Interview mit Tim Hoppe von Suns Of Thyme

Die deutschen „Krautgazer“ SUNS OF THYME haben kürzlich mit dem außergewöhnlichen „Cascades“ ihr zweites Album veröffentlicht. Was es mit ihrem seltsamen Genre auf sich hat, warum das Album über das sonst eher auf Metal ausgelegte Label Napalm Records erschien, wie es mit der Band nun weitergeht und vieles mehr erfahrt ihr in folgendem Interview mit Gitarrist Tim Hoppe.

 

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SUNS OF THYME ist ein ziemlich ungewöhnlicher Bandname, wollt ihr unseren Lesern die Bedeutung dahinter verraten?
Eigentlich nicht. Bitte nicht böse sein. Wir hatten diese Frage bei dem ersten Album schon oft genug beantworten müssen und irgendwann ist es mal gut. Würdet ihr Radiohead oder Queens Of The Stone Age oder was weiß ich wem denn so eine Frage auch stellen? Es ist ein Bandname, fertig. Ich denke, er umreißt die Musik ziemlich gut und ja, uns sind die Doppeldeutungen bewusst. Macht daraus gern, was ihr wollt. Der Name ging aus mehreren Stadien von Überlegungen hervor, deren Ursprung wir selber nicht mehr wissen. Alejandro Jodorowsky und „Scarborough Fair“ von Simon And Garfunkel hatten auf jeden Fall irgendwie etwas damit zu tun.

Ihr bezeichnet euren Musikstil als „Krautgaze“, also eine Mischung aus Shoegaze und Krautrock. Man kann aber auch noch einige andere Einflüsse heraushören. Warum habt ihr euch letztendlich für „Krautgaze“ entschieden?
Wir können nur immer wieder betonen, dass wir uns das nicht selber ausgedacht haben, sondern Freunde von uns, die mal eine Show für uns organisiert haben und uns irgendwie „labeln“ mussten. Wir sind den Genre-Schubladen leider sehr früh überdrüssig geworden, auch weil man gerade in Deutschland in dieser Hinsicht oft Leute mit Scheuklappen vorfindet, die denken, Genres wären irgendwas fest Definiertes. Wir fanden „Krautgaze“ irgendwie witzig, auch gerade, weil Shoegaze und Krautrock in sich selbst schon schwer zu definierende Genres sind und sehr weit greifen. Wir sind eine deutsche Band, die international klingt, womit Krautrock irgendwie Sinn macht und wenn man unsere Effektboards auf der Bühne liegen sieht, erklärt sich das mit dem Shoegaze auch von selbst. Kräuterrock mit auf die Schuhe gucken halt.

In eurer Musik finden sich sogar arabeske Einflüsse. Wie kamt ihr auf die Idee, auch diese Elemente in eure Kompositionen einzubauen?
Ist jetzt die suns of thyme3Frage, ob ihr arabesk im Sinne von verschnörkelt meint, oder euch auf die orientalische Musikrichtung bezieht. Egal, welches von beidem: Wir experimentieren gern rum und sind schnell gelangweilt, wenn wir merken, dass es das, was wir machen, irgendwie schon genauso gibt. Wir wollen uns nicht selbst langweilen mit unserer eigenen Musik. Zusätzlich sind wir fünf Songwriter und jeder hat seine Ideen, was in den Song rein muss. Da muss man eher am Ende alle Ideen für einen Song sortieren und zusammenführen oder aussondern. Denn weniger ist manchmal einfach mehr. Daher wird es immer simple und komplexere Parts in einem gewissen Verhältnis bei uns geben. Am Ende sollten aber alle Spaß dabei haben, den Song live zu spielen, denn sonst wird man bei einem Konzert keine gute Energie aufbauen können.

Bei so einem bunten Mix an Stilelementen gibt es bestimmt viele Bands, die euch als Inspiration gedient haben. Was sind eure wichtigsten Einflüsse und warum?
Das kommt wirklich stark darauf an, wen man in der Band fragt. Jeder hat da seine Präferenzen, die teilweise weit auseinanderliegen. Und da wir alle die Songs zusammen schreiben, kommen allein dadurch verschiedene Einflüsse zusammen. Ich denke, Jeremy Schmidt von Black Mountain war beispielsweise eine sehr große Inspiration für den Synthie-Sound auf „Cascades“. John Fruciante, Daniel Kessler von Interpol und Sterling Morrisson von Velvet Underground waren für mich persönlich starke Einflüsse, was die Gitarren angeht. Baïkonour inspiriert mich auch immer zu Ideen, gerade was Arrangements angeht. Aber selbst das reißt das Thema Einflüsse nur an. Das meiste passiert eh unterbewusst. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass wir alle uns weitgehend als Fans von Devendra Banhart bezeichnen können. Da kann jetzt jeder reininterpretieren, was er will.

Würdest du eure Musik eher als modern oder als retro bezeichnen?
Sowohl als auch und weder noch. Wir leben in einer Zeit in der uns 80% der westlichen Musikgeschichte der letzten 200 Jahre und noch viel mehr binnen Sekunden zur Verfügung stehen. Daher ist es ausgeschlossen, dass man nicht ständig irgendwo Zitate und Bezüge findet. Deshalb gibt es wirklich moderne Musik nicht. Wir sind selber auch nicht auf eine bestimmte Epoche oder Stilrichtung eingeschossen, dass wir nur das machen wöllten. Retro-Bands wollen den Sound einer bestimmten Zeit genauso wieder aufleben lassen und die Alben klingen wie ein Best-Of aller Bands dieser Zeit, nur in einem besser produzierten und zeitgemäßeren Mantel. Ich finde das gut, aber für uns wäre das zu langweilig. Und wir sind auch nicht so fanatisch, was alte Aufnahmetechniken oder solchen Kram angeht. Bei uns geht schön alles in den Computer und nicht auf irgendeine Bandmaschine von 1969.

„Cascades“ ist euer zweites Album, darauf gebt ihr euch sehr vielseitig und doch stringent. Was sind für dich die größten Unterschiede im Vergleich zu eurem Debüt „Fortune, Shelter, Love And Cure“?suns of thyme1
Bei FSLC gab es uns noch nicht so lange, als das Album geschrieben wurde – gerade mal etwas über ein Jahr. Die Songs kamen relativ schnell zustande und wir waren als Band auch noch nicht so aufeinander eingestellt. Es ist sehr viel gleichzeitiges Miteinander, während „Cascades“ ein überlegteres Nacheinander ist. Wir sind einfach mehr zu einer Band zusammengewachsen über die letzten Jahre. Thematisch wird beiden Alben oft ein Konzeptalbumcharakter nachgesagt. Das ist bei beiden nicht intendiert gewesen. Bisher haben wir noch kein wirkliches Konzeptalbum geschrieben. Die Stringenz bei „Cascades“ kommt vielleicht daher, dass wir so langsam einen stilistischen Kern finden, wie SUNS OF THYME klingen, und dann kann man immer mehr andere Dinge und Einflüsse reinholen und diesen Kern vielschichtig ummanteln. Ich will aber nicht behaupten, er wäre schon vollkommen ausgereift. Mal sehen, ob und wie wir uns in Zukunft verändern.

Was ist dein persönlicher Lieblingstrack auf „Cascades“ und warum?
Das wechselt oft. Auch gibt es einen Unterschied zwischen Live und auf Platte. Ich denke alles in allem hänge ich an „Rush“ am meisten. Dieser Song ist für mich ein neues Level von Zusammenarbeit in der Band und der Song ist mir persönlich auch sehr wichtig, da er durch so viele Stadien gegangen ist und ihn außer mir alle in der Band schon mal komplett fallen lassen wollten. Ich musste schon hart dafür kämpfen, dass er gemacht wird, und als er fertig war, waren dann doch alle überrascht und zufrieden. In dem Song steckt für mich einfach unsere Bandgeschichte und unser Zusammenwachsen. Abgesehen davon finde ich „Rush“ einfach sehr gelungen, ich mag den Text von Tobi und ich spiele ihn wirklich gern live.

Euer Track „Deep Purple Rain“ hat aufgrund seines Namens wohl recht viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Warum habt ihr ihn so benannt?
suns of thyme4So viel Aufmerksamkeit nun auch wieder nicht. Wir hatten auf jeden Fall keine Eingebung oder Vorahnung, dass wir Prince einen Monat vor unserem Release verlieren würden. Der Song hat einen ziemlich düsteren Text und gleichzeitig einen für uns ungewöhnlich einfachen Indie-Popsong-Aufbau. Der Name war als Arbeitstitel eigentlich erst ein Witz, aber dann fanden wir das Bild, welches der Titel erzeugt (wenn man mal die Referenzen beiseitelässt, die lediglich in den Worten, aber keinesfalls in der Musik vorhanden sind), ziemlich passend für den Inhalt und die Stimmung des Songs.

„Aphelion“ ist wohl der Track, den man noch am ehesten als „heavy“ bezeichnen kann. Wieso geht ihr darauf etwas härter zu Werke als auf den übrigen Tracks?
Weil es einfach so gekommen ist. Der Song wollte das so und wir haben uns dem nicht verschlossen. Es gibt da keine Dogmen und daher auch keinen Grund, den nicht „heavy“ zu machen.

Eure Texte sind fast gänzlich auf Englisch verfasst, nur der Titel und Refrain von „Ich träum von dir“ sind auf deutsch. Wieso ist das so?
Das Thema deutsche Texte beschäftigt uns schon länger. Wir sind einfach mit englischer Musik aufgewachsen und haben das am meisten gehört, als wir anfingen, selbst Musik zu machen. Und Englisch eignet sich sehr gut zum Singen. Deutscher Gesang ist an sich schon irgendwie anders gebaut und führt zu anderer Musik und anderen Songs. Bei „Ich träum von dir“, an dem wir schon gearbeitet hatten, als unser erstes Album noch nicht mal veröffentlicht war, hatten wir komplett englischen und komplett deutschen Text ausprobiert. Beides hatte seinen Reiz, aber auch seine Schwächen. Irgendwie sind wir dann bei diesem Mittelweg gelandet und fanden diese Lösung am besten. Ich denke, wir fänden deutsche Texte für die Zukunft aber auf jeden Fall mal interessant. Man muss halt sehen, was dem Song am besten dient.

Was kannst du uns über die Texte auf „Cascades“ im Allgemeinen erzählen?
Tobi hat alle Texte auf „Cascades“ geschrieben, daher bin ich als Gitarrist natürlich auch nur Rezipient und kann meine Interpretation liefern. Ich denke, es geht viel darum, persönliche Erfahrungen zu abstrahieren und auf eine allgemeinere Ebene zu bringen, zu der jeder seinen eigenen Bezug aufbauen kann. Viele Songs sind so kleine Erkenntnisse, die aber untereinander auch verbunden sind. Mit jeder kleinen Erkenntnis kommt man ein Stück weiter, lässt ein Stück mehr los von alten Vorstellungen. Manchmal lässt man sich aber auch einfach fallen und akzeptiert die Dinge, wie sie einfach sind. Ich kann zu fast jedem Songtext einen persönlichen Bezug aufbauen, der sicherlich von Tobis Intention abweicht. Aber genau das macht für mich auch den Reiz dieser Texte aus.

Im Gegensatz zu eurem Debüt ist „Cascades“ über Napalm Records erschienen, einem ziemlich großen Label, das darüber hinaus auch noch eher für Metal-Releases bekannt ist. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Wir wurden von Billie Klein, einem A&R von Napalm angesprochen. Sie wusste, was wir machen und wo wir hinwollen und das Label ist auch gerade dabei, sich weiteren Stilen noch mehr zu öffnen. Für uns war vor allem die Zusammenarbeit mit Billie ausschlaggebend. Es ist wichtig, dass bei deinem Label jemand sitzt, der sich wirklich hinter deine Platte klemmen will und mit dir zusammen das Beste dafür rausholen will. Dass wir jetzt dadurch auf einem Metal-Label sind und ob wir dahin passen, war natürlich ein Diskussionsthema im Vorfeld. Aber letzten Endes ist das auch egal, solange Leute für dich arbeiten wollen und hinter dem stehen, was du machst und dir deine Freiheiten lassen. Das Team von Napalm hat bisher richtig gut für und mit uns gearbeitet und wir können uns nicht beschweren.

Wie geht es nun mit SUNS OF THYME weiter, was sind eure nächsten Pläne?suns of thyme5
Momentan gehen wir unseren Booking Agents auf die Nerven, die Tour im September und Oktober in Deutschland und Europa so voll mit Terminen zu stopfen, wie es nur geht. Sobald das geschafft ist, würden wir gern das fernere Ausland angehen, aber das wird sicher ein hartes Stück Arbeit werden. Momentan fangen wir an, Ideen, die wir für „Cascades“ nicht mehr angehen konnten und auch neue Ideen aufzugreifen und damit zu arbeiten. Wir haben gemerkt, dass bei uns Songs eine gewisse Zeit zum Wachsen und Reifen brauchen, daher fangen wir lieber früh mit dem Sähen an. Parallel dazu arbeiten Jascha und Tammo (Drums und Synths) gerade an ihrem zweiten Album mit Odd Couple – die Band kann ich an dieser Stelle nur jedem empfehlen!

Kommen wir langsam zum Ende dieses Interviews. Nun bitte ich dich noch darum, an unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming teilzunehmen. Was fällt dir zu folgenden Begriffen ein:
Metal: Kupfer, Aluminium, Eisen, Blei, William S. Burroughs.
AfD: NfDAP – Wirkt meist wie eine Lachnummer, aber man sollte nie die Gefahr einer Partei voller Opportunisten unterschätzen. Ein Mahnmal für die Generation, die heute so weit weg vom zweiten Weltkrieg ist und daher nicht mehr nachvollziehen kann, wie sich 1933 so viele Leute hinter eine rechte Partei stellen konnten. Unsicherheit und Angst lässt den Menschen einfach sehr irrational werden und das kann leider zu leicht ausgenutzt werden.
Absolutes Lieblingsalbum: Hm. Keine Ahnung. Das wechselt ständig. „For the Lonely Hearts of the Cosmos“ von Baïkonour ist immer fest in meiner Top 10.
Fußball-Europameisterschaft: Oliver Kahn ist der Dieter Bohlen des Fußballs.
SUNS OF THYME in zehn Jahren: Auf der Tour zum 7. Album und Backstage vielleicht schon mit unseren Kindern abhängen. Wer weiß?

Dann nochmals herzlichen Dank für dieses Interview. Gibt es noch etwas, das du unseren Lesern mitteilen willst?
Kauft Platten und geht auf Konzerte! Nicht zwangsläufig unsere, aber generell. Die Musikszene braucht das, um divers zu bleiben. Zehn Euro im Monat für Spotify sind zwar besser als illegale Downloads, aber davon wird niemand seine Musik finanzieren können. Niemand will und kann hier reich werden, das ist allen klar, die sich heutzutage auf diesen Weg einlassen. Die meisten von uns und euch haben sicher auch nicht viel Kohle, aber man sollte sich mal überlegen, was man an einem Wochenende so in einer Bar an Geld lässt und wie viel die Musik im eigenen Leben ausmacht. Das sollte in einer gesunden Relation zueinander stehen.

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