Interview mit Ben VanVollenhoven von Rise Of Avernus

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Mit RISE OF AVERNUS haben Septicflesh 2013 ernstzunehmende Konkurrenz bekommen. Fünf Jahre nach ihrem Debüt „L’appel Du Vide“ gibt es mit „Eigengrau“ endlich Nachschub von den australischen Symphonic-Death/Doomern. Inwiefern sich die Band in der Zwischenzeit personell und musikalisch gewandelt hat, was es mit dem deutschen Albumtitel auf sich hat und warum die symphonischen Elemente für RISE OF AVERNUS genauso wichtig sind wie Metal, erfahrt ihr im Interview mit Bandleader Ben VanVollenhoven.

Fünf Jahre nach eurem Debüt „L’appel Du Vide“ habt ihr euch nun mit „Eigengrau“ zurückgemeldet – eine nicht unbeträchtliche Wartezeit. Was hat sich in der Zwischenzeit bei euch getan?
Nun, seit „L’appel Du Vide“ gab es ein paar Besetzungswechsel, eine 5-Track-EP namens „Dramatis Personæ“ und eine Veränderung in unserem Fokus hinsichtlich kreativer Aspekte. Um es ganz offen zu sagen, „L’appel Du Vide“ war ein Experiment. „Dramatis Personæ“ war eine Brücke. Für unsere neueste Veröffentlichung habe ich mich beim Songwriting auf eine einheitlichere, strukturiertere Herangehensweise konzentriert und dabei die Live-Performance im Hinterkopf behalten. Das kann man als Wandel in der Musikrichtung betrachten. Wir waren außerdem in unserem Heimatland auf Tour und haben auch auf unseren ersten internationalen Touren neue Pfade beschritten, zusammen mit einigen unserer Lieblingsbands wie etwa Eternal Tears Of Sorrow, Sigh, 1349, Arcturus, Eluveitie und Fleshgod Apocalypse. Im Jahr 2014 haben wir auch Rotting Christ und Septicflesh bei deren Australien-Tour unterstützt… Wenngleich sich unser Material und unsere Show inzwischen merklich verändert haben.

Seit dem Release eures ersten Albums gab es bei euch ein paar Änderungen in der Besetzung: Ihr habt nun eine neue Keyboarderin und Sängerin sowie einen neuen Bassisten. Warum musstet ihr euch von euren früheren Mitgliedern trennen und wie seid ihr auf Mares und D’wayne gestoßen?
Wie das sicherlich jeder kennt, ändern sich nun mal die Prioritäten der Leute. Manchmal erkennen sie, dass ein Leben als Musiker oder Künstler nicht das ist, was sie wollen. Ich kann mit einer solchen Kehrtwende umgehen, denn ich sehe mich selbst als Künstler mit einer veränderlichen Perspektive. In Wirklichkeit sollte es in der Musik nur Platz für jene geben, die dazu bereit sind, sich ihr mit ganzem Herzen zu widmen und sie als Lebenssinn anzunehmen. Ganz zu schweigen davon, dass die neue musikalische Ausrichtung nicht allen gefallen hat. Also war es wichtig, Leute zu finden, die sich davon angesprochen fühlen! Mares erschien 2014 auf der Bildfläche, als RISE OF AVERNUS 2014 im alten Line-Up in ihrer Heimatstadt spielten. Ich hatte ihre früheren Projekte gehört und mochte ihren Gesang, sowohl klar als auch guttural, also kontaktierte ich sie, nachdem Catherine uns verlassen hatte, und sie war daran interessiert, mit an Bord zu kommen. Nachdem unser früherer Bassist Daniel gegangen war, kamen einige Leute für ein Vorspiel auf mich zu. Eine Person stach dabei für mich besonders hervor, das war D’wayne. Er hatte die Band schon von Anfang an unterstützt und ich hatte zuvor bei vielen Shows mit ihm Zeit verbracht. In meinen Augen machte es Sinn, ihn als Bassisten auszuwählen.

Hat sich durch die neue Besetzung etwas an eurem Songwriting oder an der Dynamik im Bandgefüge geändert?
Ja und nein… Wir werden von vielen Faktoren beeinflusst, innerlich wie äußerlich. Ich hatte schon immer ein klares Bild im Kopf, wo ich die Musik von RISE OF AVERNUS hinführen will. Ich denke, durch einen Besetzungswechsel kommen neue Leute mit Enthusiasmus und neuen Ideen dazu, die sie auf den Tisch bringen… Musik und Songwriting sind (wie das Leben im Allgemeinen) in einem permanenten Zustand des Wandels.

Eine Band, mit der ihr wohl öfters verglichen werdet, ist Septicflesh – Seth Siro hat ja auch erneut ein Artwork für euch kreiert. Wie steht ihr dazu, wenn ihr mit dieser oder einer anderen Band verglichen werdet?
Erst mal würde ich sagen, dass wir uns geehrt fühlen, wenn manche diese Verbindung ziehen, aber hinsichtlich der Musik haben wir eigentlich nur gemeinsam, dass wir theatralische Elemente nutzen und sie mit harter Musik mischen. Die Leute hören Musik im Mid-Tempo mit Orchestrierung und verknüpfen das automatisch, obwohl die Musik gar nicht so ähnlich klingt… Unsere textlichen Inhalte sind völlig anders, mal abgesehen davon, dass wir am komplett anderen Ende des Planeten beheimatet sind.

Euer Sound ist sehr symphonisch, aber trotzdem heavy mit einer ordentlichen Portion Death/Doom. Wenn du dich strikt zwischen der Metal-Instrumentalisierung und der Orchestrierung entscheiden müsstest, was würdest du wählen?
Ich würde sagen: „Fick dich, warum zwingst du mich, mich zu entscheiden?“ (lacht) Um es ernsthafter zu sagen, der Großteil des Materials von RISE OF AVERNUS ist von der delikaten Balance zwischen diesen zwei Elementen geprägt, das macht unseren „Sound“ aus. Ich könnte mich nicht für das Eine oder das Andere entscheiden und es dennoch nach uns klingen lassen.

Könntest du dir vorstellen, mit RISE OF AVERNUS eine rein orchestrale Platte oder eine symphonische Alternativ-Version eines „normalen“ Albums herauszubringen?
Wenn ich das Gefühl hätte, das tun zu müssen, absolut, ja.

Woher kommt deine Faszination für symphonische als auch für Metal-Musik?
Ich höre Metal, seit ich ein junger Teenager war und ich hatte schon immer eine Affinität für Sachen, die groß klingen. Musik, die aggressiv und grandios klingt, zieht mich an. Symphonische Musik war schon immer da und dass ich sie mit Metal vereine, erlaubt es mir, diese großen Momente und Ströme so treffend wie möglich auszudrücken. Was sich mit Gitarre, Bass und Schlagzeug mitteilen lässt, ist begrenzt. Die zusätzlichen Elemente geben meiner Musik Leben und ich liebe es, sie einzusetzen.

Orchestrale Musik wird – gerade im Metal – von einigen als kitschig angesehen. Wie denkst du darüber?
Das kommt darauf an, wie man sie einsetzt. Natürlich klingen orchestrale Sachen in Dur kitschig. Eine ausdrucksstarke Geige in Moll klingt hingegen traurig und schön. Blechbläser geben dem Ganzen etwas Bombastisches. Ich denke, Patrick Swayze hat das in „Roadhouse“ am besten gesagt: „Meinungen sind verschieden.“

Euer neuestes Album „Eigengrau“ trägt abermals einen fremdsprachigen Titel. Was steckt dahinter?
Das deutsche Wort „Eigengrau“ passt sehr gut zu dem übergeordneten Thema der Platte. Damit bezeichnet man den tiefen Grauton, den das Auge bei vollständiger Lichtlosigkeit erzeugt… Das Album ist eine Erkundung verschiedener Facetten von Dunkelheit. Manchmal kommen die besten und schönsten Worte einfach aus anderen Sprachen als Englisch.

Inhaltlich dreht sich die Platte um eine Art Selbsterkenntnis, nicht wahr? Wie genau kann man sich das im konkreten Fall vorstellen?
Ist es das, wie du es verstehst? Wir versuchen, in anderen durch unsere Musik Ideen und Gedanken anzuregen. Wenn unsere Musik dir etwas zum Nachdenken gibt und es das ist, was du aus unserem Album mitnimmst, dann haben wir unseren Job richtig gemacht.

Anstelle eines gleichnamigen Songs gibt es auf „Eigengrau“ einen Track namens „Eigenlicht“. Was hat es damit auf sich?
Das ist ein anderes Wort für dieselbe Erfahrung, doch anstelle den Fokus auf die Abwesenheit von Licht und die daraus resultierende Reaktion des menschlichen Hirns zu setzen, geht es beim Eigenlicht um das eigens kreierte Licht. Zwischen diesen beiden Worten herrscht eine gewisse Spannung. Eigengrau ist düster, klaustrophobisch, angsteinflößend. Eigenlicht ist selbstbekräftigend.

Gibt es einen bestimmten Punkt, in dem sich eure neue Platte deiner Ansicht nach von eurem Debüt unterscheidet oder habt ihr euch eher darauf konzentriert, euren bisherigen Stil weiter auszubauen?
Man kann die melodischen und rhythmischen Ähnlichkeiten hören, aber wir finden, dass es offensichtlich ist, dass sich der Sound von RISE OF AVERNUS entwickelt hat. Alle unsere Veröffentlichungen sind verknüpft, wie das bei Diskographien nun mal so ist, aber jede hat ihren eigenen speziellen Stil. Wie bereits erwähnt wurde „Eigengrau“ mit einem größeren Fokus auf Live-Darbietung und Ausdruck geschrieben und wir versuchen, mit jedem Release in dem, was wir tun, besser zu werden.

Vor dem Album-Release habt ihr bereits den Track „Forged In Eidolon“ herausgebracht. Warum habt ihr gerade diesen Song schon vorab veröffentlicht?
Wir haben Namen aus einem Hut gezogen… (lacht). Im Ernst, wir dachten einfach, es sei der am besten geeignete Track, um als erster veröffentlicht zu werden, da er viele verschiedene Elemente von RISE OF AVERNUS in sich vereint.

Das Mixing und Mastering übernahm diesmal Logan Mader (Once Human). Wie kam es dazu und warum habt ihr gerade ihn damit beauftragt?
Wir sind alle mit seinen bisherigen Werken vertraut und wollten, dass dieses Album ein Eigenleben entwickelt… Es sollte so weit wie möglich von einem „generischen“ Sound entfernt sein wie möglich. Es war wirklich ein Vergnügen, mit Logan zu arbeiten, er hat ein unglaublich feines Ohr und hat jedem Instrument und jedem Abschnitt seinen eigenen Raum zum Atmen gegeben. Wir sind sehr froh, dass wir mit ihm zusammengearbeitet haben.

Ich hatte den Eindruck, dass das Feedback auf „Eigengrau“ überwiegend positiv, vereinzelt aber auch gemischt war. Worauf bezog sich die Kritik deiner Wahrnehmung nach hauptsächlich und könnt ihr sie nachvollziehen?
Ich kann beide Feedback-Seiten von „Eigengrau“ nachvollziehen. Viele Leute meinen, es sei fantastisch, einige eben nicht. Ich schätze diese Meinungen, denn wenn jeder sagen würde, dass es einfach nur ok ist, wäre es eine persönliche und kreative Niederlage für mich. Unsere Musik ist nicht für jeden und ich glaube auch nicht daran, für jeden zu schreiben.

Könnt ihr schon absehen, ob man auf das nächste Album wieder eher lang warten müssen wird?
Ehrlich? Es gibt keine Zeitvorgabe für persönliche und kreative Entwicklung. Ich würde darauf tippen, dass ihr eine neue Veröffentlichung irgendwann in 2019 erwarten könnt.

Nun würde ich mit dir gerne noch unser traditionelles Metal1.info-Brainstorming durchgehen:
Low-Fi-Produktion: Cool
Neoklassische Musik: Prachtvoll
Vantaschwarz: Möglichkeiten
Australiens Metal-Szene: Saisonal
Beste Sprache für Metal: Musik
Wüste: Kyuss

Nochmals danke, dass du uns zur Verfügung stundest. Möchtest du unseren Lesern noch etwas mitteilen?
Danke für eure Zeit! Hoffentlich treffen wir uns eines Tages mal persönlich.

 

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