wilden, die Outsider, und wir waren die langhaarigen Wilden, die sie finanziert haben.

Ich konnte damals schon sehr gut Englisch und konnte diese Backstage-Erlebnisse gut händeln, weil mich die Musik interessiert hat, und immer damit angeben konnte, dass ich schon bei Tina Turner backstage war. Und so habe ich mich dann von Konzert zu Konzert gehangelt. Und so habe ich mich als Jugendlicher dann von meinem Elternhaus entfernt und Rock was my life.

Herbert „Herbi“ Hauke 1973 mit Eddie Jobson von Roxy Music. Foto: Privatarchiv

Wie ging es dann weiter?
Ich hatte dieses wahnsinnige Privileg, dass ich viele Stars getroffen habe – aber was natürlich noch viel interessanter war, war, dass ich die ganze Peripherie kennengelernt habe: Fotografen, Stagehands, Reporter, Manager, Konzertveranstalter … das war dann das wirkliche Privileg. Das ist, wie wenn du der Busfahrer des FC Bayern bist: Dann hast du eben täglich mit den Stars zu tun. Das hat ja neben meinem normalen Leben stattgefunden, und geht jetzt im Grunde seit 50 Jahren so. Da kommt eine Menge zusammen. Viele von den Leuten, die ich als Stars bewundert habe, sind einfach großartige Leute. Aber spannend war auch die Veränderung über die Zeit. Während damals Backstage wirklich noch die Hölle los war, haben die Bands da heute ihre Müsliriegel und den Fitnesstrainer. Entsprechend spaßbefreit sind dann heute auch meistens die Backstagepartys. Aber das ist halt die Zeit.

Aber dich trifft man da heute trotzdem noch an?
Ja, das interessiert mich alles, ich bin da voll drin. Ich vertrage nicht jede Musikform, und brauche nicht auch noch Death Metal, aber letztendlich ist Musik mein Leben. Wenn du die ganzen Etappen siehst: Da war der kleine Fan, dann gerät der hinter die Kulissen, dann hat er das wahnsinnig ausgelebt, jeden möglichen Menschen zu treffen und angefangen, die Sammlung auszubauen, dann kam die Idee mit dem Museum – und mittlerweile bin ich vierfacher Buchautor, habe das Museum seit 15 Jahren, bin Ansprechpartner für vieles, was mit Rock zu tun hat. Das wandelt sich natürlich, aber es war zu jeder Zeit im Leben das Richtige. Ich bin ein völlig normaler, in keiner Weise besonderer Mensch, aber ich hatte ein riesen Privileg, ein Leben leben zu können, das zu jedem Zeitabschnitt immer wieder geil war. Ich habe zu meiner Frau mal gesagt: Wenn der liebe Gott mir damals, als ich aus dem Bauch meiner Mutter gekommen bin, einen Zettel hingehalten hätte, und gesagt hätte: Schreib mal auf, was du dir wünschst – ich hätte mich nicht getraut, diese 100 Seiten aufzuschreiben, die ich in meinem Leben erlebt habe. Heute bin ich ein Mensch, der einfach geben will, als Zeitzeuge, der 50 Jahre dabei war.

War die Begegnung mit Tina Turner dann auch die, die dich rückblickend betrachtet am meisten geprägt hat?
Im Grunde ist die stärkste Freudnschaft, die dadurch entstanden ist, die zu Mick Box von Uriah Heep, weil ich die Band seit 1973 immer wieder getroffen habe. Mittlerweile ist meine Frau Tourbegleiterin, manchmal war ich dann dabei, wenn die mit der Band unterwegs war. Mit der Zeit haben wir uns, auch wenn das komisch klingt, wirklich angefreundet. Als wir dann das Rockmuseum 2004 eröffnet haben, haben wir Chuck Berry angefragt, der wollte dann 5.000 $ Bargeld ohne Nachweis im Koffer, das konnten wir uns nicht leisten, Tina Turner wollte 20.000 $ um dort zu erscheinen, und Uriah Heep haben gesagt: Wir kommen, unsere Bedingung ist ein Abendessen mit der Familie. Und dann haben wir zusammen in einem Lokal „Lady in Black“ gesungen und uns veritabel zugelötet und am nächsten Tag um 10 Uhr war die Pressekonferenz. Auch für die Rockmuseums-App haben die Promo gemacht, also das ist eine ganz tolle Geschichte.

Herbi mit Mick Box und Bernie Shaw (Uriah Heep) bei der Promotion-Veranstaltung für sein Buch „All You Need Is Music“. Foto: Privatarchiv

Und wie kommst du zu deinen Sammlungsgegenständen?
Ich nerve solche Leute nicht mit irgendwas, ob er noch irgendwo eine Gitarre rumstehen hat, beispielsweise. Aber ich habe zum Beispiel mein erstes Buch herausgebracht, und Mick Box gefragt, ob er welche signiert. Er meinte nur: „Herbert, bring along as much books as you can – I’ll sign them all“. Dann hat er mir 60 Bücher signiert. Natürlich bist du ein Jäger, aber ich war keiner von denen, die möglichst viel schießen wollen. Ich habe mich immer bemüht, die Menschen respektvoll zu behandeln.

Aber wie läuft das dann konkret? Gehst du bei Metallica ins Backstage und dann schenken die dir eine Gitarre?
Nein, bei Konzerten nicht. Die Kontakte gehen ja mehr zu den Managements und den Leuten, die mit den Stars zu tun haben. Diese Dinge sind für mich aber nicht mehr wichtig, ob ich jetzt noch die signierte Gitarre habe, oder jenes Plakat. Ich bin mehr auf Geschichtenjagd. Und immer wieder melden sich auch bei den Führungen Leute, die etwas erlebt haben, und diese Geschichten mit mir teilen.

Das ist insofern praktisch, als Geschichten keinen Platz einnehmen. Am Anfang war hast du deine Sammlung in der Wohnung aufgebaut?
Klar, ich wollte ja posen damals – am Anfang habe ich in der Clique allen imponiert, die haben die Frauen zu mir geschickt: Guckt mal, der hat keine Münz- oder Briefmarkensammlung, aber der kennt Tina Turner.

Wann kam dir dann die Idee zum Rockmuseum Munich? Wurde es daheim einfach zu viel?
Du wirst lachen, aber es ist wirklich wahr: Ich hab das geträumt. Das war ‘92, da bin ich mit meiner Frau beim Frühstück gesessen, und habe ihr erzählt, dass ich in dem Traum mit all diesen Dingen, die wir an der Wand haben, ein eigenes Museum hatte, durch das ich gegangen bin. Und von 100 Frauen hätten 99 gesagt: Das ist toll, aber jetzt geh den Müll raustragen. Und meine Frau hat gesagt: Das ist eine geile Idee, du kennst doch all die Künstler, du hast eine tolle Sammlung, du kannst gut mit Leuten – mach das doch! Und dann habe ich selbst noch gesagt: „was heißt ‚mach das doch‘?“, weil ich ihr nur den Traum erzählen wollte. Und dann fing das an. Es gibt einen schönen Spruch: „Der Mann der den Berg abtrug, war der gleiche, der anfing, Steine wegzutragen“ [Konfuzius, A. d. Red.]. Wenn ich Ziele habe, habe ich auch einen langen Atem. Da ist mir egal, wie schnell ich das erreiche. Es gibt ein russisches Sprichwort: „Alles kommt zu dem, der warten kann.“ Und wie das Leben so spielt: Zwei Wochen später kam ein Redakteur zu mir, den ich privat kannte, der meinte: „Herbi, das ist absolut schade – hier hängt die Unterhose von Madonna und ihr Büstenhalter, und eine Gitarre von Eric Clapton und Sachen von den Beatles und niemand kann das sehen.“ Und der kannte dann jemanden, der ein Museum hatte, das „Zentrum für Außergewöhnliche Museen“. Dort habe ich 1992 meine erste Ausstellung gemacht und meinen heutigen Projektpartner kennengelernt, den Musikjournalisten Arno Frank Eser. Der sollte mich eigentlich nur interviewen. Aber der meinte dann: „Du bist ein abgefahrener Typ, du schaust aus wie so ein Bankbeamter, aber in dir brennts ja, das ist die Hölle.“ Und er hat mir dann seine helfende Hand angeboten, um aus dem Projekt etwas zu machen. Das war entscheidend, weil ich wirklich naiv war. Er hat mich dann zu den Interviews mitgenommen, und alle Stars, die ich da noch nicht kannte, habe ich dann über ihn kennengelernt. Er war also ein entscheidender Baustein für das Rockmuseum, das wir ja auch seit 2004 zusammen betreiben. Wir sind aber schon seit damals gut befreundet, oder sollte man sagen „gut befeindet“? Er ist ein totaler Hippie, ich bin sehr energetisch … dadurch haben wir sehr große Unterschiede. Aber es ist gut, wenn du einen Hippie hast und einen Freak. Mittlerweile ist das eine wunderbare Freundschaft zweier älterer Herren, die das Privileg haben, immer noch rumspinnen zu dürfen. Das ist ja auch was wert.

Herbi mit Roger Daltrey (The Who) im Rockmuseum. Foto: Privatarchiv

Wie seid ihr dann an die Location hier im Olympiaturm München gekommen?
Purer Zufall. Wir haben 13 Jahre nach einer Location gesucht. Wir haben uns mit Brauereien eingelassen, die wollen aber eigentlich nur Bier verkaufen, und haben zwei Deppen gesucht, die da Geld reinstecken. Wir hatte keinerlei Unterstützung. Wir waren dann im Kulturreferat, die haben gesagt: „Wir machen eine Milliarde im Jahr mit dem Oktoberfest, wir haben so und so viele Kulturbetriebe, und Rock, das sind sowieso nur Wilde. Ich hatte da ein ganz furchtbares Gespräch mit dem Kulturbeamten. Am Schluss habe ich gesagt: In Amerika gibt es einen Aufkleber auf Motorrädern: „If you don’t know, what Harley Davidson means, I won’t tell you“. Und if you don’t know, what Rockmuseum means, I won’t tell you. Der saß dann da und hatte 20 Fragezeichen über dem Kopf. Natürlich sagen viele, das hier im Turm ist alles zu klein. Aber wenn du dein ganzes Geld in deine Sammlung steckst, kannst du nicht für 10.000 Euro ein großes Rockmuseum anmieten. Aber ich habe ja auch viele internationale Ausstellungen gemacht, 2018 zwei in Österreich, jetzt läuft eine im Belgien. Also viele Teile der Sammlung sind auch immer unterwegs.

Wie viel Zeit investierst du in das Museum, was für einen Anteil nimmt das in deinem Leben ein?
Im Monat sind es vielleicht fünf oder zehn Tage, die dem Rockmuseum gehören. Aber es kann jetzt das Telefon klingeln und die Hölle bricht los. Ich kenne ja auch viele Roadies, und einmal war ich beispielsweise unterwegs, dann kam ein Anruf: „Du, Herbie, bei mir sind gerade AC/CD, die machen hier einen Videodreh. Ich hab da a Klampfn signieren lassen, die flackt jetzt hier rum, magst dir die abholen? Sonst behalt ich die selber.“

Und finanziell?
Das Museum läuft vor sich hin, wir nehmen keinen Eintritt, wenn wir Konzerte haben, geht das Geld an die Band, wenn etwas übrig ist, stiften wir das an ein Kinderhospiz im Allgäu. Ich habe mir meinen Lebenstraum erfüllt, mir geht es nicht um die Kohle, und mein Partner ist Hippie. Wir betreiben das aus reiner Freude – das Finanzamt wundert sich immer, wo unsere Gelder sind, aber wir haben keine. Aber wir haben Spaß, und letztendlich ist meine Sammlung natürlich gewachsen, und die hat ja auch einen Wert – insofern wäre geschwindelt, wenn man sagt, man hat da nichts davon.

Hat dir die ganze Sache – Sammlung und Museum – auch schon Probleme bereitet, Stress mit Stars, Neid im Freundeskreis, die Frau sauer, weil es zu viel wird …?
Alles davon. Wir reden hier über 50 Jahre, da ist das vollkommen logisch. In meiner Anfangszeit habe ich am Bayerischen Hof mal von fünf Uhr nachmittags bis nachts um vier auf den Pete Townshend von The Who gewartet, und stand da mit einer schönen Gitarre. Und nachts um vier kam er dann heraus, und sagt zu mir: „Sorry, I don’t sign guitars“ und ist davongeschwebt. Aber ich kann unterscheiden zwischen dem, was aufgebläht ist als der Star, und dem armen Menschlein dahinter. Und je mehr du damit zu tun hast, umso weniger beneidest du diese Leute. Das ist ein wahnsinniger pressure. Alle sagen dir, was du zu tun hast, geben dir einen Zeitplan vor, karren dich durch die Gegend, dass du teilweise gar nicht mehr weißt, wo du bist. Da spielen sich vor deinen Augen auch Tragödien ab, die Leute haben alle ihre privaten Probleme. Wie bei Joe Cocker, der ein riesiges Alkoholproblem hatte. Oder auch Phil Collins, der heute gesundheitlich ein Wrack ist, obwohl er einer der erfolgreichsten Künstlern der Welt ist – aber eigentlich von allen missachtet, weil eigentlich zu viel Phil Collins da war, also richtig viel Collins. Es wurde ja eine Zeit lang jede Sekunde ein Song von ihm gespielt und man hat ihn gehasst. Ich habe immer zwischen der künstlerischen Leistung und dem Menschen getrennt. Es gibt Künstler, die als Künstler und als Mensch toll sind. Und dann gibt es Künstler, die würden die Fans am liebsten gar nicht kennenlernen. Aber das ist wie im richtigen Leben: Wenn du zehn Leute an einem Tisch hast, sind automatisch drei Arschgeigen dabei. It’s life.

Herbi „mit Glenn Huges“ in der Deep-Purple-Sonderausstellung 2019. Foto: Moritz Grütz

Mit dem Vergleich zum Bankbeamten hatte dein Partner nicht ganz unrecht, wenn ich das so sagen darf. Wann hast du dich vom Hippie-Rocker-Look verabschiedet?
Das war zwangsweise, weil meine Eltern mich in die Bank gesteckt haben, ich wurde dann Bankkaufmann, weil ich ja etwas anständiges lernen musste, und davor noch die Bundeswehr – das war quasi die Doppelrasur, weil du irgendwann leid bist, jeden Tag anzuecken. In der Bank hatte ich natürlich keinen Bock, Krawatten zu tragen, aber damals waren diese Konventionen natürlich noch viel stärker. Und wenn du dann eine Familie hast, Nachwuchs bekommst, Verantwortung hast, kannst du nicht mehr ausschließlich dein Leben leben, da ist eine gewisse äußerliche Anpassung gegeben. Ich habe hier auch viel mit Leuten zu tun. Ich wollte nie aus der Zeit geworfen wirken. Im Endeffekt ist es in deinem Herzen und in deiner Seele – auf der anderen Seite gibt es ja auch genug, die sich anziehen wie Rocker oder Punks und gar nicht wissen, was das ist. Ich war ‘77 in London, da ging dieses Punk los, und ich wusste überhaupt nicht, was das ist. Da war ich in einer Kneipe, da trat eine Punkband auf, und nach fünf Minuten schmeißen die sich alle Flaschen drauf, tritt jemand den Tisch zusammen, haut der andere dem Drummer auf der Bühne die Zähne raus, und ich dachte mir what the fuck is going on. Und heute haben das Leute praktisch als Verkleidung, um gegen die Welt zu protestieren, oder als Modeaccessoirs.

Wie ging es dann nach der Ausbildung bei dir beruflich weiter?
Ja, das ist sehr lustig. Ich habe dann die Versicherungsagentur von meinem Vater übernommen, und bin bis heute Finanzberater, über die ganzen Jahzehnte – also das totale opposit zu diesen ganzen Dingen. Aber auch das habe ich, glaube ich, gut gemacht. Meine Kunden sind sehr zufrieden und ich habe geschafft, dass alle ihr Geld behalten haben … ich kann immer noch erhobenen Hauptes durch München gehen. Letztendlich muss man ja von irgendwas leben, aber der Beruf hatte natürlich den Vorteil der freien Zeiteinteilung. Am Anfang dachte ich, die Kunden würden übel auf mich reagieren, aber die sind eigentlich stolz, weil ich denen dann immer wieder Geschichten erzähle oder sie bekommen mal ein Konzertticket oder eine Führung für die Firma oder so – also das hat sich wirklich kombinieren lassen, was ich am Anfang nicht gedacht hatte. Die schwierigste Zeit war in der Bank, bei den Kollegen. Ich kann mich erinnern, ich hatte einmal einen Wahnsinnsabend mit Joe Cocker, da haben wir gelötet wie die Wahnsinnigen und er hat mir Geschichten von Woodstock erzählt und was nicht alles, sofern er aus seinem Hirn noch was rausgekriegt hat. Und dann gehst du am Montag in die Arbeit, und der eine erzählt, er war beim Kegeln, der andere erzählt vom Golfen … und dann haben sie immer gefragt: Und, Hauke, wo waren Sie? Und dann musste ich immer einen Schmarrn erfinden, weil mir eh keiner geglaubt hätte, dass ich gerade im Schlachthof [Bar in München, A. d. Red.] Joe Cocker unter den Tisch gesoffen habe. Das war ja verrückt damals – durch unsere Kontakte waren Arno und ich fast jeden Tag auf einem Konzert oder einer Promotion, CD-Präsentation oder einem Interview. Da war so viel los, dass mich einmal einer angerufen hat, where have you been yesterday? David has been waiting for you. Das war der Manager von David Bowie, mit dem ich ein Meet&Greet gehabt hätte. Da hatte ich eine Fax-Bestätigung, aber das hatte ich total vergessen. Und der war noch neugierig auf das Rockmuseum und total enttäuscht. Oder einmal hatte ich ein appointment mit den Rolling Stones, und ausgerechnet davor ist Keith Richards von einer Palme gefallen und hat sich eine Rippe gebrochen. Aber ich hatte sie ja schon mit 18, die Stones waren ja schon durch.

Welchen Rockstar würdest du heute noch mal gerne treffen?
Wenn, dann wäre das Keith Richards. Das ist einer dieser absolutly truely dedicated people, sehr intelligent – auch wenn das keiner glaubt –, sehr charming und immer nett zu den Fans. Ein hochinteressanter Typ, ein Vollprofi. Den hätte ich wirklich gerne noch mal kennengelernt, einfach 20 Minuten treffen, ein paar Dinge fragen. Ich habe ein schönes Interview mit ihm, da wurde er gefragt, wie das mit den Kindern wäre, die ja alle in der Pubertät wären so langsam – was er machen würde, wenn seine Tochter einen seltsamen Typen heimbringen würde. Und da sagt Keith mit seiner tiefen Stimme: Well, how bad can he really be? Das war alles. Wen soll die schon anbringen, der mich schockieren könnte? Das ist so geil, wenn du so einen Humor hast. Der hätte sich über so einen Möchtegernpunk vermutlich totgelacht und gesagt: Oh Mann, ich hab die Fernseher wirklich noch aus den Hotelzimmern geschmissen …

Herbi backstage mit Klaus Meine (Scorpions). Foto: Privatarchiv

Warst du mit deiner Tochter dann auch entspannter, nach allem, was du im Rockbusiness mitbekommen hast?
Also meine Tochter hat nicht mehr durchgeblickt. Die war in der wilden Zeit ihrer Pubertät und hatte dann eine Wohnung im gleichen Haus. Einmal kam sie nachts um halb zwei heim, ist ganz leise rein, und dann kamen wir angeschickert hinterher. Da meinte sie: Das glaub ich einfach nicht, was soll ich noch machen? Meine Eltern kommen jeden Abend noch später heim als ich. Irgendwann ist sie dann um halb vier heimgekommen, da waren wir dann noch nicht zu Hause und so weiter. Für sie war das schwer – als sie in der Phase war, wo man etwas ganz verrücktes machen will, hatten wir den Hauptwahnsinn. Ihr war das dann ganz peinlich, es gibt ein tolles Foto, wo wir backstage bei den Scorpions waren, und du siehst richtig, wie ihr als Teenie das total unangenehm ist. Sie hatte eine relativ schwierige Pubertät mit zwei pubertierenden Eltern im Alter um die 50. Bei mir kamen dann vor den Konzerten die Stones-Fanclubs, dann ging das ZDF ein, das Bayerische Fernsehen aus … das war die wildeste Zeit damals.

Aber die Begeisterung für Rock-Musik konntest du vererben?
Ich glaube, sie ist sehr stolz. 1992 hatten wir eine Eröffnungsfeier, da waren 1.400 Leute im Terminal 1 in Riem, und da stehe ich und halte die Ansage, dass das Rockmuseum jetzt eröffnet ist, und dann fliegt auf einmal ein Teddy auf die Bühne – der war von ihr. Da stand meine Tochter mit 14 Jahren im Publikum und wirft mir einen Teddy auf die Bühne – da dachte ich, ich bin David Hasselhoff oder so. Der steht heute noch bei mir auf der Couch, das ist auch ein wichtiges Exponat. Aber ja, sie kann mit der Musik auch viel anfangen, und weil sie Gebärdensprachdolmetscherin ist, macht sie bei uns auch oft Gebärdensprachübersetzungen für Gruppen. Aber sie ist jetzt natürlich no real rock’n’roller, weil ich glaube, der Zufall war eben, dass ich das wirklich alles miterlebt habe. Ich bin eben jemand, der weiß, wovon er redet.

Wie viel Rock steckt sonst noch in deinem Leben? Gehst du selbst noch regelmäßig auf Konzerte?
Im Schnitt auf 40 bis 50 im Jahr – plus die zehn, die wir pro Saison im Olympiaturm haben. Gestern war ich bei Rainbow, neulich bei Kiss – Rammstein habe ich mir gespart, das war mir zu brutal. Als ich die ganzen Aufbauten da gesehen habe, dachte ich mir: Ne, danke. Ich gehe auch gerne zu kleinen Konzerten, aber die Livebühnen sterben ja leider langsam aus. Aber meine Tochter schleppt dann immer neue Musik an, ich kenne viele Leute, die mir Bands empfehlen … das gefällt mir nicht alles, aber das hält einen frisch. Mit guter Musik kannst du mich begeistern – auch im Country-Bereich oder in der Klassik. Mir ist wichtig, dass es gut gemacht ist. Ich hasse Schrott, egal, welche Musik das ist.

Ohne einen Song auszuwählen, kommt Herbi an seiner Musicbox nicht vorbei. Foto: Moritz Grütz

Erhoffst du dir dann eher Memorabilia für das Rockmuseum, oder dass du Band treffen kannst?
Eine Mischung. Ich bin schon seit 30 Jahren kein Autogrammjäger mehr, sondern eigentlich „Storyjäger“. Ich hatte das Glück, dass ich meine Sammlung eigentlich schon in Zeiten aufgebaut habe, als das noch niemanden interessiert hat. Mittlerweile kommen immer wieder Leute mit kompletten Sammlungen auf mich zu, weil sie in einem gewissen Alter sind oder dafür gar keine Verwendung haben. Es gibt beispielsweise einen großen Nachlass von einem Fotografen hier aus München, einen von einer großen Journalistin … das sind dann wirklich große Pakete, wo du schauen musst, wie du das verdaust. Leute, die Sachen aus tragischen Gründen weggeben müssen, Musikmagazine, die aufgelöst wurden, wo ganze Archive weg mussten. Also es ist nicht so, dass Herbert Hauke jeden so lange nervt, bis er hinter die Bühne kommt und sich seine Sachen signieren lässt. Eigentlich kommt das meiste seit zehn Jahren auf mich zu, man muss es nur sortieren. Einmal wurde ich vom Bayerischen Fernsehen interviewt, wir waren zusammen im Turm, sind dann raus und er fragt mich: Wie kommen Sie eigentlich zu den ganzen Exponaten. Und in dem Moment trete ich in etwas rein. Wir unterbrechen kurz, ich ziehe mir ein schwarzes Tape vom Schuh, und ein Blatt Papier. Dann drehe ich das um und sage: Sie haben mich ja gerade gefragt, wie ich zu meinen Exponaten komme. Sie werden es nicht glauben, aber Sie waren jetzt live dabei: Das ist eine Setlist vom gestrigen Alice-Cooper-Konzert.“ Die ist beim Einladen wohl von einem Lautsprecher abgegangen und herumgeflogen – und ich bin reingetreten.

Aber du nimmst also auch aus zweiter oder dritter Hand Sachen an?
Das hat sich über die Jahre verändert, früher war ich begeistert, wenn ich ein Autogramm auf dem Papier hatte, dann habe ich angefangen, Schallplatten zu sammeln, dann goldene Schallplatten, dann Gitarren, dann Poster … und mittlerweile sammle ich seit zehn Jahren eigentlich überwiegend dokumentarische Dinge, weil das viel spannender ist. Ich will den Leuten im Museum ja Zusammenhänge erklären können. Ein Autogramm ist vergleichsweise langweilig, aber wenn du ein Dokument hast, etwa den ersten Vertrag von Queen, wo sie für 200 Pfund Gage gespielt haben, ist das viel spannender. Aber ich respektiere natürlich, wenn mir Leute anderes antragen und versuche das auch ordentlich zu bezahlen – was auch nicht immer leicht ist – und letztendlich auch in einer gewissen Breite zu sammeln. Aber ich war eigentlich immer auf der Jagd nach irgendetwas Speziellem.

Wie behältst du da eigentlich den Überblick – hast du ein Archivierungssystem für deine Sammlung? Oder findest du manchmal auch eine Kiste, von der du gar nicht mehr wusstest, dass du sie hast?
Genau so ist das. Das liegt daran, wie das alles entstanden ist: Ich habe immer gesammelt, gesammelt, gesammelt … und digitalisiert haben wir vielleicht zwei Prozent der Sammlung, einfach aus zeitlichen Gründen. Wir haben ja auch eine große Sammlung an Tickets und Backstagepässen – wenn du das einscannst, benennst, ablegst oder zuordnest, das sind pro Pass vielleicht fünf Minuten. Wenn du da 2.000 archivieren willst, dauert das entsprechend. Dazu komme ich einfach nicht. Ich habe mal meine arme Tochter dazu verarbeitet, die hat dann ein Jahr lang gescannt wie eine Blöde, bis auch die gesagt hat: Weißt du was, Papa, schiebs dir wo hin, ich kanns nicht mehr sehen. Oder von einem Fotografen haben wir 50.000 Bilder mit allen Rechten bekommen, das sind alles Dias. Weißt du, wie lange man daran sitzt. Aber immer wenn ich Zeit finde, mache ich da wieder was.

„Ich könnte den ganzen Tag Deep Purple hören“ – Herbi in der Sonderausstellung. Foto: Moritz Grütz

Aber hast du mal überlegt, vielleicht einfach aufzuhören, zu sammeln?
Ich höre seit 20 Jahren auf zu sammeln. Seit 20 Jahren habe ich aufgehört. Und dann kommt wieder einer und sagt: Du Herbi, ich kenn da einen Typen, den musst du kennenlernen. Und dann kommt wieder einer an und ich denke mir: Das kann ja nicht wahr sein. Aber wie gesagt, ich finde inzwischen Geschichten fast spannender als Sammlerstücke. Eine Geschichte ist für mich ein Stück Gold. Wir könnten mittlerweile ein richtiges Archiv der Rockgeschichte aufbauen. Aber das ist alles eine Zeit- und Finanzfrage.

Welches Stück in deiner Sammlung hat die schönste Geschichte?
Eines Tages hat sich eine Dame bei mir gemeldet und meinte, sie hätte ein tolles signiertes Poster von The Who aus dem Jahr 1967. Und als sie mir das gebracht hat, hat sie mir die Geschichte dazu erzählt. Damals war sie in Heidelberg und junger Rockfan – und dann kamen The Who nach Frankfurt, und sie hat sich die Autogramme geholt. Sie war davon total angefixt, ist auf lauter Rock-Konzerte, und dann kam Jimi Hendrix nach Fehmarn auf ein Festival. Aber ihr Vater hat ihr kategorisch verboten, dort hinzufahren, hat sie sogar drei Tage eingesperrt und sie hat das Konzert verpasst. Kurz danach ist Jimi Hendrix gestorben, und sie hat dann deswegen mit 17 Jahren mit ihrem Vater gebrochen und wollte mit ihm nichts mehr zu tun haben und hat Jahrzehnte nicht mehr mit ihm geredet. Und als der Vater seinen 65. Geburtstag hatte, hat die Mutter angerufen und sie überredet, vorbeizukommen – aber als sie dann im Zug saß, klingelte unterwegs das Handy und der Vater war verstorben. Diesen Spalt der Generationen konnten die beiden quasi nie überwinden, haben nie mehr darüber gesprochen. Sie hat es ihm einfach nicht verziehen. Somit ist dieses Plakat ein Symbol für den Spalt zwischen den Generationen, den älteren, die das alles verboten haben, und den jüngeren, die ihre Musik hören wollten. Und somit ist das für mich ein sehr wertvolles Exponat, weil es eine Wahnsinnsgeschichte hat. Immer wenn es eine Story hat, wenn emotion drin ist, ist das für mich wichtig.

Hast du schon mal in Erwägung gezogen, das Rockmuseum weiterzugeben, und selbst ganz auszusteigen?
Ja – alle fünf Minuten. Aber in der sechsten denke ich mir dann wieder es ist doch geil, oder es passiert wieder etwas Spannendes. Aber ich habe es nie in dem Sinne als Arbeit empfunden. Was mir wahnsinnigen Spaß macht, sind Schulklassen – und das einzige, was wirklich stresst, sind fundamentalistische Fans, die nur ihre Band sehen. Natürlich könntest du das Rockmuseum jemand anderem geben, und der könnte wahrscheinlich auch die Exponate erklären, aber I think it’s a different story. Da fehlt dann das ganze Fleisch.

Also machst du das jetzt solange du kannst … und dann?
Dann werden wir sehen. Du musst ja auch selbst merken, wenn du peinlich wirst. Wenn mir dann bei einer Erzählung über die Beatles mein Gebiss rausfällt, muss man es lassen. Aber ich merke, dass es mich frisch hält – und mein Maßstab sind die jungen Leute: Das sind für mich die wichtigsten. Solange ich noch 16-, 17-Jährige erreiche und die nicht sagen „was sabbelt der Opa da“. Weil ich mich nicht anbiedere, nicht verbiege, aber solange die sich dafür interessieren …
Ältere Leute, deren Leben das ja auch war, werden das immer gerne hören, das ist klar. Aber wenn ich merke, da kommt eine Klasse mit 16-, 17-Jährigen, und ich erreiche die nicht mehr, ist es wohl Zeit, in Rente zu gehen. Aber wir haben da oben ja auch was von Madonna und Shakira und Robbie Williams, Greenday, Metallica …

Herbi mit Roger Glover (Deep Purple). Foto: Privatarchiv

Ist das ein Eingeständnis, dahingehend, dass ihr gezielt versucht, attraktiv zu bleiben, oder liegt dir das auch am Herzen?
Nein, das ist meine Art der Museumsführung, dass ich von heute anfange. Wenn jemand wie ich nur über damals erzählt, und nur behauptet, dass damals alles geil war, ist das ja auch nichts. Einige Sachen finde ich auch tatsächlich sehr geil, Metallica, Greenday … alles, was wieder mehr Pop ist, bereitet mir Probleme, aber das ist einfach, weil ich vom Hardrock her komme. Ich könnte den ganzen Tag Deep Purple hören, das ist meine Lieblingsband, aber das sind ja zwei Dinge: Was ist dein persönliches Faible, und mit was interessierst du die Leute. Und wenn ich etwas von Madonna habe, reagieren die jungen Leute natürlich anders wie bei etwas von Uriah Heep, wo die sagen: Kenne ich nicht, habe ich noch nie von gehört. Da siehst du auch den Wandel. Wenn du oben reinkommst, siehst du ja ein großes Bild der Beatles. Das war früher: Ui, die Beatles. Und heute stehen die Leute da und die Kinder fragen: Ui, Papa, wer ist denn das, und dann muss der Papa erklären, was das ist. Was für mich unvorstellbar ist … dass jemand die Beatles nicht kennt. Insofern ist ein Museum natürlich auch im ständigen Wandel. Das fangen wir dann thematisch durch die Fotoausstellungen im Sommer auf, die auf unsere Zielgruppe abzielt … nächstes Jahr wird es beispielsweise Tina Turner, da gibt es unglaubliche Bilder, das wird eine fantastische Ausstellung, da freue ich mich jetzt schon wie Sau. Aber wir können natürlich auch reagieren, wir hatten schon große Ausstellungen zum Thema Woodstock auf 2.000 qm – das ist eine lebendige Museumsmasse. Aber es muss auch nicht alles rein. Vor fünf Jahren haben die Leute rumgenervt mit Tokio Hotel, und wenn jetzt noch einer sagt, Andreas Gabalier ist auch noch Rock, dann sage ich: Leute, bitte. Es wollte auch schon mal Heino bei uns eine Pressekonferenz machen, weil er so Hardrock-Sachen gesungen hat, da habe ich gesagt: Also echt, bitte. Da muss schon eine Linie sein, auch wenn das manchmal verschwimmt. Ich habe mal Pete York, den Schlagzeuger von The Spencer Davis Group, gefragt: Wie unterscheidet man eigentlich diese Musikformen. Da meinte er: Herbert, that’s the easiest thing. If it doesn’t rock, it’s just Pop. Das fand ich die geilste Erklärung ever. Deswegen werden wir uns da zeitmäßig nicht anpassen, weil wir ja auch eine historische Phase beleuchten. Es wird immer die Zeit, in der das losging, und der Höhepunkt in den 70er-Jahren ein Schwerpunkt sein. Das Museum wird sich sicher nicht jeder Zeitströmung anpassen – gerade im Musikgeschäft gibt es ja auch wahnsinnig viele Eintagsfliegen. Natürlich fragen die leute nach dem, was gerade Hype ist. Aber daran kann man sich ja nicht ausrichten.

Und wie geht es jetzt in nächster Zeit weiter, was plant ihr mit dem Rockmuseum?
Ein sehr spannendes Projekt läuft gerade, wir wollen ein 3D-Rockmuseum machen. Das ist wahnsinnig geil, diese Virtual und Augmented Reality, das ist total faszinierend. Das löst meine Probleme, ich muss dann nicht immer anwesend sein, wenn jemand etwas über das Museum wissen will. Und ich kann die gesamte Sammlung zeigen. Darauf freue ich mich jetzt, das wird richtig geil.

Funktioniert das? Ist der Reiz an einem Rock-Museum nicht, die echten Artefakte zu sehen?
Das ist so spannend, mich hat das geflasht. Die heutige Jugend geht ja immer mehr in solche digitalen Räume, weil sie wirklich damit aufwächst. Und ein Feature ist es allemal. Es ist ja immer so: Vielen geht es grundsätzlich am Arsch vorbei, aber die, die es interessiert, wollen alles. Da geht es gar nicht um commercial-Sachen, das kostet erst mal ein Schweinegeld und ich bin noch auf der Suche nach Sponsoren, Leuten, die das auch spannend finden, und die Firma will mit dem Projekt in die Museumslandschaft. Ich bin einfach immer unglaublich positiv neugierig, ich hab immer versucht, einigermaßen dran zu bleiben. Ich will nicht künstlich auf jung machen, aber ich versuche, im brain, in der Birne einigermaßen zu verstehen was abläuft und verurteile auch nicht alles. Das ist ganz wichtig, das würde ich jedem empfehlen: So lange wie möglich die Birne frisch zu halten.

>> Lies hier das Portrait über Herbert Hauke

Herbi mit dem Logo des Rockmuseum Munich. Foto: Moritz Grütz

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Fotos von: Moritz Grütz

Dieses Interview wurde persönlich geführt.

Ein Kommentar zu “Rockmuseum Munich

  1. Der Typ hat es echt drauf. Kaum auszudenken, was er möglicherweise erzählen könnte, wenn er etwa fünf bis acht Jahre mehr auf dem Kalender hätte und die Anfänge dieser mehr oder weniger beat- und rock´n rolligen Richtung der Musikgeschichte, insbesondere inklusive Hamburger StarClub etc., live und bewußt miterlebt hätte.

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