Konzertbericht: A Life [Divided] w/ WETO, Helen Was Here

2013-01-19 Backstage, München


A LIFE [DIVIDED] – während manche noch über den Sinn des Bandnamens nachdenken, hat sich Eisbrecher-Gitarrist Jürgen Plangger mit seinem Soloprojekt immer weiter emanzipiert. In den letzten Jahren gepusht durch die Radiosender Rock Antenne und Bayern 3 erinnert sich kaum einer, dass die Karriere des rockigen Quintetts sogar bis ins Jahr 2003 zurückreicht. Doch sind es besonders die letzten beiden Veröffentlichungen „Passenger“ und „The Great Escape“, mit denen Jürgen und Co. sich immer weiter in das Rampenlicht drängten. Dass dies (fast) völlig ohne Kommerzrock funktioniert, bewiesen A LIFE [DIVIDED] bei ihrem Releasekonzert von „The Great Escape“ in ihrer Heimat München. Und 2013 spielte sogar das Publikum mit.


Das lag nicht zwangsläufig am Beginn des Abends: Diesen läuteten HELEN WAS HERE ein. Nach dem Totalausfall mit Insane anno 2012, gab es immerhin eine kleine Steigerung im Vorprogramm. So mischten die Münchner ihre Gitarrensounds mit Elektroelementen und am Ende auch ein bisschen Dubstep. Dies ließ sich anfangs gut an, doch besonders Sänger Slaven wirkte stimmlich noch extrem ausbaufähig und drang nicht wirklich zum Publikum durch. Dazu litt die Combo unter einer horrenden Lichtshow, so dass alle Musiker mit einer Ausnahme nicht zu sehen waren. Musikalisch verliefen sich HELEN WAS HERE parallel zur fatalen Inszenierung schnell in einem soliden Einheitsbrei, der nicht so recht zünden wollte. Demnach dürften sich im Nachhinein nur die wenigsten an dieses kurze Stelldichein erinnern.

Weiter ging es mit etwas bekannteren Lokalmatadoren: WETO. Vier der fünf Jungs rund um Sänger Thomas Lindner kennen besonders Folkfans eher von Schandmaul als von ihrem Deutschrockprojekt. Insofern wenig überraschend, dass WETO den Ursprung des Schandmaulschen „Feuertanz“ in ihre Setliste packten. Diese war insgesamt recht ausgewogen zwischen dem aktuellen Album „Schattenspieler“ und dessen Vorgänger „Das zweite Ich“. Andererseits fehlten aus beiden Alben starke Kompositionen wie „Irrlicht“, „Koma“, „Orient und Okzident“ oder „Krank“. Besonders gelungen war der Auftritt immer dann, wenn WETO sich ihrer intensiven Seite widmeten wie in „Flucht“, „Tief“ oder „Ausgebrannt“, welche beispielsweise Misshandlung und Burnout thematisieren. Im Vergleich zu Helen Was Here gestalteten WETO ihre längere Spielzeit deutlich kurzweiliger und abwechslungsreicher, wobei besonders Sänger Thomas im Vergleich zu seinem Vorgänger unterstrich, wie ein Sänger zu klingen hat. Andererseits merkte man auch beim zweiten Support, dass die meisten Anwesenden lediglich auf A Life [Divided] warteten und sich nicht zwangsläufig auf den textlich anspruchsvollen und musikalisch eher halbharten Deutschrock Marke WETO einlassen wollten.

Und die Wartezeit lohnte sich: Mit „The Lost“ eröffneten A LIFE [DIVIDED] ihr Set direkt mit einem der Kracher des neuen Werks „The Great Escape“. Doch ans Davonlaufen dachte in München schon dann niemand. Inzwischen hatte sich das Backstage Werk überraschend gut gefüllt und selten merkte man einem Musiker so sehr die Freude an seinem Tun an wie Sänger Jürgen Plangger an diesem Abend. Mehrfach blickte er zwischen den Songs ungläubig mit einem breiten Grinsen in das weite Rund, ehe er später direkt auf Tuchfühlung mit den ersten Reihen ging und unter anderem seine Bühnengetränke großzügig teilte. Vom unscheinbaren Eisbrecher-Gitarristen war an diesem Abend keine Spur zu sehen, statt dessen packte der waschechte Bayer die Rampensau aus und sang sich in bis dato nicht gehörter Qualität in die Herzen aller Rockfans – mal einfühlsam zart, mal eindringlich hart. Unterstützt von seinen Bandkollegen wie Schlagzeuger Korl Fuhrmann, vielen (noch) besser bekannt von Lacrimas Profundere, profitierten A LIFE [DIVIDED] von sattem Gitarrensound und einem gut aufgelegten Publikum, welches die Band immer weiter nach vorne peitschte. Lediglich beim Akustikblock mit „The Ordinary“ erwies sich die Mehrheit als wenig textsicher, so dass Jürgen schließlich lieber selbst zum Mikro griff. Ein kleiner Schönheitsfehler an einem Abend, an dem sich A LIFE [DIVIDED] nicht lumpen ließen: In seiner Heimat begrüßte der Rockfünfer als besonderen Gast Eisbrecher-Fronter Alex Wesselsky, der zusammen mit Jürgen „A Perfect Day“ sang. Ein Song, der ursprünglich bei den Brechern hätte landen sollen, wie Jürgen erzählt. Ein Glück, dass er es nicht tat, hätte es dieses hervorragende Duett ansonsten wohl kaum gegeben. Und live stellte Kapitän Alex das Studioäquivalent mit Lord Of The Lost-Sänger Chris Harms mächtig in den Schatten.

Ihre großen Hits wie das Alphaville-Cover „Sounds Like A Melody“ sowie die beiden Singles „Doesn’t Count“ und „Heart On Fire“ von „Passenger“ hoben sich A LIFE [DIVIDED] für ihren Zugabenblock auf. Ein mutiger Schritt, der aber wiederum bewies, dass „The Great Escape“ in Verbindung mit älteren Songs wie „Perpetual“ und „Hand Of Healing“ von den unbekannteren ersten beiden Alben „Virtualised“ und „Far“ eine wunderbare Setliste abgibt. Allen voran die neuen Powernummern wie der Opener „Lost“ und „It Ain’t Good“ erwiesen sich als ungemein livetauglich, genau wie es die Studioversionen versprachen. Nur beim etwas zahmeren „Feel“ fiel auf, warum eben jener Song und nicht die kompositorisch stärkeren Alternativen derzeit bei Bayern 3 zu hören ist. Es sind die kleinen Kompromisse in einem rockigen Feuerwerk, die man A LIFE [DIVIDED) aber gerne verzeiht. Angenehmerweise verzichteten Jürgen und Co. abseits des Akustikintermezzos vollständig auf Quotenballaden oder andere Experimente, sondern schüttelten das Backstage über rund 90 Minuten ordentlich durch – wobei selbst die ruhigeren Töne hier mehr Bums hatten als bei anderen Genrevertretern die Rockbretter.


Letztlich können einem besonders Mono Inc. leidtun. Im Frühjahr werden die Hamburger zusammen mit A LIFE [DIVIDED] touren. Während die Monos inzwischen relativ eingefahren sind, strotzen Jürgen und Co. nur so von Frische und Energie. Dabei ist bei A LIFE [DIVIDED] musikalisch vieles nicht neu, nur eben besser als bei vergleichbaren Rockcombos. Und genau diese simple Schlussfolgerung lässt hoffen, dass es irgendwo da draußen noch mehr von jenen Kapellen gibt, die aus der bekannten Mischung mit Gesang, Gitarre, Bass und Schlagzeug etwas so Energiegeladenes zaubern können. Am 19. Januar 2013 wurde der Jürgen von Eisbrecher jedenfalls endgültig zum Jürgen von A LIFE [DIVIDED]. Vor dieser Leistung zog selbst Captain Alex zurecht seinen Hut.

Setliste
Lost
Isolation
It Ain’t Good
Doesn’t Count
Hand Of Healing
Wait For Me
Perpetual
Other Side
Feel
Anyone
The Ordinary (unplugged)
Walking In My Shoes
A Perfect Day
The Last Dance

Words
Sounds Like A Melody
Hey You
Heart On Fire

Publiziert am von und Uschi Joas

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