Konzertbericht: GBH w/ Soifersonne

09.03.2020 München, Folks! Club

Was es vor 42 Jahren noch nicht gab: Hardcore Punk. Was es seit 42 Jahren gibt: die Hardcore-Punk-Band GBH. Zufall? Mitnichten. 1978 in Birmingham gegründet, zählen GBH zu den prägenden Bands des Genres und zu den wichtigsten Einflüssen des frühen Thrash Metal. Dass die Band heute noch aktiv ist, grenzt an ein Wunder – und das mit nur zwei Besetzungswechseln am Bass (1982) und Schlagzeug (1996).

Einen Tag später als geplant, aber noch bevor das Corona-Virus die hiesige Kulturszene weitgehend zum Erliegen gebracht hat, starten die Briten im Folks! Club München ihre Europatour. Von einer „Großveranstaltung mit 1000 Teilnehmern“ ist man trotz des unanfechtbaren Legendenstatus der Band und einem gut gefüllten Club aber auch weit entfernt.

So stoisch, wie die Fans im Folks! die draußen herrschende Virus-Panik ertragen, gehen sie auch mit anderen Unzulänglichkeiten um: dem Bierpreis (im ganz un-punkigen Sinne asoziale 4€ für 0,33 l), dem eher flexibel interpretierten Showbeginn (20:45 Uhr statt 20:00 Uhr) und last but not least der begrenzten Musikalität der Vorband SOIFERSONNE. Doch wenn auch Töne und Takte nicht immer stimmen, stimmt bei den Oi!-Punkern aus München/Neuhausen wenigstens die Attitüde. So gelingt es der Band um Fronter Tobi trotz Aushilfsschlagzeuger und so manchem Fehlgriff schnell, das Publikum auf seine Seite zu ziehen: Der „Zusammenhalt“ – so einer der Songtitel von SOIFERSONNE – ist in dieser Szene eben stärker als der Glaube an das eingehaltene Metrum.

„Grievous Bodily Harm“, im deutschen ungefähr entsprechend dem Straftatbestand der schweren Körperverletzung. Für viele unbedarfte Hörer dürfte das den Sound von GBH gut umreißen: Hart, aggressiv und ohne Gnade prügeln GBH dann auch ab 21:30 Uhr drauflos – und das bei erfreulich gutem Sound. Dass man zwischen den einzelnen Songs trotzdem kaum Unterschiede ausmachen kann, liegt schlicht in der Natur der Sache (Hardcore-Punk). Von den Anwesenden stört sich daran aber niemand. So dauert es nicht lange, bis im Folks! Club ein mal gemütlicherer, mal recht rabiater Pogo ausbricht.

Auf der kaum 30 cm hohen Bühne quasi vis-à-vis mit dem Publikum, kommt es dabei dann auch tatsächlich zu der einen oder anderen Körperlichkeit – wenn etwa Fans aus dem Pit auf die Bühne fallen oder Sänger Colin Abrahall das Mikrophon unglücklich ins Gesicht bekommt. Und doch hier ist nur die Musik angepisst – unter den Fans hingegen herrscht die Atmosphäre eines entspannten Familientreffens. Bei den Ansagen beschränkt sich Colin – in Lederjacke und mit wasserstoffblonder Stachelfrisur unverkennbar wie eh und je – auf das Nötigste; beim Gesang macht dem knapp 60-jährigen Schreihals dafür heute keiner was vor. Und auch sonst ist irgendwie alles wie früher: Bei der Songauswahl konzentrieren sich GBH (von vier Songs des aktuellen Albums „Momentum“, 2017, abgesehen) komplett auf Songmaterial der ersten drei Alben „Leather, Bristles, Studs And Acne“ (1981), „City Baby Attacked By Rats“ (1982) und „City Babys Revenge“ (1983). Und trotz ihres gehobenen Alters gönnen sich die Altpunker bei gut 75 Minuten Spielzeit kaum eine Pause. Danach wirkt so mancher Gast im ebenfalls eher betagten Publikum erschöpfter als das Quartett aus Birmingham. Gratulation, GBH: Alles richtig gemacht.

  1. Birmingham Smiles
  2. Race Against Time
  3. Dead On Arrival
  4. Generals
  5. Big Women
  6. Sick Boy
  7. Slit Your Own Throat
  8. Diplomatic Immunity
  9. City Baby Attacked By Rats
  10. City Baby’s Revenge
  11. Time Bomb
  12. Knife Edge
  13. Lycanthropy
  14. Necrophilia
  15. Fifty What?
  16. No Survivors
  17. Self Destruct
  18. Give Me Fire
  19. I Never Asked For Any of This
  20. Liquid Paradise (The Epic)
  21. Maniac

Wer musikalische Abwechslung sucht, ist bei GBH falsch – wer aber Abwechslung zur Virus-Panik sucht, hier und heute goldrichtig: Nach einem unterhaltsamen Auftritt von SOIFERSONNE liefern GBH das sprichwörtliche Brett ab – eine Hardcore-Punk-Show, die alles außenherum vergessen macht. Vielleicht ist es unvernünftig, derzeit auf solche Konzerte zu gehen. Aber es tut gut.

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