Interview mit Jimmy Mattsson von Isole

Read the English version

Rechnet man ihre Aktivität als Forlorn (1991-2004) ein, sind ISOLE bereits über 30 Jahre aktiv. Ihrem achten Album hört man diese Erfahrung im besten Sinne an – und trotzdem klingt „Anesidora“ frisch und unverbraucht. Was die Schweden inspiriert hat, welche Auswirkungen die Pandemie auf die Entstehung hatte und was die Büchse der Pandora unserer Zeit ist, verrät Bassist und Sänger Jimmy Mattsson im Interview.

Der erste Song hat einen starken Post-Metal-Einschlag, er erinnert mich an Crown oder The Ocean. Hast du eine Erklärung dafür, wie ist es dazu gekommen?
Ich weiß wirklich nichts über Post-Metal. Nicht einmal so richtig, was das ist. Ich bin sehr oldschool, wenn es um Metal geht. Aber Cristers Einflüsse waren schon immer vielfältiger und er hört mehr moderne Musik als ich. Er steht total auf Muse und andere Popbands, und dieses Mal schimmerte etwas davon durch. Ich weiß noch, wie er mir und dem Rest der Band das Original-Demo von „The Songs Of The Whales“ vorspielte. Mein erster und einziger Gedanke war, dass die Fans es hassen werden. Glücklicherweise scheint es, dass ich mich damit sehr geirrt habe.

Ist seine Andersartigkeit der Grund, warum ihr den Song an den Anfang des Albums gestellt habt? Im weiteren Verlauf entwickelt sich das Album mehr zum „klassischen“ Doom…
Es gab viele Diskussionen darüber, welcher Song das Album eröffnen sollte. Das einzige, worüber wir uns sofort einig waren, war, dass „Vanity“ das Album abschließen sollte. Und vielleicht, dass „In Abundance“ die B-Seite eröffnen sollte. Der Rest der Songreihenfolge war völlig unklar. Aber was den Opener des Albums angeht, wollten wir einen Song, der mehr oder weniger sofort in die Vollen geht. Und da hatten wir einfach nicht so viele Auswahlmöglichkeiten.

Trotzdem klingt das Album ganz anders als das letzte, die verzerrten Gitarren sind deutlich in den Hintergrund getreten, die Musik ist insgesamt „luftiger“ – wann im Entwicklungsprozess wurde klar, dass das Album so anders klingen würde als sein Vorgänger?
Wir sind keine Band, die immer wieder das gleiche Album herausbringt. Natürlich haben wir unseren Sound und es ist ziemlich klar, was ISOLE ist. Oder eher, was ISOLE nicht ist. Unsere Einflüsse kommen von überall her, aber es muss nach ISOLE klingen. Das ist nicht „Dystopia 2“. Genauso wie „Dystopia“ nie als zweites „The Calm Hunter“ gedacht war. Jedes Mal, wenn wir an ein neues Album denken, stellen wir uns die Frage: „Was können wir dieses Mal anders machen?“. Vom Sound her wollten wir, dass das Album auch wirklich widerspiegelt, dass es eine Band ist, die die Songs spielt und keine Computer. Jonas „Tord“ Lindström hat beim Mischen und Mastern einen großartigen Job gemacht. Und zumindest in meinen Ohren klingt es wirklich so, als wäre es live.

Ihr seid fast alle auch in EREB ALTOR aktiv – wie strikt trennt ihr die Bands? Kann es passieren, dass während der Probe der einen Band eine Idee entsteht, die dann in der anderen Band verwendet wird, oder arbeitet ihr periodisch nur mit der einen oder der anderen Band?
Beide Bands sind zur gleichen Zeit aktiv, die ganze Zeit. Es sind auch nicht alle von uns in beiden Bands. Wir haben verschiedene Schlagzeuger, sodass das, was du angesprochen hast, nie vorkommt. Wir jammen auch nicht, um Ideen auszuprobieren oder so. Das ist einfach nicht unser Ding. Bei den Proben geht es um die Songs und die Setlist. Wir planen und proben die Setlist für die nächste Show. Die Songs für beide Bands werden zu Hause und in unserem Studio geschrieben. Allerdings gibt es kleine Unterschiede in der Art und Weise, wie wir während der Demo-Sessions vorgehen.

Wenn das Album jetzt veröffentlicht wird, nehme ich an, dass es auf dem Höhepunkt der Pandemie entstanden ist. Inwieweit hat das den Entstehungsprozess beeinflusst, sowohl beim Songwriting als auch bei den Aufnahmen?
Nicht so sehr das Songwriting wie die Aufnahmen. Der kreative Prozess war so ziemlich derselbe wie immer: Wir haben alle unsere Songs eingeschickt, um zu sehen, welche es in die engere Wahl schaffen. Dieses Mal haben wir sogar zwei Songs mehr aufgenommen, als letztendlich auf dem Album gelandet sind. Ob wir sie nachträglich veröffentlichen werden? Wahrscheinlich nicht. Aber sie könnten auf dem nächsten Album landen. Aber was die Aufnahmen betrifft, so hatte die Pandemie durchaus Auswirkungen. Das Gebäude, in dem sich unser Studio befand, wurde mehrmals geschlossen, um die Ausbreitung zu stoppen. Das hat natürlich alles verzögert. Ursprünglich wollten wir das Album 2021 herausbringen, aber es dauerte bis März 2021, bevor wir überhaupt das Schlagzeug aufnehmen konnten. Und als es endlich aufwärts ging, gab es einen großen Sturm, und der Regen hat das ganze Gebäude unter Wasser gesetzt. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis wir einen neuen Ort gefunden hatten und danach wieder auf Kurs waren.

Das Artwork ist klassisch doomig, finde ich – und damit ganz anders als eure letzten Cover. Was hat euch dazu bewogen, euren Stil so sehr zu ändern?
Wir wollten etwas, das wir noch nie zuvor gemacht hatten. Ich habe meinem guten Freund Matt Chambers eine Nachricht geschickt, da ich schon früher mit ihm zusammengearbeitet habe. Ich habe ihm gesagt, er solle sich unsere früheren Cover ansehen, und dann habe ich ihm gesagt, dass wir nicht noch mehr vom Gleichen wollen. Wir hatten schon früher abstrakte und minimalistische Kunst. Dieses Mal wollten wir etwas Größeres. Wir wollten eher etwas im Stil der Albumcover aus den 1980er-Jahren. Ich finde, dass es unser bisher bestes Albumcover geworden ist.

Auf dem Bild sieht man einen Mann mit Zylinder, der ein Fabrikgelände betritt – was ist die Idee hinter dem Bild, in welchem Zusammenhang steht es mit dem Rest des Albums?
Das Konzept hinter dem Cover ist das der Büchse der Pandora. Das Tor zur Fabrik und zum Industrialismus ganz allgemein ist diese Büchse. Was für ein Übel, das die Menschheit da vor nicht allzu langer Zeit auf Mutter Erde losgelassen hat und immer noch loslässt! Wir solange die Büchse offen ist, werden wir es nie lernen.

Der Titel bedeutet, wie ich in Vorbereitung auf das Interview gelernt habe, „Absender der Geschenke“ und stammt aus der griechischen Mythologie. In welchem Zusammenhang verwendet ihr den Begriff hier, warum war es der perfekte Titel für dieses Album?
Die Übersetzung ist eigentlich so zu verstehen, dass „sie Geschenke von unten schickt“. Der Arbeitstitel für das Album war einfach „Pandora’s Box“, aber das fand ich übertrieben und einfach zu langweilig für einen Albumtitel. Nach einigen Recherchen stieß ich auf Anesidora und mochte den Klang und das Aussehen des Titels. Die anderen Jungs waren damit einverstanden.

Ihr habt ein Video zu einem der Songs auf dem Album veröffentlicht – darin tragt ihr Corpsepaint. Habt ihr vor, das auch bei kommenden Live-Auftritten zu tun, oder war das nur eine einmalige Geschichte für das Video?
Nein, das war nur, um das Video hervorzuheben und sich von den Bandfotos und dem Albumcover abzuheben. Und wir wollten wirklich nicht noch einmal dasselbe wie beim letzten Video machen. Wir hatten die Idee, die Band als Leichen darzustellen, damit es zum Text und zum Thema des Songs passt. So sehr ich KISS auch liebe, wir werden diesen Weg nicht einschlagen. Eine Entscheidung, über die Daniel sehr glücklich ist! (lacht)

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Wie sieht es mit Liveshows im Allgemeinen aus – ist etwas geplant, werdet ihr mit dem Album bald in Mitteleuropa, speziell in Deutschland, live spielen können?
Wir haben bisher einige Festivals angekündigt, aber es werden noch mehr Shows kommen. Wir planen, im Oktober/November/Dezember auf Tour zu gehen und hoffentlich werden wir vorher noch für einige Sommerfestivals angekündigt. Deutschland hat uns immer mehr als gut behandelt. Tatsächlich haben ISOLE 2005 ihre erste internationale Show in Deutschland gespielt, und die Liebe beruht seither auf Gegenseitigkeit. Es würde mich sehr überraschen, wenn es auf der Anesidora-Tour nicht wenigstens ein paar deutsche Termine geben würde.

Und was ist mit EREB ALTOR, eurer anderen Band? Ihr habt mit „Vargtimman“ ein Album bei Pandemic veröffentlicht – werdet ihr damit durch Europa touren oder zumindest ein paar Festivals spielen?
Hier gilt so ziemlich die gleiche Antwort. Es gibt einige Festivals, die noch angekündigt werden müssen, und wir arbeiten daran, eine Tour zusammenzustellen. Wir wollten eigentlich Ende letzten Jahres mit „Vargtimman“ auf Tour gehen, aber da die Welt so ist, wie sie jetzt ist, mussten wir die gesamte Tour absagen. Nachdem auch der Tourzyklus für „Järtecken“ aufgrund der Pandemie abgebrochen wurde, haben wir nun zwei „neue“ Alben, die wir auf der Bühne spielen können. Wir werden alles so bald wie möglich bekannt geben.

Vielen Dank für deine Zeit und deine Antworten! Die letzten Worte gehören dir:
Vielen Dank für dieses Interview! Hört euch unbedingt „Anesidora“ an, wenn ihr es noch nicht getan habt. Und wenn ihr es schon habt, dann hört es euch noch einmal an. Am besten mit Kopfhörern in einem dunklen Raum. Ich hoffe, wir sehen euch alle später in diesem Jahr auf der Tour!

Zum Abschluss noch ein kurzes Brainstorming – was fällt euch zu den folgenden Begriffen als erstes ein?
Ahab:
Nette Jungs.
Das erste Getränk, das du in einer Bar bestellst:
Das dunkelste Bier, das sie haben.
Metal-Kreuzfahrten:
Machen Spaß, sind aber teuer.
Amon Amarth:
„Twilight Of The Thunder God“
Das letzte Album, das du dir angehört hast:
„Strong Arm Of The Law“ von Saxon.
ISOLE in zehn Jahren:
Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir bis dahin ein neues Album herausgebracht haben werden!

Publiziert am von

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

Ein Kommentar zu “Isole

  1. Zu schade, dass Daniel Bryntse und Jonas Lindström (Ereb Altor-Schlagzeuger) wohl kein Withered Beauty-Album mehr machen werden. Hab mir das Album neulich wieder durchgehört und bin immer noch begeistert wie gelungen diese Black/Death/Doom-Mischung immer noch ist. Oder die Windwalker-Platte…oder das Februari 93-Album…
    Isole mag ich gern, die ersten beiden Alben hatten großartige Momente (Autumn Leaves), aber irgendwo habe ich die Band in den letzten Jahren aus den Augen verloren. Ereb Altor waren als Bathory-Klon der ersten Alben tatsächlich für mich interessanter.
    Nach den Lobeshymnen überall muss ich mich doch mit dem neuen Album beschäftigen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert