Konzertbericht: Grift w/ Wolcensmen

03.03.2020 Wien, Replugged

Obwohl GRIFT und WOLCENSMEN üblicherweise in mehrköpfiger Bandbesetzung auf der Bühne stehen, handelt es sich bei beiden Projekten im Grunde genommen doch um Ein-Mann-Bands. Es erscheint somit keineswegs abwegig, dass Erik Gärdefors und Dan Capp ihre üblicherweise an ihren Live-Shows beteiligten Mitmusiker zurückgelassen haben, um auf ihrer gemeinsamen „Evenfall Winter Tour MMXX“ ihrer Liebe zur Folk-Musik auf die denkbar ursprünglichste Weise Ausdruck zu verleihen – im Alleingang und mit nichts als einer Akustikgitarre in der Hand.

Dass ein bescheidener Solo-Auftritt zweier Underground-Folk-Musiker, deren Wurzeln im Black Metal liegen, in einer Großstadt wie Wien nicht unbedingt der Publikumsmagnet schlechthin ist, sollte wohl keinen verwundern. Dennoch ist es ein wenig ernüchternd, dass sich um 20:15 Uhr kaum 15 Musikliebhaber vor der unterirdischen Bühne des Replugged eingefunden haben, um dem Konzert beizuwohnen. Dass sich an der Zahl der heutigen Zuseher bis zuletzt nichts ändert, hat jedoch den erfreulichen Nebeneffekt, dass man der Musik frei von störendem Gequatsche aus dem Publikum lauschen kann.

Dies kommt der Darbietung von WOLCENSMEN umso mehr zugute, als Dan Capp heute ein reines „Ambient-Set“ spielt. Hierfür bedient sich der britische Solokünstler lediglich seiner Akustikgitarre und einer Handvoll nebenher laufender Tonspuren, mithilfe derer Capp seinen wohlklingenden Gesang und sein zartes Saitenspiel mit sphärischen Klangflächen und Backing-Vocals ausschmückt. Obwohl WOLCENSMEN am heutigen Abend somit deutlich minimalistischer musiziert als auf Platte, kommt den Songs dadurch kein Stück ihrer Vielfalt und ihrer packenden Stimmung abhanden.

So wissen etwa das sanftmütige „Lorn And Loath“, die ausgefeilten Arrangements von „Hoofes Upon The Shymmeringe Path“, die Sonnenhymne „Sunne“ und das mysteriöse „Sprig To Spear“ gleichermaßen zu begeistern. Der intimen Stimmung des Konzerts entsprechend erzählt Capp vor jedem Lied kurz ein wenig von den Hintergründen des jeweiligen Stücks und bedankt sich zuletzt ohne jede Ironie bei den Zusehern für deren ruhiges Hinhören – da sieht man dem freundlichen Folk-Künstler auch gerne die paar gesanglichen Patzer in den höheren Tonlagen gegen Ende der Show nach.

  1. Lorn And Loath
  2. Hoofes Upon The Shymmeringe Path
  3. Lady Of The Depe
  4. Man Of Iron (Bathory Cover)
  5. Sunne
  6. Sprig To Spear
  7. The Fyre-Bough

Nach einer kurzen Pause macht sich Erik Gärdefors alias GRIFT dem Anschein nach daran, dasselbe Konzept zu verfolgen. Auch der schwedische Sänger und Gitarrist steht mit seinem Akustik-Sechssaiter allein auf der Bühne, lässt einige wenige Backing-Tracks wie etwa das auf seinen Alben zu hörende Harmonium vom Band mitlaufen und ist sich nicht zu schade, dem Publikum die Geschichten hinter seinen Liedern darzulegen – mag es ihm auch schwerfallen, diese ohne Bedeutungsverlust ins Englische zu übersetzen. Die ringsum aufgestellten Trauerkerzen und die Schellen (mitsamt Traumfänger), die Gärdefors in manchen Songs am Kopf seiner Gitarre befestigt, um damit für einen Hauch von Perkussion zu sorgen, scheinen anfänglich der einzige Unterschied zum Auftritt von WOLCENSMEN zu sein.

Doch dem ist keineswegs so: Vielmehr sind die von GRIFT gespielten Lieder nicht nur um einiges introvertierter und pessimistischer, sondern stellenweise sogar rastloser als jene seines Vormusikers. Anders als bei Capp liegt in Gärdefors‘ tiefer, mit viel Hall unterlegter Stimme ein Groll, der sich vereinzelt in Form eines wütenden Knurrens und sogar jaulender Screams bemerkbar macht. In der Performance der Akustik-Adaptionen seiner Songs gibt sich GRIFT sogar noch ein Stück minimalistischer und weniger eingängig als WOLCENSMEN – nichtsdestotrotz gelingt es Gärdefors bis zum doch recht frühen Ende seines Auftritts um 22:00 Uhr, die Zuseher mit seinen trübsinnigen Liedern emotional an sich zu ketten.

  1. Dödens Dåd
  2. Svältorna
  3. Flyktfast
  4. Den Stora Tystnaden
  5. Skimmertid
  6. Bortom Berget
  7. Dårarnas Massiv

Wenn es ein Wort gibt, mit dem sich das heutige Konzert von WOLCENSMEN und GRIFT in seiner Essenz beschreiben lässt, dann ist es „Bescheidenheit“. Zwei Folk-Projekte, zwei Männer, zwei Akustikgitarren, zwei nicht einmal einstündige Sets und eine gerade noch den zweistelligen Bereich erreichende Zuseherschar – mehr braucht es, wie sich heute gezeigt hat, gar nicht, um Liebhaber von gefühlvoller, handgemachter Musik zufriedenzustellen. Dass WOLCENSMEN auf der einen Seite mit Vielseitigkeit und Eingängigkeit punkten konnte und GRIFT auf der anderen Seite mit seiner bedrückenden Show die Gemüter bewegte, spricht zudem Bände darüber, wie viel man auch ohne großes Brimborium mit Musik auszudrücken vermag.

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