Konzertbericht: Koenix w/ Vroudenspil, Vera Lux

06.01.2024 München, Backstage (Halle)

Zwar konnte das TANZT! letztes Jahr nicht stattfinden, doch das bedeutet nicht, dass es keine Folk- und Mittelalterkonzerte im Münchner Backstage gibt. An Heilige Drei Könige finden sich mit KOENIX, VROUDENSPIL und VERA LUX direkt drei vom TANZT! bekannte Bands in München ein, um gegen den folkigen Herbst- bzw. Winterblues anzuspielen – und am Ende eine Steilvorlage für eine Neuauflage des Festivals zu liefern.

Seit einigen Jahren wahnsinnig umtriebig sind die Nürnberger VERA LUX. Kein große Überraschung also, dass sie mit ihrem Folk-Metal diesen Abend eröffnen. Mit dabei haben die Franken auch neues Material von ihrem zweiten Studiowerk „Durch die Schatten“, welches am 16. Februar erscheinen wird. Der Opener „Insomnia“ erweist sich als keine gute Wahl, aber je länger die Musiker gemeinsam auf der Bühne stehen, desto mehr und besser greifen die einzelnen Elemente ineinander. Zwar sind Geige und Drehleier während der rund 40 Minuten durchweg entweder zu leise oder gar nicht zu hören, aber gerade die Rhythmusfraktion liefert ein mehr als solides Fundament. Gitarrist Matthias ist dazu mehrfach als gelungene Ergänzung zu Sängerin Inara am Mikrofon zu hören. „Nur der Tod gewinnt im Krieg“ ist dann schlussendlich nicht nur ein klares Statement, sondern auch der beste Song des Sets und zeigt die Band kompositorisch gereift. Es bleibt zu hoffen, dass die fünf Musiker:innen sich als beste Besetzung etablieren – dann könnte hier etwas heranreifen. Das Publikum in München zeigt sich jedenfalls sehr angetan.

VROUDENSPIL haben das TANZT! von den ersten Stunden in Rosenheim und Kufstein bis auf die große Bühne des Backstage begleitet. Ihr Auftritt an diesem Abend steht zunächst unter keinem guten Stern: Technische Probleme, speziell mit dem Mikro von Sänger von Don Santo, sorgen für Verzögerungen und Vroudenspil im wahrsten Sinne des Wortes. Doch die Freibeuter lassen sich davon nicht aus dem Konzept bringen und legen mit leichter Verspätung fulminant los. Der Sound dringt ungewohnt basslastig über die Lautsprecher und genau wie Vera Lux haben VROUDENSPIL mit „1000 Seelen“ einen neuen Song im Gepäck. Dieser fällt anfangs allerdings etwas auseinander und steht damit im krassen Gegensatz zum ansonsten schweißtreibenden Set, in dem Saxophon, Flöten und Akkordeon alle gleichermaßen zur Geltung kommen. Sänger Don Santo präsentiert sich als Frontmann von seiner besten Seite, interagiert schlagfertig mit dem lautstarken Publikum, wechselt seine Kopfbedeckungen und liefert stimmlich ab. Bei „Rebellion“ stürzt er sich schließlich in den Publikumsraum und pogt mit den Gästen um die Wette. Mag der „Plankentango“ historisch zwar nicht ganz korrekt sein, so funktioniert er mit der feierwütigen Menge beim Heimspiel wunderbar, genau wie „Selbsträcher“, „12 Pfund“ und das etwas gediegenere „Weißes Rauschen“. Bei eben jenem Song ist unter einigen Smartphones sogar noch ein echtes Feuerzeug in der Menge zu sehen. Für den neuen Basser Andi hätte es kaum einen besseren Einstand geben können. Sollten VROUDENSPIL wieder etwas regelmäßiger auftreten, ist in dieser Form mit ihnen zu rechnen.

Die Schweizer KOENIX haben die längste Anfahrt von allen Bands und machen schnell deutlich, worauf es ihnen ankommt: Obwohl in ihrer Heimat kein Feiertag ist, sind sie für eine ordentliche Folk-Party nach München gekommen. Dafür legen sie sich mächtig ins Zeug und haben sogar zwei Tänzerinnen im Gepäck, die ihren Job ganz offenkundig verstehen und mehr als Zugabe für’s Auge sind. KOENIX selbst ist das gelungen, was viele dudelsackgeschwängerte Szenegrößen nicht geschafft haben: den Spagat zwischen traditionellen und modernen Melodien zu meistern. Das gelingt den fünf Spielleuten mit allerlei Sackpfeifen und auch manch extravagantem Instrument wie einer Sitar. Gemeinsam sprechen sie die Sprache der Musik – dass die schweizerdeutschen Texte über fabelhafte Fantasy-Alpenwelten, den Drachen Fuchur und vieles mehr längst nicht jeder versteht, ist zweitrangig. KOENIX arrangieren ihre Songs individuell für sich und ihr Live-Set als Gesamtes überaus stimmig. Lyrisch betrachtet ist der Mond bei „Mondsüchtig“ und „Hinter dem Mond“ ein prägendes Element, im instrumentalen Teil sticht besonders „Perelin“ gegen Ende hervor. Dazwischen bzw. davor tanzt ein guter Teil der Menge auch Walzer zu „Dampfwalzer“. Immer wieder sind es die einzelnen Elemente wie Trommeln, Drehleier oder Schalmeien, die sich in den einzelnen Stücken die Bälle oder vielmehr die Melodien zuspielen und somit die Dynamik auf einem konstant hohen Level halten. Zweifellos versteht jeder der Musiker sein Handwerk und insgesamt agieren sie als eingespielte Einheit, die genau weiß, wie sie ihr Publikum erreicht – ob diese KOENIX bereits kennen oder gerade kennenlernen, macht keinen Unterschied. Dafür ist der Stilmix, in dem sich auch Elemente aus Ska und Folktronica finden, insgesamt zu ansteckend und gut gemacht.

Am Ende des Abends haben alle drei Bands abgeliefert, auf ihre ganz eigene Weise. Und damit genau den Geist des TANZT! wiederbelebt, der im Herbst letzten Jahres an gleicher Stelle gefehlt hat. Vielleicht liegt in der kleineren Backstage Halle mit etwas weniger großen Namen, dafür viel Charme, Unentdecktem und Unbekanntem auch die Zukunft des Festivals, welches damit zu seinen Wurzeln zurückkehren könnte. 

 

 

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert