Konzertbericht: Coppelius

28.04.2012 Spectaculum Mundi, München

Die Gastspiele von COPPELIUS im Münchner Spectaculum Mundi – sie sind im Rahmen des alljährlichen Musica Antiqua Viva-Festivals beinahe zur liebgewordenen Tradition geworden. So versammelten sich die sechs Herren aus Berlin anlässlich ihrer konzertanten Winterreisen auch 2012 wieder auf der kleinen Bühne im Süden der bayerischen Landeshauptstadt. Dieses Mal unter anderem, um einen musikalischen Ausblick auf den voraussichtlich Anfang 2013 erscheinenden „Zinnober“-Nachfolger zu geben.

Die neuen, leider noch namenlosen Stücke erinnern dabei eher an die „Tumult!“artigen Zustände früherer Tage, d.h. das Klangbild ist weniger abwechlungsreich und dadurch wiederum weniger allgemeintauglich als auf dem letzten Album. Die endgültigen Studioversionen können und werden vermutlich hiervon natürlich noch deutlich abweichen. Die Setliste in München gerät indes erstaunlich ausgewogen: Mit dem wahnsinnig atmosphärischen „Das Amulett“ feiert eine der besten (und kürzesten) Liveballaden ihr Comeback im coppelianischen Liveprogramm. Zusammen mit einem neuen Stück rund um eine Butterblume sowie dem wieder einmal mehr als gelungenen „Ade mein Lieb!“ als Abschluss setzen COPPELIUS dieses Mal besonders mit eher ruhigen Tönen echte Ausrufezeichen. Zwischendrin gibt es u.a. mit „To My Creator“ gewohnte Iron Maiden-Hommagen im neumodischen Klarinettengewand und mit „Diener 5er Herren“, „Risiko“ sowie dem kurzfristig umbetitelten „Gumbagubanga“ (=> „GumbaguBÄNga“) liveerprobtes Material aus jüngerer Vergangenheit. Letzteres wird eingeleitet von einem enthusiastischen Le Comte Caspar, der mehrfach mit einzelnen Silben beschriebene Tafeln hochhält – leider nicht immer korrekt ausgerichtet und in der passenden Reihenfolge, so dass er im Auditorium (bewusst?) für gehörige Verwirrung sorgt. Auch Metalfreunde kommen beim coppelianischen Kammercore auf ihre Kosten, wie sich beispielsweise bei den schnellen „Charlot The Harlot“ und „Rightful King“ zeigt. Die einzelnen Bandmitglieder gehen mit gutem Beispiel voran und moshen fleißig mit – größtenteils im Takt. Musikalisch ausdifferenzierter wird es hingegen beim beinahe hymnischen „Ma Rue A Moi“.
Generell lebt die Bühnenshow mit Butler Bastille und seinen Herren wieder einmal von improvisierten und choreografierten Momenten (und wird lediglich durch nervige Zwischenrufe einer Dame aus der letzten Reihe vereinzelt gestört): So darf Sissy Voss am Kontrabass trotz extrem hoher Temperaturen seinen Mantel nicht ablegen, da er am Vorabend wegen der Hitze bereits keine Socken getragen hat. Als Herr Voss dennoch sein Gewand ablegt, wird dies mit lauten Buh-Rufen quittiert und Bastille versagt seinem Bandkollegen das Getränk, bis dieser wieder in voller Montur auf der Bühne steht. Apropos Getränk: Erwartungsgemäß wird auch wieder dem Absinth gehuldigt, während Le Comte Caspar zeitgleich mit seiner Klarinette einen Ausflug quer durch das Publikum, zum Lichttechniker und auf die Theke unternahm. Im weiteren Verlauf des Abends lässt er sich schließlich von Bastille auf den Schultern einmal quer durch den Saal tragen, während er dabei weiter fröhlich vor sich hin musiziert.Trotz dieser vermehrten Ausflüge: Auch das innercoppelianische Klarinettenduell zwischen Le Comte Caspar und Max Copella kommt nicht zu kurz.

Die Anteile am Gesang sind verhältnismäßig ausgeglichen, so dass alle vier Männerstimmen über den Abend verteilt brillieren. Selbst Drummer Nobusama ist (nach einem starken Solo) im Zugabenblock bei „Running Free“ kurzfristig am Mikro zu hören, nachdem Bastille ans Schlagzeug ausweicht. Die teils sarkastischen und schwarzhumorigen Botschaften in den Texten gehen im ansonsten guten Bühnensound leider zu sehr unter, so dass auch die Publikumsbeteiligung bei manchen Sangespassagen auf der Strecke bleibt. Die einzelnen Bühnenmitglieder harmonieren dafür sowohl instrumental als auch stimmlich hervorragend. Kein Wunder also, dass COPPELIUS in diesem Jahr u.a. noch auf dem Feuertanz Festival zu sehen sein werden. Dort dürfte es nicht minder abwechslungsreich, freakig und einfach anders werden.

Publiziert am von und Uschi Joas

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