Festivalbericht: Rock Hard Festival 2012

25.05.2012 Gelsenkirchen

Zehn Jahre Rock Hard Festival! So ganz stimmt das zwar nicht, da erst im kommenden Jahr (sprich 2013) der Kreis geschlossen wird, aber die zehnte Ausgabe des Rock Hard Festivals trifft es ganz gut und auf ebendiese wollen wir hier in aller Ausführlichkeit zurückblicken. Der Startschuss fällt wie gewohnt am frühen Freitagmorgen. Auf geht’s zur großen Fahrt in die verbotene Stadt Schwakowiak City oder auch Gelsenkirchen. Mit dem Zug reist man bequem, aber die permanente Umsteigerei, wenn man eigentlich lieber jetzt als gleich da wäre, zerrt an den Nerven. Zudem pfeift in Essen ein dermaßen kalter und starker Wind, dass ich mir ernsthaft Gedanken mache, ob ich die richtigen Klamotten fürs Wochenende eingepackt habe. Wenige Kilometer entfernt im Nordsternpark, dem Mekka für Metalfreunde aus aller Welt an diesem Wochenende, ist davon nichts mehr zu merken.Freitag
Windstill, die Sonne brennt – wer jetzt schon so blöd ist und sich mittenrein setzt, wird diese Entscheidung am Wochenende noch bereuen. Die Zeit bis zum Opener vergeht wie immer wie im Flug. Man trifft alte Bekannte oder auch Unbekannte, die man trotzdem jedes Jahr wiedersieht, trinkt Bier und schlendert durch den Park. Mit noch bester Laune geht’s um 15:00 Uhr dann zeitig vor die Bühne zum Opener.

Gleich zu Beginn lassen die Solinger DEATH FIST nichts anbrennen und geben von der ersten Sekunde an volles Pfund. Als erste Band des Festivals ruhig die Keule auszupacken hat sich mittlerweile als gute Entscheidung erwiesen und so finden DEATHFIST schon zu früher Stunde als eine der wenigen Thrash-Bands an diesem Wochenende den Zuspruch, den sie verdienen. Gitarrist und Kerry-King-Look-Alike Markus bekommt das Grinsen quasi nicht mehr aus dem Gesicht, der Innenraum des Amphitheaters hat ebenfalls großen Spaß, so kann es gerne weiter gehen.

Mir im Vorfeld gänzlich unbekannt, gibt es im Anschluss mit JEX THOTH die geballte Ladung Ausdruckstanz mit allem Pipapo auf der Bühne. Man sollte eigentlich meinen, dass es – wie es ja auch so oft der Fall ist – die ganzen Doom-Kapellen auf dem RHF schwer haben, aber Pustekuchen. Schon zu Beginn des Auftritts ist es rappelvoll im Innenraum und ich bin mir sicher, dass sich nach wenigen Minuten die Reihen lichten werden. Überraschenderweise bleibt es allerdings dabei, es kommen sogar eher noch Leute dazu. Meine Favoriten sind JEX THOTH an diesem Wochenende zwar nicht, aber dafür werden sich noch andere Bands finden.

Was soll das denn bitte werden? Im Vorfeld als die schwedischen Judas Priest gefeiert, gibt es bei RAM leider rein gar nichts Beeindruckendes zu sehen. Die Band geht engagiert zu Werke, das muss man ihnen lassen. Dabei bleibt es dann aber auch: RAM machen ihre Sache solide, werden den Vorschusslorbeeren aber nicht gerecht.

Nachdem KRISIUN leider der zwischendrin kaum zu vermeidenden Nahrungsaufnahme zum Opfer fallen mussten, geht es mit KVELERTAK weiter. Kein Album habe ich in den Monaten davor so oft gehört wie das Debüt der Norweger. Also ab vor die Bühne und abfeiern, was das Zeug hält. Die Band lässt sich dann auch nicht lumpen und bietet definitiv die kraftvollste Vorstellung des gesamten Wochenendes. Da mag man jetzt von einstudierten Gesten und Ähnlichem sprechen, aber was soll man denn sonst bitte machen? Starr auf der Stelle stehen will keiner, Amarth’sches Propeller-Bangen ist auch kein Novum und somit kann man sich sämtliche Vorwürfe schenken.

Die Erwartungen an die Show der legendären TURBONEGRO waren hoch… vielleicht zu hoch, denn zu sehen gibt es hier reichlich wenig. Ein paar Seemannsmützen, so so. Die habe ich als Fünfjähriger bei einer Karnevalsfeier in Mülheim an der Ruhr mit einem Komiker namens Onkel Fipsi auch getragen. Genauso spannend wie besagte Feier gestaltet sich auch der Auftritt von TURBONEGRO. Die Arschrakete des alten Fronters Hank gibt es nicht mehr, dafür ein paar halbgare Kostüme und Musik, die man halt knorke finden muss. Wenn man zweiteres tut, kommt man sicherlich auf seine Kosten, überhaupt keine Frage, aber wenn im Vorfeld davon die Rede war, dass TURBONEGRO die teuerste Band sind, die je beim RHF gespielt haben, und das, obwohl man dem Festival mit der Gage sogar noch entgegengekommen ist, sollte man fairerweise auch zugeben, dass man in Gelsenkirchen für weniger Geld schon viel Besseres gesehen hat.

Samstag
Den Anfang machen heute DR. LIVING DEAD. Die Band hatte ich bereits bei der letzten Evile-Tour zu Gesicht bekommen und wusste was mich erwartet. Eine Affinität zu den Suicidal Tendencies ist natürlich keineswegs von der Hand zu weisen und nein, damit wird man auch keinen Innovationspreis gewinnen. Was ist denn aber bitteschön heutzutage im Metal noch innovativ? Die Jungspunde machen jedenfalls alles richtig, auch wenn man merkt, dass ihnen die große Bühne noch ein wenig fremd ist bzw. sie diese noch nicht recht zu nutzen wissen. Ein Knüppelauftakt nach Maß, so kann es weiter gehen.

Im Vorfeld als exzellente Live Band gepriesen, bin ich auf MOTORJESUS gespannt und werde nicht enttäuscht. Musikalisch für mich belanglos, ist es vor allem Frontmann Christoph Birx, der ohne Unterlass Schwachsinn im Quadrat von sich gibt und damit die Zuschauer sofort auf seiner Seite hat. Von der Flasche Jägermeister aus Muttis Kühlschrank „irgendwann aus den 80ern“, über die Alditüte Bier, die in den ersten Reihen verteilt wird, ist alles dabei. Als dann zum Schluß noch die Menge zu dusseligen Mallorca-Mitsing-Spielchen animiert wird, gröhle ich dem Pegel entsprechend fleißig mit und habe Spaß für 10. Brot und Spiele, mehr braucht es im Endeffekt meistens nicht, wie MOTORJESUS an diesem Wochenende eindrucksvoll unter Beweis stellen. Definitiv einer der Gewinner, wenn nicht sogar der größte des Festivals.

Auch PORTRAIT waren bei der Five-Serpents-Tour mit von der Partie gewesen – und von mir schon damals für gut befunden worden. Zumindest was die Musik betrifft, ist der Gesang doch wahrlich Geschmackssache…. Aber stop. In der Umbaupause wird mir berichtet, dass PORTRAIT wohl doch jetzt wieder mit dem neuen alten Sänger arbeiten würden. Gott sei Dank sollten sich die Aussagen bestätigen, denn kurz nach der Band entert eine mir unbekannte Gestalt die Bühne. Er ist es und alles klingt wieder so wie vom letzten Album. Auch was das Stageacting betrifft, ist alles wieder in Butter. Die ganze Theatralik wie weg geblasen. Mir gefällts und damit hat es sich dann auch schon fast für den heutigen Tag… erweist sich die Entscheidung, bei prallem Sonnenschein von Bier auf Cocktails umzusteigen, doch als nicht eben die Beste.

Nachdem so HELL, UNLEASHED und TANKARD ungesehen an mir vorübergingen, ist es nun höchste Zeit, wieder ausnüchtern, schließlich spielen nach PSYCOTIC WALTZ schon BOLT THROWER und so kann es nicht weiter gehen. Deren Merchstand hat übrigens zur besten Mittagsstunde ohne große Ankündigung im Biergarten seine Pforten geöffnet. Überlaufen wie nichts gutes, hätte man dann zum Preis von 10-12€ pro Shirt/Longsleeve (!!!) das Zeug säckeweise raustragen können. Als ich den Stand bemerke, ist leider schon das Meiste weg, dennoch schaffe ich es, einen modischen Fetzen für 10 Kracher abzugreifen. Fanfreundlicher geht es nimmer. Kommen wir aber nun zu PSYCOTIC WALTZ. Konnte ich der Band bislang wenig abgewinnen, macht sie, auch wenn es Progkapellen beim RHF seit jeher schwer haben, eine gute Figur und erzeugt selbst bei mir als Nichtkenner ein ums andere mal Gänsehaut.

Es ist Headlinerzeit und für viele ohne Frage Zeit für die Band des Wochenendes. Und eigentlich muss man auch nicht viele Worte verlieren. BOLT THROWER kamen und siegten auf ganzer Linie. Gnadenlos wird vom ersten Ton an alles platt gewalzt, auch wenn der Sound gar nicht so ohrenbetäubend laut ist, wie mir vorher erzählt wurde, ein wenig zu basslastig vielleicht, mehr aber auch nicht. Ich muss für meinen Teil leider nach „The Killchain“ die Segel streichen. So schade es auch ist, zu viel Alkohol und ein recht fieser Sonnenbrand fordern ihren Tribut und treiben mich um halb elf ins Zelt.

Sonntag:
Der Morgen gibt Grund zur Hoffnung, der permanenten Sonneneinstrahlung der vergangenen beiden Tage zu entgehen, zeigen sich doch endlich erste Wolken am Himmel. Die sind um kurz vor zwölf wieder verschwunden, dafür befinde ich mich rechtzeitig zum Tagesopener wieder im Amphitheater.

Es ist sicherlich eine der eher undankbaren Aufgaben, die Meute am letzen Festivaltag nochmal als erste Band zu motivieren. ALPHA TIGER lassen sich allerdings nicht zweimal bitten und legen mit enormer Spielfreude los. Die Kostüme sehen zwar albern aus, aber musikalisch liefert die Band ein ordentliches Brett ab, verbreitet Stimmung und hat man Ende mit einem Riot-Cover ein gros der Zuschauer auf ihre Seite gezogen.

Das versuchen die Spanier 77 ebenfalls. Was will man da groß machen? Man beschwert sich darüber, als AC/DC-Klon bezeichnet zu werden, schlägt aber mit allem, was man hat, in diese Kerbe. Vorab muss man festhalten, dass sich 77 an den ganz ganz frühen AC/DC orientieren. Jeder, wirklich jeder Song, den die Band seit „Back in Black“ rausgehauen hat, hat mehr Groove und Feuer unterm Arsch, als das gesamte Set von 77. Bemüth sind die Jungs und auch ein Ausflug mit Gitarre ins Publikum wird unternommen. Alles schön und gut, aber im Endeffekt in der großen Welt der AC/DC-Bands doch zu nichtssagend. Das sind übrigens auch die Ansagen des Frontmanns, der offensichtlich am Verfasser dieser Zeilen ein Beispiel genommen hat und um 13:00 Uhr schon blau ist wie 10 Russen. Kostprobe? „Wir freuen uns, hier seien zu dürfen und wollen unser neues Album promoten!! Dieser Song hier ist vom Vorgänger“ Wtf?

Zur Flucht vor der Sonne zieht es mich vor die Bühne, auf welcher Götz zur Einleitung erwähnt, dass ohne das Label der Band ein Auftritt aufgrund der hohen Kosten gar nicht möglich gewesen wäre. So weit so gut und auch die Tatsache, dass HIGH SPIRITS beim RH-Leser-Poll ganz oben gelandet sind, lassen großes Erwarten. Was kommt sind ein Haufen Männer, die allesamt aussehen mit Schwiegermutters Darling mit weißer Jeans und blauem Shirt im Einheitslook. Die Musik ist dann ebenso handzahm und setzt bis auf „Another Night In The City“ keine nennenswerten Höhepunkte.

Dann ist es endlich so weit. Auf Konserve durchaus vielversprechend, bin ich gespannt, wie sich GRAVEYARD live präsentieren. Man verzichtet auf einen Drumriser, benutzt dafür aber das wohl mächtigste Backdrop aller Bands an diesem Wochenende. So weit, so gut. Weniger gut ist der Umstand, dass es vor der Bühne dermaßen voll wird, dass mir als Zwerg dieser Welt die Sicht auf das Geschehen verwährt bleibt. Auf den Stufen ist es aber auch nicht auszuhalten, also ab in den Schatten. Da sieht man zwar nichts mehr, hört dafür aber alles und alles kann in diesem Sinne auch alles. Obwohl ich mir nach wie vor sicher bin, dass GRAVEYARD in einem kleinen stickigen Club noch besser funktionieren würden, bringen die Jungs die 70er in allen Belangen zurück ins Gelsenkirchener Amphitheater. Zeitweise wird es schon so psychedelisch, dass man aufpassen muss, bei mäßiger Laune nicht in Depressionen zu verfallen. Toller Auftritt, zumindest was die Musik betrifft.

Wenn ich an den Vortagen ungewollt Bands verpasst habe, fälle ich kurzfristig den Entschluss, das bei GIRLSCHOOL bewusst zu erledigen. Den Anfang schaue ich mir noch an, genauer das, was die Band abliefert, bis alle bis auf eine der Damen schon auf der Bühne stehen und die Wartezeit überbrücken müssen. Putzig und damit hat es sich dann auch.

Pünktlich zur nachfolgenden Band finde ich mich wieder im Rund ein: Als nächstes stehen MAGNUM auf dem Programm. Ich erinner mich da gerne an UFO vor einigen Jahren zurück. Belangloser Schmonsens ersten Ranges und nichts anderes erwarte ich im Vorfeld auch von MAGNUM. Immehin wird ein Keyboard auf der Bühne platziert, welches logischerweise kurze Zeit später zum Einsatz kommen wird. Ganz so schlimm wie eingangs befürchtet, wird es dann aber doch nicht, was ganze zwei Gründe hat. Zum einen ist die Rede davon, dass nach MAGNUM die schwedischen Haudegen von Bullet als Überraschung zum RHF-Jubiläum die Bühne rocken werden. Das verleitet mich dazu, den Vorsatz mit dem Alkohol über Bord zu werfen, um wenigstens einmal noch an diesem Wochenende bei einer Band vor der Bühne halbwegs normal abzufeiern. Ein wenig Bier gehört halt dazu und somit profitieren auch MAGNUM davon, die Dank des Biers und des Keyboards von mir dann zeitweise sogar für richtig geil befunden werden.

Tjoa, wer hätte es ahnen können. Nachdem Götz alle Mitarbeiter des RH auf die Bühne gelotst und man sich zurecht die Schultern geklopft hat, lässt man Bobby und Gerre (Tankard) auf die Bühne, um ihren Beitrag zum Thema „10 Jahre RHF“ beizutragen. Die Rede ist natürlich vom eigens zu diesem Anlaß komponierten Stück „Die Zwei von der Tanke“, was nur mit reichlich Alkohol zu ertragen ist. Der fließt zu diesem Zeitpunkt wieder ordentlich und somit bleibt es erträglich, zumal man ohnehin wenig hört. Bis auf Bobbys Schlagzeug und eben Gerres Gesang kommt wenig auf den Rängen an und auch da in eher schlechter Qualität. Sämtliche „lauter“ Forderungen werden nicht berücksichtigt, auch nicht, als danach wie erwartet BULLET loslegen. Passend zum Jubiläums-Thema hat man sich was einfallen lassen und so intonieren die Jungs kurzerhand „Balls To The Wall“ und „You Shock Me All Night Long“. Das macht Spaß, da kommt Freude auf, alles wunderbar, wobei es mir rückblickend doch lieber gewesen wäre, wenn BULLET da mal eben mit 2-3 eigenen Songs die Bude abgerissen hätten. Man kann nicht alles haben und schließlich steht mit der nächsten Band für viele ein echtes Highlight auf dem Programm.

Kiske, Hansen, neue deutsche Superband und was weiß ich nicht alles, hieß es im Vorfeld über UNISONIC. Die beiden Herren stehen dann natürlich tatsächlich auf der Bühne und als Freund alter Helloween-Schinken kommt man im Verlauf des Gigs auch auf seine Kosten. Ich bzw. wir ziehen dann allerdings letztendlich die fällige Abreise vor. W.A.S.P. hätte ich zwar noch gerne gesehen, aber dafür erst am morgigen Nachmittag zu Hause sein oder eben in wenigen Stunden machte die Entscheidung nicht wirklich schwer und so geht es dahin, das Rock Hard Festival 2012.

Fazit:
Was das Festival betrifft, ist alles so wunderbar wie jedes mal. Die Security top und auch sonst hat man das Gefühl, dort als Besucher gut umsorgt zu werden. Was mir vermehrt aufgefallen ist, sind die doch recht zahlreichen negativen Kommentare der Passanten im Nordsternpark. Das habe ich in den letzten Jahren nicht so empfunden, letztendlich aber eine Tatsache, für die man beim Rock Hard als Veranstalter wenig bis nichts kann. Ansonsten präsentiert sich das Rockhard-Festival auch 2012 als sympathsches, familiäres Festival, bei dem Atmosphäre und Musik perfekt zusammenspielen und dem Besucher die Entscheidung, ob er im nächsten Jahr wiederkehren möchte, so quasi abnimmt.

(Marcel Steinberg)

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