Interview mit Maik Knappe von Dark Suns

DARK SUNS sind immer für einen ausführlichen Schwatz zu haben, sodass wir uns diesen natürlich auch zum aktuellen Album "Orange" nicht entgehen lassen wollten. Verworren, wie die Wege eines Interviews durch Zeit- und Terminprobleme werden können, dauerte es diesmal ein wenig länger, bis wir euch Maik Knappes Aussagen zu Stilwechsel, Aufnahme-Prozess und dem Prog überhaupt nun endlich präsentieren können. Viel Spaß!

Hi Maik! Schön, dass es doch noch geklappt hat mit dem Interview!
Ja, find ich auch. Wie geht’s denn so?

Gut, danke, selbst auch?
Ja, ich habe heute meinen einzigen Tag in der Woche, wo ich mal ein bisschen frei habe, das ist schon auch mal ganz angenehm (lacht).

Zu Beginn wollte ich mal fragen, wie es mit der bisherigen Resonanz zum Album aussieht. Die Links, die ihr dauernd auf Facebook postet, suggerieren ja, dass es doch ganz gut angekommen ist.
Ja, ist es auch, denke ich. Das, was bisher bei uns ankam an Reviews, Meinungen von Fans, Bekannten oder Freunden, hat schon den Eindruck gemacht, dass es den Leuten gefällt. Und auch, wenn man immer gerne sagt, dass man die Musik nur für sich macht, die Außenwelt ist halt dann doch nicht ganz unwichtig und wir hatten schon ein bisschen Schiss und waren dann froh, dass es fast einstimmig positiv aufgenommen wurde. Ich meine, wir lassen uns für ein Album-Release ja schon immer ein bisschen Zeit und da ändert sich dann bei uns persönlich einiges. Der Hörer, der „Grave Human Genuine“ gemocht hat, sitzt dann vielleicht in Stuttgart und hat unsere Entwicklung gar nicht in der Form mitgemacht.
Wenn der sich dann denkt „Oh, cool, mal wieder ne neue DARK SUNS“, muss er vielleicht feststellen „Schon wieder eine andere Band“. Da waren wir schon froh, dass das doch so gut bei unsere alten Hörern, aber auch, dass es so gut in der Fachpresse ankommt. Ein oder zwei durchschnittliche Reviews habe ich vielleicht mal bekommen, aber einen richtigen Verriss gab es im Gegensatz zu „Grave Human Genuine“ oder zur „Orange“ noch nicht.

Hältst du es für möglich, oder hattest du bei diesem Release das Gefühl, dass ihr ganz alte Fans, die euch zu „Swanlike“-Zeiten gehört haben, nun endgültig vergrault habt?
Weiß nicht… Man könnt es natürlich schon meinen, wenn jemand jetzt immer noch ein beinharter Schweden-Doom-Death-Rock-Metal-Fan der ersten Stunde oder sowas ist, der auf Anathema abfeiert, dass dem das dann nicht so gefällt.
Aber ich glaube, man muss berücksichtigen, dass ja nicht nur wir uns, sondern auch unsere Hörer sich weiterentwickeln. Klar, wenn da jemand schon vor Jahren gesagt hat, dass er seinen Stil gefunden hat und dabei auch geblieben ist – was ja auch legitim ist – dann mag er das Neue wohl eher nicht mehr, aber bei uns im Bekanntenkreis sind das beispielsweise nur ein oder zwei Leute. Da ist der Kontakt in manchen Fällen dann durch Musikdifferenzen teils ein bisschen schwierig geworden, vermutlich, weil sich viele Leute doch über die Szenezugehörigkeit definieren. Aber wie gesagt, das sind nur wenige. Ich glaube, wir haben die Leute wenn dann schon vor sechs Jahren vor den Kopf gestoßen, weil jemand, der „Swanlike“ geil fand, weil es genau seine Schiene war, mit „Grave Human Genuine“ sicherlich und vielleicht sogar schon mit „Existence“ Probleme hatte.

War jetzt auch mein Eindruck, dass der Cut da schon nach „Existence“ erfolgte…
Musikalisch ja auf jeden Fall, stimmungsmäßig finde ich aber gar nicht. „Grave Human Genuine“ hatte, obwohl es musikalisch eben ganz anders umgesetzt war, auch die düstere Stimmung von „Swanlike“. „Existence“ war da ja eher luftig. Ist halt eine Prog-Scheibe. Oder unser erster Versuch einer Prog-Scheibe, wenn man so will. Von der Stimmung passen da die Alben 1 und 3 besser zueinander, aber ganz oft ist es halt auch die Verpackung, die die Leute abschreckt. Ich meine, wenn es um Feeling und Gefühle angeht, könnte man sich auch als My Dying Bride-Fan eine Jazz-Scheibe anhören, die ist genau so düster. Ich mein, so Geschichten wie Miles Davis‘ „Bitches Brew“, da wird’s zum Teil echt verquer und finster. Aber allein schon dadurch, dass die Instrumentierung eine andere ist, mögen es die Leute dann gleich nicht, was eigentlich schade ist.

Ja, ich vermute auch, dass „Bitches Brew“ in Metalkreisen besser ankommen könnte, wenn es nicht so extrem mit dem Jazz-Label belegt wäre.
Stell dir mal vor, die ganze Instrumentierung von dem Album wird ein bisschen weniger, dafür kommen ein paar Gitarren dazu, alles bisschen chilliger arrangiert und spätestens dann kann sich das auch ein Metalfan anhören. Aber so ist es halt oft, da nehm ich mich auch nicht aus. Der Sound ist halt äußerst wichtig für die Wahrnehmungen von Bands oder zum Teil ganzer Musikrichtungen.

Wie kam es denn jetzt schlussendlich zu eurem ganz persönlichen, trotz allem denke ich äußerst signifikanten Richtungswechsel?
Ich hab es ja vorher schon einmal kurz angedeutet, es liegen jetzt 3 ½ Jahre zwischen diesem und dem letzten Release und da passiert nunmal eine ganze Menge. Das gilt zum einen natürlich für jeden von uns persönlich, aber nicht zuletzt halt auch für den Musikgeschmack. Das ist schon seit Jahren so, dass die Musik, die uns beeinflusst oder die wir abfeiern und wo wir auf Konzerte gehen, nicht mehr die ist, die man im Metal halt geboten bekommt, wo man dann doch auch oft immer dasselbe zu hören bekommt.
Die große Ausnahme war Panzerballett letztes Jahr, aber da war dann halt auch keine Sau da. Es ist jetzt nicht so, dass wir Metal alle hassen und wenn man eine bekannte Band hört, die wieder ein Metal-Album rausbringt, dann ist es schon immer wieder interessant. Aber leider Gottes muss ich sagen, dass mich dieses ganze neue Emo-Gedöhns mit High-End-Produktion überhaupt nicht nicht interessiert. Ich hab das ja versucht und ich habe gewissermaßen auch keine Wahl, ich unterrichte Leute an der Gitarre und da gibt’s durchaus viele, die sagen, sie wollen das spielen lernen. Ich denke mir dann immer „Och ne, schon wieder ein Lied in Drop-D.“ Also nix gegen Tunings, aber für mich klingt das alles so austauschbar. Und wenn ich jetzt sage, ich will das alles ohne fette Studioproduktion und ohne Verzerrung anhören, dann ist die Musik dahinter meistens ziemlich dürftig. Aber das ist im extremen Metal oft gar nicht anders, da ist der Unterschied wohl wirklich nur die Optik: Die einen laufen halten wie Metal-Leute rum und die anderen mit Indie-Klamotten.
Ich gehe da inzwischen doch in anderen Sachen auf und klar, das nimmt natürlich Einfluss darauf, was man dann so schreibt, wenn man im Proberaum sitzt.

Habt ihr mit „Orange“ also eigentlich nur die längst überfällige Konsequenz aus diesen Verhältnissen gezogen?
Konsequenz kann man eigentlich nicht sagen, es war ja nicht überlegt, das ist mir schon wichtig. Wir sind nicht irgendwann aufgewacht und haben gesagt „Jungs, wir sind jetzt 30, wir können jetzt keinen Metal mehr machen.“ Die „Grave Human“-Zeit hatte schon auch sowas, aber da ging es halt eher darum, sich in der Schwere dieses Albums zu verlieren. Vor drei Jahren hatten wir auch schon keinen Bock, so „Normalo-Melodic-Death“ zu hören. So haben wir an „Grave Human“ halt bis zum Erbrechen gebastelt, dass auch da wieder eine Einheit draus entstand und insofern war diese typische Schwere eines Metal-Albums schon da, obwohl die musikalischen Zutaten oft etwas andere waren.

Habt ihr nun das Gefühl, dass ihr das Feld des experimentellen Progressive Metal von „Grave Human Genuine“, wenn man das so nennen kann, schon ausreichend beackert habt?
Das sind eigentlich zwei Fragen. „Fertig beackert“ würde ich nicht unbedingt sagen. Wir haben jetzt vier CDs rausgebracht, „Swanlike“ ist ziemlich anders, die jetzige ist ziemlich anders. Nimmt man die beiden dazwischen als das, was wir in dem Sektor gemacht haben, ist es eigentlich gar nicht so viel. Am Interesse liegt’s wohl eher, weil wir haben in diesen Jahren natürlich ne Menge aus der Richtung gehört und inzwischen ist für uns „Progressive“ ein Unwort. Mir war früher gar nicht so bewusst, wie unterschiedliche die Leute die beiden Genres Progressive Rock und Progressive Metal wahrnehmen, aber da wird ja doch eine ziemlich strikte Grenze bezogen. Das eine bezieht man immer auf die Sachen, die etwa Yes früher viel gemacht und die man damit vielleicht automatisch mit etwas Älterem assoziiert,und das andere sind halt so die instumentalen Spinnereien, wenn man das mal so sagen darf… viele straight ausgedachte, virtuose Gitarrengeschichten. Progressive Rock ist eher immer verspielt, mit bisschen Psychedelic-Zeug und sowas, was man heutzutage halt bei Spock’s Beard oder Flower Kings findet, rifflose Musik, eher einzelne Melodien, die zusammen teilweise ein ganz schönes Kuddelmuddel ergeben. Auch das kann ich mir heute zum Teil nicht mehr anhören. Im Metal ist es halt dann hier und da coole Gitarrengeschichten, ein krasser Drummer und hoher Gesang. Das ist vielleicht Klischee-Denken, aber oft trifft es halt immer noch zu. Diese immer ewig langen Tracks, wo wir früher auch dachten, dass wir das unbedingt machen müssten, das ist durchaus auch etwas, was sich geändert hat. Da hör ich mir lieber nen kurzen, knackigen Folksong an.

Hat sich neben der Aussage der Musik, die ja deutlich weniger melancholisch und ernst ist, wie auf dem Vorgänger, auch an den Texten entsprechend etwas verändert? Mir wäre als erstes Schlagwort, um die Lyrics zu beschreiben, nur „skurril“ eingefallen.
Das ist grundsätzlich auch eine ganz gute Beschreibung. Skurril waren sie schon immer irgendwie, vielleicht war das sogar ein andauernder Prozess. Nico schreibt die ja insgesamt schon alleine, ab und zu brainstormen wir zwar mal eine Metapher, aber er muss da in seine eigene Welt abtauchen, weil ihm das auch nicht einfach fällt. „Skurril“ dann vielleicht deshalb, weil er einen Hang dazu hat, bestimmte Situationen oder Thematiken generell immer in eine Metapher oder einen abstrusen Vergleich zu packen, oder Worte zu verwenden, die oberflächlich betrachtet erstmal nichts mit der Thematik zu tun zu haben scheinen. Sodass man manchmal überhaupt nicht weiß, worum es geht, obwohl nur ein Spaziergang im Park beschrieben wird.
Was sich verändert hat – was ich auch gut finde – ist, dass die Ausdrucksweise umgangssprachlicher geworden ist… dass nicht mehr bemüht seltene Worte oder Synonyme verwendet werden, was früher wohl auch aus einer etwas verkopften Gesamtausrichtung entsprungen ist. Die Metaphern sind immer noch skurril, aber die Worte dafür sind einfacher geworden. Vielleicht spiegelt sich das auch in den Inhalten, die sich schon sehr sehr persönlich um Nicos Leben drehen.
Oft geht es einfach um die Balance zwischen dem „alten“ studentischen Leben, in dem man auch mal Freitag frei machen und direkt in den Proberaum fahren konnte und dem neuen Familienleben, wo halt alles etwas ruhiger und geregelter abläuft. Und darum, dass es auch zusammen funktionieren kann. Da nerven mich die Leute immer ein wenig, die so tun, als könnten sie als Künstler, was auch immer das von Schriftsteller bis Musiker sein mag, keinen normalen Berufen nachgehen. Bullshit, natürlich geht’s. Aber Lamentieren über Verflossene oder so etwas ist nicht mehr drin, das sind alles alltäglicher Situation, mit Hintergedanken ausgedrückt.

Ein weitere „Neuerung“ an der Platte ist ja, dass sie wieder von einer ganzen Band eingespielt wurde. Wie seid ihr denn an Ecki und Jakob geraten?
Zuerst mal ja, das ist richtig und wir empfinden das als sehr sehr positiv, weil es über Jahre immer wieder belastend war, dass wir kein richtiges Line-Up hatten. Die beiden sind, wenn man so will, gar nicht so neu: Der erste Auftritt der beiden mit uns war bereits die Releaseshow zu „Grave Human“. Seit mehr oder weniger drei Jahren waren das dann unsere festen Live-Mitglieder. Anfangs war das eher ein Abrufen von Probezeiten, wo wir sie gar nicht richtig involviert haben, aber am Entstehungsprozess von „Orange“ waren sie, obwohl wir die Grundstrukturen wieder zu dritt gemacht haben, schon beteiligt. Dieses Schreiben zu dritt ging übrigens ziemlich schnell, das ist in drei bis vier sehr intensiven Wochenenden ziemlich fix entstanden, wo wir auch gar keinen PC oder sonstwas anhatten, sondern einfach oldschool ein Mikro in den Proberaum gehängt und gejamt haben, bis wir was Cooles hatten.

Schreibt sich ein Progressive- oder Classic-Rock-Album, wie immer man es nennen mag, also tatsächlich schneller oder einfacher als ein Prog-Metal-Album?
Weiß ich nicht, dass es einfacher ist, kann ich nicht wirklich sagen, wir waren halt einfach unglaublich heiß drauf, neue Musik zu machen, was sich durch den Umzug in ein neuen, näheren Proberaum 2010 auch deutlich besser umsetzbar gestaltet hat. Es war einfach extrem fokussiert. Natürlich mussten wir uns am Ende aber trotzdem hinsetzen, um die Sachen nach Click-Track beispielsweise für Midi-Sachen aufzunehmen, um dem Ecki schonmal grobe Anhaltspunkte zu geben, wo es hingehen soll, was wiederum nötig war, weil ich leider auch unglaublich schlecht am Klavier bin (lacht). Als wir uns dann mit Jakob und Ecki im Proberaum getroffen haben, hatten wir das Zeug dann auch recht fix fertig. Eigentlich wollten wir ja schon Ende 2010 ins Studio. Das hat dann wegen uns nicht geklappt und Anfang 2011 hatte Andy (Schmidt, Produzent; Anm. d. Red) dann viele Produktionen laufen, sodass er für uns keine Zeit hatte. Dann würde es halt März/April, was im Frühling dann auch etwas netter war, als im Winter.

Gibt es eigentlich noch Restmaterial aus der „Grave Human“-Zeit und wird das möglicherweise nochmal verwertet, oder ist das abgeschlossen?
Das gab’s immer, jetzt auch, Songfragmente, die halt nicht auf nen Song rausgelaufen sind. Das Mainriff von „Toy“ stammt aber beispielsweise noch aus der Zeit direkt nach „Grave Human Genuine“, das war auch schon halbwegs fertig, wurde dann aber nochmal großflächig umgearbeitet. Diese Songschnipsel, die während des Songwritings damals vor allem noch am Rechner entstanden sind, werden aber nie verwertet werden, ich hätte auch gar keine Lust, mich hinzusetzen, und vier Jahre altes Zeug auszuwerten, nur weil da vielleicht mal eine Melodie ganz nett war… da ist der Bezugspunkt einfach nicht mehr da.

Du hast schon erwähnt, dass ihr bei Andy im Studio aufgenommen habt. Hatte der noch Einfluss auf die Songs oder seid ihr mit so fertigen Vorstellungen da reingegangen, dass das alles schon mehr oder minder feststand?
Andy ist halt ein sehr schwieriger Mensch, wie wir wahrscheinlich genauso. Da haben sich die Vorstellungen von Musik manchmal doch unterschieden. Aber er hat schon Input gebracht, auch guten Input, nur ging es da aufgrund der Live-Aufnahme eher um dynamische Geschichten, dass man hier und da mal bisschen mehr oder weniger spielt. Da hatte er schon coole Ideen. Aber im Allgemeinen hatten wir schon sehr klare Vorstellungen, wir haben das Ding um uns entsprechend vorzubereiten im Proberaum ja auch hoch und runter geprobt. Soundtechnisch wollten wir uns dagegen mal komplett rausnehmen, nachdem wir das früher immer selber gemacht haben, wollten wir uns diesmal nicht um den Klang Sorgen machen. Hier hat er natürlich schon einen großartigen Job gemacht.

Kannst du aus dem Nähkästchen etwas zum neuen Disillusion-Album berichten?
Das ist die große Frage, die wir uns auch immer wieder stellen, aber Genaues kann man da nicht sagen. Er hat halt mit seinem Kollegen im Studio, das inzwischen einen sehr guten Ruf hat, auch einen engen Zeitplan… die haben sicher schon halb Leipzig aufgenommen. Insofern: Wir warten alle darauf, aber es zeichnet sich für uns nichts konkret ab. Aber wenn ich auf ein Album fiebere, dann auf das.

Um nochmal zu eurem Album zurückzukommen: Ihr habt ja doch einige Passagen mit Bläsern auf der Scheibe. Habt ihr von Anfang an mit der Intention geschrieben, das einzubringen, oder war das dann eher ein bewusster Querverweis Richtung Jazz oder altem Rock, wo sowas ja Gang und Gäbe ist?
Als wir zu dritt das Album geschrieben haben, gab es manchmal Passagen, wo wir uns gedacht haben „Mann, das wär doch geil, wenn hier ein fettes Saxophon-Solo drüber wär“… Passagen, wo wir selber nur Riffing machen wollten. Irgendwas freakiges, improvisiertes, das kam immer mal wieder hoch. Aber wir haben da nicht konkret darüber nachgedacht. Erst, als wir die Arrangements dann zu fünft fertig gemacht haben, haben wir gemerkt, dass ab und an halt noch Lücken im Sound waren, die trotz Orgel, Piano und E-Piano nicht richtig zu füllen waren. Govinda kannte ich vorher schon, Evgeny nicht persönlich. Das sind beides Kumpels und Hochschulkollegen von Jakob, und als wir dann mal wieder drüber nachgedacht haben, wo wir denn gerne Bläser gehabt hätten, hab ich mich halt mal hingesetzt und ein paar Linien geschrieben. Ich hab das dann zuerst auch ziemlich falsch gemacht, zum einen, weil Trompete und Saxophon ja jeweils anders notiert sind und man da umdenken muss, zum anderen, weil ich beim Arrangieren leider nicht beachtet hab, dass die Jungs auch mal atmen müssen. Zu viele stehende Töne gehen halt einfach nicht, was mir dann auch gesagt wurde, als ich das denen dann mal gezeigt habe. Das verquere, schnelle war kein Problem, aber bei den langen Passagen haben sie mich gebeten, doch noch ein paar Atempausen einzubauen.
Die Erfahrung, mit denen im Studio zu sein, war aber gut, definitiv coole Typen. Im Proberaum kam das natürlich dann gleich entsprechend imposanter und wir freuen uns, dass die beiden, soweit es logistisch klappt, jetzt auch immer mit dabei sein werden. Wenn sie nicht kommen, wird aber nix vom Band eingespielt: Dann sind diese Spuren halt einfach nicht da. Das hatten aber wir noch nie. Wir wollen das jedenfalls niemals tun, live was vom Band zu bringen.

Die beiden haben aber gar keinen Metal-Hintergrund, sondern machen das aus Gefälligkeit?
Ne, das sind Jazzer. Pure Jazzer. Also, man darf sich das immer nicht so vorstellen, dass die Leute an der Hochschule alles Oldschooler sind, die dann nur John Coltrane und Miles Davis hören… aber Metal jetzt auch nicht unbedingt. Gerade Govinda spielt aber schon auch viel alten Rock zum Beispiel. Evgeny ist noch eher so der Frickel-Jazzer.

Bei „The Chameleon Defect“ hattet ihr ja damals ein reichlich abgefahrenes Video zu einem reichlich abgefahrenen Song. Von denen gibt es auf der neuen Platte ja auch wieder genug. Ist da auch in Planung, was zu visualisieren?
Ja, wir hatten mal eine Idee, aber das hat dann zeitlich nicht hingehauen. Und so ein Video kostet auch immer ein bisschen was, wenn man nicht gerade alles selber dreht und selber schneidet. Einen anderen Ansatz haben wir jetzt zu „Eight Quiet Minutes“, den ich jetzt aber natürlich nicht darlegen werde (lacht). Vielleicht schaffen wir es ja bis Ende des Jahres, da noch was zu basteln, Ideen sind jedenfalls da.

Na gut, bei euch dauert ja immer alles ein bisschen länger…
Naja, Fakt ist, dass die neue Platte schon relativ bald kommen wird. Das glaubt man mir jetzt wahrscheinlich nicht, aber wir planen schon nächstes Jahr ins Studio zu gehen. Wir haben jetzt die Mannschaft und die bleibt auch so. Natürlich ist es schwierig, immer geeignete Termine zu finden, aber wir sind Leute, die sehr gut zusammenspielen können. Wir sind gute Musiker, wir haben unser Handwerk erlernt und wir nutzen das jetzt, um coole Mucke zu machen. Gerade auch, seit Gaga mit dabei ist: Hast du ja sicher schon gemerkt, dass jetzt jemand hinterm Drumkit sitzt und Nico nur noch singt, und der ist halt unglaublich krass… der kann alles spielen. Der ist auch grad auf Jakob wahnsinnig gut eingespielt, weil die schon in vier Projekten zusammengespielt haben. Die grooven einfach wie Hölle, das ist ne tolle Basis. Deshalb wird auch alles schneller gehen, weil halt auch extrem viele Ideen vorhanden sind. Die sind bei mir zwar gerade etwas chilliger und das werden eher Solo-Geschichten, aber ich hoffe, das ich das dieses Jahr noch fertig bekomme und wir dann Ende des Jahres wieder loslegen können.

Achja, was ich noch zum Touren erzählen wollte. Wir waren wirklich nah dran und es sah alles unglaublich gut aus, aber im Endeffekt ist es am Geld gescheitert, dass wir mit Pain of Salvation auf Tour gegangen wären. Wir haben kalkuliert ohne Ende, wär auch richtig mit Nightliner gewesen und alles.
Das wäre schon unser Traum gewesen, einmal im Leben im Nightliner auf Tour… Vor allem halt in 14 Ländern. Aber hat nicht sollen sein, und im Endeffekt war jetzt wohl nicht so die großartige Band dabei. Hatten halt einfach nochmal ’nen Tausi mehr in der Tasche. Die Kohle konnten wir einfach nicht aufbringen. Schlussendlich haben wir dann abgesagt, weil das terminlich dann auch einfach nicht lief, weil die Andern halt alle paar Tage spielen und man da halt mit planen muss.
Wär halt ein schönes Package gewesen…

Aber Pain of Salvation hätten prinzipiell Interesse an euch gehabt?
Weiß ich nicht, das lief alles über die Bookingagentur. Aber schlussendlich sind Pain of Salvation halt auch nicht mehr die Pain of Salvation von der Tour mit ihnen damals, sondern eben Danny und irgendwer. Also für mich, da ist das Interesse auch irgendwann geschwunden, zumal Danny eben offenbar auch ne ziemliche Diva geworden ist. Obwohl er sich auch damals schon für ein ziemliches Genie gehalten hat und immer ne Extrawurst wollte.

Wie fühlt ihr euch mit dem neuen Album eigentlich bei Prophecy? Ihr seid da inzwischen ja doch die einzige Band, die wirklich organischen Rock produziert.
Ja, das stimmt schon. Ich meine, es gibt noch Klimt 1918, die auch irgendwo Rock spielen, aber das ist natürlich alles auch sehr melancholisch und mit Kopf-nach-unten-Attitüde. Dasselbe gilt für Alcest, die klingen komplett anders als wir, aber haben eben auch noch Rock-Arrangements. Den positiven Spirit, den wir jetzt verbreiten, gibt es da auch nicht so wirklich. Erstaunlicherweise kam es bei unserem Ansprechpartner bei Prophecy aber gut an, dem hat die Platte sogar besser gefallen als „Grave Human Genuine“. Ich bin in dem Zusammenhang übrigens ganz froh, dass von dir nicht die Frage danach kam, ob wir den Retro Prog Rock / Metal Hype, der gerade läuft, mitfahren wollen und da bei nem Trend dabei sein wollen. Was nämlich Quatsch ist, wir wollten ne organische Platte machen, die abgeht. Wir wollten keinen Retro Prog machen, es hat keiner von uns an 70er Mucke gedacht (obwohl wir das auch hören) und wir wollten uns, obwohl wir jetzt oft mit Pain of Salvation und Opeth verglichen wurden, nicht an diese anbiedern. Wir waren schon im Studio, als wir davon erfahren haben, das Opeth so ne Platte machen werden, und ganz ehrlich: Ich hab mich nicht darauf gefreut. Es war klar, dass das in jedem Review drinstehen würde, und genau das ist auch passiert. Dass wir bei dir dann positiver wegkommen, ist schön, aber es gibt genug, wo es umgedreht der Fall war. Aber damit muss man halt leben.

Ich wollte sowieso noch fragen, ob du findest, dass Opeth mit ihrem Album überhaupt so retro sind…
Ich finde das gar nicht, eigentlich. Wahrscheinlich hast du das ähnlich empfunden, wenn du die Frage schon so stellst, aber für mich ist das eine High-End produzierte Platte, wo mich gerade das Frickel-Schlagzeug unglaublich nervt. Klar kann’s der, aber da sind meiner Meinung nach Stimmungen in der Platte kaputt gemacht worden, die er mit seinem Prog-Metal-Getrommel einfach zerballert hat. Ich hatte mir aber auch insgesamt mehr erwartet. Viel Akerfeldt-Clean-Gesang, relativ weit hinten, sehr flächig, aber da wäre glaube ich mehr gegangen. Der klassische Touch mit den Konzertgitarren bringt das Ganze finde ich ein bisschen durcheinander, zumal der Rest ja gar nichts damit zu tun hat. Hier mal klassische Gitarre, hier mal Klavier, hier mal Prog Metal, dann mal wieder ein fast schon Tool-mäßiger Prog-Part, das verstehe ich zum Teil nicht. Aber das ist auch Meckern auf hohem Niveau und ich höre Opeth seit Jahren gar nicht mehr, da war’s irgendwann einfach zu viel. Hat natürlich nichts mit der Musik zu tun. Aber so richtig retro find ich sie nicht, da ist Pain Of Salvation wohl noch mehr retro.

Wir findest du denn dann andererseits die Entwicklung bei Pain Of Salvation?
Ganz ehrlich? Mag ich überhaupt nicht. Ich bin da eher ein „Perfect Element“-Typ und für mich war mit „Remedy Lane“ die Hochphase der Band auch vorbei, obwohl ich „Be“ auch noch interessant, aber schon fast zu verkopft fand. Diese Rock-Richtung gefällt mir gar nicht: Sie versuchen zu rocken, aber sie schaffen es nicht. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Platten ein bisschen zu langsam eingespielt sind. Das schleppt immer ein bisschen, aber nicht auf die coole Weise von „Kashmir“, wo das einfach wahnsinnig entspannt ist, sondern ist ein bisschen lahm. Die „Road Salt One“ hab ich mal gehört und von „Road Salt Two“ ein paar Songs gehört, aber ich denk mir immer „Mann, wenn du was mit Eiern machen willst, dann mach’s halt, die Stimme hast du ja!“. Vielleicht ist auch alles zu ähnlich… die Dramatik, die sie früher ausgezeichnet hat, ist meiner Meinung nach irgendwie weg. Vielleicht hab ich mich da aber auch einfach sattgehört, ich warte auf solche Platten nicht mehr so sehr wie früher, da höre ich mir halt lieber was von ner anderen Band an, die das schon immer gemacht hat und das vielleicht immernoch cooler macht. Ich meine, hör dir mal die erste Wolfmother-Platte an… DAS grooved. Oder die neue Graveyard. Die haben es geschafft, das genau so umzusetzen, dass es kickt. Dabei ist die Platte auch nicht schnell, aber da höre ich das, was bei Pain Of Salvation einfach fehlt. Das ist nicht mehr nur retro, das ist wirklich vintage. Die sind halt auch einfach so, sehen aus, als wären sie 40 Jahre zu spät geboren und geben sich auch so.

Zum Abschluss kommen wir dann noch von unzähligen Retro-Bands zu den Originalen: Es gibt ja immer noch genug Bands wie Yes oder Van der Graaf Generator, die noch Alben machen und sogar live noch aktiv sind. Folgst du denen auch?
Naja, ich muss sagen, ich war jetzt nie ein Yes-Fan. Von King Crimson bin ich aber beispielsweise ein unglaublicher Fan. Die haben sich auch sicher zehnmal neu erfunden, mal ewig Jahre nix gemacht und dann halt da und dort mal wieder in verschiedenen Besetzungen und Fripp dann dauernd mit seinen Soundscapes… Es gibt ja ein Buch über ihn, der ist schon sehr sehr exzentrisch. Aber eben nicht auf die Weise, dass er sich für das große Künstler-Genie hält, sondern einfach dadurch, dass er versucht, immer wieder was Neues zu machen und mit der Zeit zu gehen. Wenn ich mir jetzt als 32jähriger King Crimson anhöre, wunder ich mich schon manchmal, was die alles gemacht haben. Die erste Platte ist einfach ein monumentales Meisterwerk, dann würde es mit „Lizard“ und „Red“ übelst verfrickelt und machen dann auch mal Elektro-Sachen, was in den 80ern möglich wurde, und wo sie auch immer mitgegangen sind. Die waren immer eine moderne Band und irgendwann haben sie dann halt mit sechs Mann gespielt, zwei Schlagzeuger, Chapman-Stick und sowas, um dann Anfang der 2000er irgendwann das zu machen, wonach dann auch Tool geklungen haben. Aber sonst, wie gesagt, ich war halt eher der Led Zeppelin- oder Deep Purple-Fan. Auch die alten Stones-Sachen sind cool, und damit meine ich nicht „Let’s Spend The Night Together“. Und Beatles natürlich, „White Album“ ist extremst cooles Zeug. Obwohl die natürlich nicht mehr wirklich aktiv sind. Bei Genesis fand ich halt die „A Trick Of The Tail“, die glaube ich auch die erste mit Phil Collins war, ziemlich cool… dieser Mellotron-geschwängerte und meiner Meinung nach auch ziemlich psychedelische Rock. Von Jethro Tull habe ich mal ’ne Live-Platte im Radio gehört, die zwar noch nicht erschienen war, aber wo das Konzert wohl schon relativ lang her war. Die haben da schon ganz schön abgerockt und auch ziemlich hart, die haben schon viel von dem vorweggenommen, was man dann später immer wieder gehört hat.

Über Genesis und damit Peter Gabriel kommen wir dann zu meiner letzten Frage. Der tourt ja gerade mit Orchester. Würde es euch theoretisch reizen, auch mal was mit richtig großer klassischer Besetzung zu machen?Theoretisch schon, ja (lacht). Aber dann nicht als Band plus, sondern wenn dann nur Orchester. Ich find das ganz schlimm, was Metallica gemacht haben, das geht gar nicht. Gerade das Schlagzeug müsste man dann rausnehmen, ne spacige Gitarre kann schon drinbleiben, aber diese typische Rockbesetzung, ne, das würde die Dynamik zu sehr einschränken. Aber da müssen wir noch ein bisschen üben, glaube ich.

Okay, dann danke ich dir für das abermals sehr umfangreiche Interview. Mach’s gut, und hoffentlich sieht man sich mal im süddeutschen Raum!
Danke dir auch!

Publiziert am von Marius Mutz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert