Festivalbericht: Metal Masters Open Air 2022

17.09.2022 Rehau, Jahnstadion

Der Rockclub Nordbayern e.V. hat bisher vor allem kleine Konzerte im eigenen Vereinsheim in Selb veranstaltet, das METAL MASTERS ist nun das erste Open Air. Mit neun Heavy- und Power-Metal-Bands für mehr als faire 45 Euro wird ein sehr schönes Line-up geboten. Das Jahnstadion in Rehau bietet zudem ausreichend Platz für viele Besucher. Durch die späte Ansetzung Mitte September und das Tief, das aktuell über Deutschland zieht, herrschen mit Regen, Graupel und Temperaturen durchgängig unter zehn Grad leider ungünstige Umstände, die sich in den Besucherzahlen niederschlagen, so dass leider kaum 500 Besucher sich dem Wetter aussetzen wollen.

BLACKSLASH beim Metal Masters Open Air
BLACKSLASH beim Metal Masters Open Air

Nachdem die Rehauer Lokalmatadoren CHAPTER ELEVEN und die Mannheimer OLD MOTHER HELL die Frühangereisten ab 11:30 Uhr mit der ersten Dosis Power und Heavy Metal versorgt haben, legen BLACKSLASH mit Hard-Rock-Schlagseite nach. Mit deutlichen Anleihen an Thin Lizzy und Iron Maiden machen die Schwarzwälder viel Spaß und interagieren gekonnt mit dem kleinen Publikum. Optisch sticht vor allem Sänger Clemens Haas mit Zebrahose und rosa Stirnband heraus, doch auch musikalisch geht es klassisch zu: Songs wie “No Steel No Future” sprechen eine deutliche Sprache. Gerade auch das Spiel mit allen Klischees macht den Auftritt der bestens gelaunten Band zu einer unterhaltsamen, guten Zeit.

VICTORIUS beim Metal Masters Open Air
VICTORIUS beim Metal Masters Open Air

Mit güldenen Rüstungen ziehen VICTORIUS in die Schlacht zwischen Dinosauriern und Ninjas. Auch wenn die Leipziger Science-Fiction-Krieger heute nur eine kleine Armee vor sich versammeln können, geben sie alles und finden mit ihren Over-the-top-Power-Metal-Hymnen viel Anklang. Sogar eine gute Hand voll textsicherer Anhänger hat sich in den ersten Reihen versammelt. Mit großer Spielfreude, viel Gestik und Gepose interagieren VICTORIUS gut mit dem Publikum und ernten dafür viel Applaus und Jubel von ihren “Dinosauriors”. Den Großteil der einstündigen Show belegen Songs des aktuellen Albums “Dinosaur Warfare Pt. 2 – The Great Ninja War”, aber auch der Vorgänger “Space Ninjas From Hell” ist z. B. mit dem großartigen “Evil Wizard WuShu Master” vertreten. Ein großartiger Auftritt! VICTORIUS präsentieren sich überaus sympathisch und können voll und ganz überzeugen.

HAMMER KING beim Metal Masters Open Air
HAMMER KING beim Metal Masters Open Air

Beim Rock Harz hat’s geregnet, beim Summer Breeze hat’s geregnet, beim Metal Masters regnet’s. Mag der Sommer noch so trocken gewesen sein, HAMMER KING haben bei ihren Auftritten immer Scheißwetter erwischt. Die Pfälzer aus St. Tropez haben das Publikum dennoch ab dem Opener “Awaken The Thunder” in der Hand und animieren die Aktiveren vor der Bühne zum Mitsingen und Pommesgabelrecken. In sieben Jahren haben HAMMER KING ganze fünf Alben veröffentlicht und damit massig Material. Die neuen “Kingdemonium”-Songs “Pariah Is My Name”, “King Of Kings” und “Invisible King” fügen sich bestens ein in das einstündige Set aus Songs über Könige und Hämmer. Dabei sorgt nicht nur die schlüpfrige Ansage zu “King Is Rising” für Lacher, auch die weiteren Ansagen von Titan Fox V sind locker, witzig und gut getimt. Rehau ist “Baptized By The Hammer”, die Anwesenden sind Gläubige des HAMMER KING.

WARKINGS beim Metal Masters Open Air
WARKINGS beim Metal Masters Open Air

Mit den WARKINGS betritt die dritte kostümierte Konzeptband in Folge die Bühne. So liebevoll wie beim Auftritt der gefallenen Krieger Spartan, Crusader, Viking und Tribune ist sonst aber nicht dekoriert: Feuerschalen, Schilder, Flaggen und Totenköpfe zieren die Stage der maskierten Männer. Dass die Songs von “Spartacus” über “Hephaistos” bis “Give ’Em War” kinderleicht mitsingbar sind, hilft dem schüchternen Publikum auf die Sprünge: Es wird nicht nur gesungen, sondern viel geklatscht, gehüpft und gejubelt. Zudem feuern die Musiker die Menge ständig an, kein Song vergeht ohne motivierende Interaktion – auch wenn der Aufruf “Now everyone, even the one attending the so-called Scheißhaus back there” bei “Fight” nicht jeden erreichte: “Oh no, he’s taking a shit anyway.” Die Mühen werden aber belohnt und so ernten die WARKINGS viel Zuspruch, der “Sparta”-Singalong geht sogar nach dem Song noch weiter. Mit “Gladiator” und der obligatorischen WARKINGS-Fahne im Publikum endet ein großartiger Auftritt, der viel Spaß macht und viele fröhliche Gesichter zurücklässt.

IRON SAVIOR beim Metal Masters Open Air
IRON SAVIOR beim Metal Masters Open Air

Als Ersatz für die früh vom Billing abgesprungenen Rage beweisen die alten Hasen von IRON SAVIOR schnell, dass sie würdige Vertreter sind. Nicht nur trifft ihr klassischer Heavy Metal voll den Nerv des Publikums, vor allem die lockeren Ansagen machen den Auftritt so sympathisch. Bei den süffisanten Wortgefechten zwischen Frontmann Piet Sielck und Bassist Jan-Sören Eckert wird das Publikum regelmäßig mit eingebunden, darf den Sänger in “hochsensiblen Momenten” bemitleiden oder singt “Zieht dem Peter die Lederjacke aus”, während der sich dieser schwitzend entledigt. Zudem lernen die Anwesenden das teure Wort “abstrahieren” kennen. Auch wenn Sielck beim Uptempo-Kracher “Starlight” plötzlich vergisst, wie sein Solo gespielt wird und verdutzt durch die Gegend schaut und nicht weiterspielt, wird das durch Ansagen wie “Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten”, “Das Lied heißt zwar ‚Starlight‘, ist aber star-schwer” und “Beim nächsten Song ist gar kein Solo dabei, da kann das gar nicht passieren” perfekt verarbeitet. Dass die Band trotz Kälte und Regen Spaß hat und sich über jeden dem Wetter trotzenden Fan freut, nimmt man ihr voll und ganz ab. Nach dem Klassiker “The Arrival” gibt es zum Abschluss noch den Judas-Priest-Evergreen „Breaking The Law“. IRON SAVIOR zeigen heute, dass ihr Song “Heavy Metal Never Dies” gerade an solchen Tagen voll zutrifft.

Mystic Prophecy Logo

Wie IRON SAVIOR sind auch MYSTIC PROPHECY alte Hasen und haben mit elf Alben einen prall gefüllten Rucksack voller Songs dabei, um ihr 80-minütiges Set zu füllen. Sänger R.D. Liapakis steht wie gewohnt mit Sonnenbrille auf der Bühne, diese hat bei der inzwischen eingesetzten Dunkelheit aber maximal stilistische Daseinsberechtigung. Sie passt jedenfalls zum Auftritt, denn die Band und vor allem der Frontmann treten sehr cool auf und ziehen ihre Show ab, als stünde das Zehnfache an Menschen vor der Bühne. Liapakis wärmt sich bei Kälte und Nässe selbst durch viel Bewegung, das Publikum wird zudem ständig mit einbezogen. Ansagen wie “Ihr klingt ja wie Mädchen. Männer, lasst mal einen Urschrei hören”, “Heute sind wir alle feucht” oder abgedroschene Schlachtrufe wie “Zicke zacke zicke zacke” sind manchmal etwas zu platt und prollig, ändern aber nichts daran, dass MYSTIC PROPHECY mit ihrem harten, wuchtigen Power Metal heute der heimliche Headliner des Abends sind. Das Publikum als “Metal Brigade” lässt sich sogar zum einzigen – wenn auch sehr kleinen und gemächlichen – Circle-Pit des Abends hinreißen. 

Das Logo der Band Grave Digger

Der große Headliner des Abends hat erstmal mit Problemen beim Soundcheck zu kämpfen: Die Abstimmung dauert lange, es gibt Probleme beim Auffinden der Intro-Datei. Als es fast 20 Minuten später als geplant mit “Healed By Metal” losgeht, läuft für GRAVE DIGGER – die als einzige Band ihren eigenen Soundtechniker dabei hat – kaum etwas wie geplant. Der Sound ist laut und kratzig, Gitarre und Bass überschlagen sich, der Gesang ist zu leise und teilweise gar nicht zu hören. Frontmann Chris Boltendahl wirkt sichtlich genervt, Schlagzeuger Marcus Kniep diskutiert über mehrere Songs hinweg mit Bassist Jens Becker und schickt Luftküsse an die Technik. Dass beim laut Boltendahl zweiten Konzert in 42 Jahren Bandgeschichte bei unter 10 Grad (das Thermometer ist inzwischen auf 6 Grad gesunken) die wenigen Besucher auch kaum noch Reaktionen zeigen, scheint das Fass zum Überlaufen zu bringen. Boltendahl flüchtet sich in beißenden Sarkasmus und ergänzt die “Dankeschön”-Ansagen nach den Songs mit höhnischem Gelächter. Ansagen wie “Danke Freunde, ihr zwei. Seid ihr im Camper da? Da isses bestimmt warm? Und schöner als in meinem Hotelzimmer.” oder “Ihr seid crazy, einfach irre und unersättlich. Ihr wollt immer mehr, mehr, mehr.” deuten nach einem langen, kalten, verregneten Tag bei einem stillen, vom Wetter gebeutelten Publikum darauf hin, dass die Laune nicht gerade auf dem Höhepunkt ist. Wenn nach der Frage, ob alle schon das neue Album “Symbol Of Eternity” gekauft haben, wieder kaum Reaktionen kommen, verschnupft mit “Oh, da bin ich aber enttäuscht. Naja, egal, wir spielen trotzdem einen Song davon.” reagiert wird, trägt das auch kaum zur Publikumsmotivation bei. Dass neben dem durchweg schlechten Sound auch Boltendahl stimmlich nicht ganz in Topform ist, ist ein zusätzlicher Dämpfer. Als gegen Ende bei “Rebellion” und “Heavy Metal Breakdown” die Jubelrufe etwas lauter werden, kehrt ein ehrliches Lächeln zurück auf die Mienen der Bandmitglieder. Vor allem aber wohl, weil ein für GRAVE DIGGER gebrauchter Tag endlich zu Ende geht.

GRAVE DIGGER beim Metal Masters Open Air
GRAVE DIGGER beim Metal Masters Open Air

Das erste METAL MASTERS OPEN AIR war gut organisiert, abgesehen vom Headliner war der Sound immer top, teilweise sogar etwas zu laut. Bei 3,50 € für einen halben Liter regionales Bier und vernünftigen Essenspreisen kann man sich definitiv nicht beschweren. Dass arg wenige Besucher den Weg nach Rehau gefunden haben, ist deshalb sehr schade – auf dem weiten Fußballfeld des Jahnstadions war nur etwa ein Strafraum vor der Bühne gefüllt. Am liebevollen Heavy-Metal-Line-up mit Underground-Bands, aufstrebenden Truppen und Größen der zweiten Reihe hat es sicher nicht gelegen. Vielmehr wurde der Freiluftveranstaltung das miese September-Wetter zum Verhängnis: Einstelligen Temperaturen über den ganzen Tag mit Dauerregen als Aussicht wollten sich viele Metaller offenbar lieber nicht aussetzen. 

Großer Pluspunkt war die familiäre Atmosphäre: Jeder konnte jede Band von ganz vorne sehen und im Allgemeinen war alles sehr entspannt, freundlich und friedlich. Sogar so friedlich, dass Security wie Sanitäter, Polizei und Feuerwehr immer Zeit hatten, sich gemütlich die Bands anzusehen. VICTORIUS haben sich ausführlich für Fotos und Gespräche am Merchandise-Stand versammelt, HAMMER KING haben sogar bis zum bitteren Ende ihr eigenes Merchandise verkauft – sowas gibt es eben nur bei kleinen Festivals. Hoffentlich lässt sich der Rockclub nicht von der geringen Besucherzahl entmutigen und beschert der Region Oberfranken/Fichtelgebirge weitere Veranstaltungen dieser Art.

Metal Masters Open Air

Publiziert am von

Fotos von: Stefan Popp

2 Kommentare zu “Metal Masters Open Air 2022

  1. Super treffend geschrieben. Bis auf das Wetter und den Sound bei Gravedigger war es ein super Festival. Wir hatten auf jeden Fall sauviel Spaß. Hoffentlich gibt es das wieder.

    1. Danke! Ja, ich hoffe auch, dass es nächstes Jahr in irgendeiner Form wieder stattfindet. Alex Prechtl war vor Grave Digger mit zwei Rockclub-Kollegen auf der Bühne und in einer kurzen Ansprache wurde gesagt, dass sie es nächstes Jahr nochmal versuchen wollen.

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