Konzertbericht: Oathbreaker w/ Wife, Kvltyst

08.12.2016 München, Kranhalle

Mit „Rheia“ haben OATHBREAKER ihr drittes Album vorgelegt und im Vergleich zu den ohnehin schon starken Vorgängern ihr bisher stringentestes und vielseitigstes Werk geschaffen, das vermehrt Einflüsse aus Post-Rock und Post-Black-Metal zeigt, ohne die Hardcorevergangenheit der Band zu verleugnen. Während die Band vor ein paar Jahren noch das kleine Sunny Red bis zum Anschlag gefüllt hat, treten die Belgier im Dezember 2016 in der deutlich größeren Kranhalle auf. Mit im Gepäck sind WIFE, das neue Eletronikprojekt des ehemaligen Altar-Of-Plague-Sängers James Kelly, sowie die lokalen Post-Black-Metal-Recken KVLTYST.

Entgegen der offiziellen Informationen auf der Website des Feierwerks betreten KVLTYST die Bühne schon um 20:30 Uhr statt um 21:00 Uhr. Trotz dieser inzwischen leider immer öfter anzutreffenden Unart ist die Kranhalle dennoch schon gut gefüllt – und das zu Recht. Die Münchner liefern mit gleich drei Gitarristen und weißer Bühnenbeleuchtung eine dichte, atmosphärische Post-Black-Metal-Show irgendwo zwischen Alcest und Der Weg einer Freiheit ab, können aber darüber hinaus auch mit groovigen Parts überzeugen. Dass dafür die ganze Bühne durchgehend stark in Nebel gehüllt werden muss, sodass man die Musiker kaum noch erkennen kann, mag übertrieben wirken, der Musik tut es aber keinen Abbruch. Stimmiger hätte man auf den heutigen Headliner kaum vorbereiten können und so schaffen es KVLTYST auch sichtlich, viele der anwesenden Oathbreaker-Fans für sich zu gewinnen. [SB]

  1. Pulsar
  2. Aurora
  3. Supernova

Nach diesem Post-Black-Metal-Auftakt wird die Bühne in der nun folgenden Umbaupause zugunsten von Mischpulte, Synthesizer und elektronischen Gerätschaften von allen Instrumenten leer geräumt – dass dies eine geschlagene halbe Stunde dauert, liegt wohl am Zeitplan des Abends. Um 21:30 betritt schließlich James Kelly als WIFE die Bühne und sorgt bei den Metalpuristen für Irritation: Der frühere Altar-Of-Plagues-Frontmann hat Black Metal gegen eine elektronische Mischung aus Ambient, Minimal, Shoegaze, Drone, Industrial, Techno und Trap getauscht, die nicht mit Trip-Hop-Elementen geizt. Diese Elemente von seinen Platten setzt WIFE im Livesetting dabei ganz mit Fokus auf die körperliche Erfahrung um: Immer wieder dreht ein heftiger, plötzlich einsetzender Bass die Eingeweide, werden knackige Beats plötzlich abgewürgt und monotone, Kühle Klickgeräusche in die Musik eingestreut. Die Mischung aus tiefen, warmen Bässen und kühlen Trap-Sounds gepaart mit James Kellys verhallter, klarer Singstimme sorgen für einen tranceartigen Zustand, der sich selbst immer wieder bewusst abschneidet und so die körperliche Wirkung der Musik noch verstärkt. Als James Kelly vor dem letzten WIFE-Stück die Ansage „Sorry that I’m not a Metal band“ äußert, bringt er das Dilemma seines faszinierenden Auftritts auf den Punkt: Ein Großteil des Publikums kann mit WIFE wohl wenig anfangen und wandert während der halbstündigen Show entnervt in den Vorraum ab oder ignoriert die Show von vorneherein komplett. Alle vor der Bühne verbliebenen spenden WIFE allerdings begeisterten Applaus. [BL]

Die zwei Lager, die sich während des Wife-Auftritts gebildet hatten, können OATHBREAKER als Headliner schon mit den ersten Tönen ihrer Show wieder erfolgreich zusammenführen: Von Fronterin Caro Tanghe mit dem Gesangs-Intro von „10:56“ gleich mit einem Gänsehaut-Moment eröffnet, ist die Atmosphäre hier von Minute Eins an greifbar: Ruhige, fast zärtliche Momente wechseln sich abrupt mit den eruptiven Black-Metal-Parts, die dem aktuellen Album „Rheia“ seinen einzigartigen Charakter verleihen. Dieses Album bildet auch den Mittelpunkt der heutigen Show: Was in Angesicht der Qualität beider Werke für langjährige Fans der Band auf den ersten Blick vielleicht schade sein mag, entpuppt sich im Verlauf der Show als absolut stimmig – ist das Material des neuen Albums doch einerseits vielseitig genug, das Set abwechslungsreich zu füllen, andererseits in sich natürlich absolut stimmig kombinierbar.

Wie das Publikum, so scheint auch die Band heute gänzlich von ihrer Musik in Bann gezogen: Gerade Fronterin Tanghe wirkt mitunter fast entrückt, wenn sie ihre zarte Stimme aus ihrem wie in Trance bewegten Körper frei lässt, bevor sie – von einer Sekunde auf die nächste all ihre aufgestaute Energie in wilden, eruptiven Schreien herauslässt lässt. Erst mit den letzten beiden Nummern, „No Rest For The Weary“ und „Glipse Of The Unseen“ finden auch die beiden vorangegangenen Alben noch im Set Erwähnung, das so gegen Ende hin eine merkliche Steigerung in Sachen Härte erfährt: Da sich die Nummern gelungen ins Set einfügen, eine willkommene Ergänzung. Wie der Auftritt bis dahin jedoch bereits eindrucksvoll gezeigt hat, ließe sich allerdings auch allein mit dem Material von „Rheia“ eine mitreißende Show bestreiten. [MG]

  1. 10:56
  2. Second Son Of R.
  3. Being Able To Feel Nothing
  4. Immortals
  5. Where I Live
  6. Where I Leave
  7. Needles In Your Skin
  8. No Rest For The Weary
  9. Glimpse Of The Unseen

Mit den vielversprechenden Genre-Newcomern KVLTYST, dem als Kontrapunkt im Abendprogramm zumindest interessanten Auftritt von WIFE sowie einer mitreißenden OATHBREAKER-Show bekommen Fans heute für faire 18 Euro (AK) einiges geboten. Musikalisch über jeden Zweifel erhaben, runden die perfekten Rahmenbedingungen den positiven Eindruck, den der Konzertabend hinterlässt, ab: Glasklarer Sound, eine durchweg atmosphärische Ausleuchtung sowie die sich erst im Verlauf des OATHBREAKER-Auftritts stimmungsvoll verziehenden Reste des vorangegangenen Nebel-Exzesses lassen in Sachen Stimmung und Show heute keinen Wunsch offen. Für Fans wie auch die Bands sicherlich ein Konzertabend der Extraklasse.

Publiziert am von , und Simon Bodesheim

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert