Festivalbericht: Tanzt! 2011

12.11.2011 Kufstein, Kulturfabrik

Schandmaul, Subway to Sally, In Extremo? Alles drei etablierte Szenegrößen. Dalriada, Vroudenspil, Folkstone, Des Königs Halunken? Überwiegend hoffnungsvolle Newcomer, die sich hierzulande meist im Dunstkreis der eingangs erwähnten Bands befinden. Auf dem Tanzt! in Kufstein richtete sich 2011 bereits zum fünften Mal der Fokus auf die vielversprechendsten Folkkombos aus verschiedenen Ländern.

Das Prädikat „vielversprechend“ erfüllten bereits die Schweizer DES KÖNIGS HALUNKEN mit ihrer Opener-Show. Zwar traute sich das Publikum erst nach Aufforderung von Sänger Milou Manouche bis ganz nach vorne an den Bühnenrand, doch dann nahm die abgedrehte Märchenrockshow mit Songs wie „Wunschpunsch“ richtig Fahrt auf. Jenen Song rund um das Motto „Bück dich, Fee“ haben inzwischen auch andere Folkkombos wie Feuerschwanz im Programm, doch keiner spielt ihn länger live als die Musiker aus Lenzburg. Vielleicht wäre jener Titel auch ein Kandidat für einen früheren Platz in der Setliste gewesen, denn der rein instrumentale Anfang gestaltete sich etwas zäh.
Im weiteren Verlauf des Auftritts schimmerten bei den Halunken hingegen immer wieder ihre Metal-Hintergründe und -Einflüsse durch, wobei die königlichen Kompositionen aus den beiden Alben „Spieglein, Spieglein“ und „Irrfahrt“ meist zu treibend zum Tanzen und dennoch zu weich zum Headbangen waren. Diese stilistische Gradwanderung kann die Truppe zukünftig noch genauer eingrenzen, um nicht ständig zwischen „zu hart und zu zart“ zu schwanken. Ausgeglichen wurden diese kleinen Ungereimtheiten durch launige Ansagen von und rund um Neidhelm den 69sten, stilecht gekleidet mit Krone und Robe.

01. Eröffnung
02. Kannibalen
03. Köhler
04. Seemannsgarn
05. Wunschpunsch
06. Leierzauber
07. Spielmannsglück
08. Fermeture
09. Ich
10. Tanz

Was 80 enthusiastische, italienische Fans in einer kleinen, gemütlichen Halle anrichten können, zeigte sich im Anschluss bei FOLKSTONE. Bereits 2009 hinterließen die Italiener aus Bergamo einen bleibenden Eindruck in Kufstein: nicht minder beeindruckend war der brachiale Mittelalter-Folkmetal beim 5. Geburtstag des Tanzt!. Von einem klassischen Konzert konnte keine Rede sein: Die Kulturfabrik verwandelte sich vor der Bühne in einen tobenden Hexenkessel – noch bevor der erste Ton erklang. Als die Musiker schließlich alle Anwesenden begrüßt hatten, konnte das heitere Folkschauspiel der härteren Sorte beginnen. Dabei schien es keine große Rolle zu spielen, ob und was FOLKSTONE gerade spielten: Es wurde gefeiert, es wurde miteinander getrunken und es wurde Musik gemacht. Teils sangen und tanzten Fans auf der Bühne mit der Band, teils wurden im Kanon laute Fangesänge angestimmt. In Deutschland in dieser Form beinahe undenkbar, in Österreich hingegen Realität. Dass Melodieinstrumente wie Harfen in diesem Rahmen untergehen, dürfte nur den wenigsten aufgefallen sein. Trotzdem mischten FOLKSTONE mit „Terra Santa“ und „In Taberna“ echte Perlen in ihre Setliste. Sonst war der italienische Folkmetal geprägt von den vier Dudelsäcken und einer beeindruckenden Partystimmung in den ersten Reihen. Nur im hinteren Drittel ließen es einige wenige ruhiger angehen. Gegen Ende fielen alle Grenzen und beim Abschlusssong „Con Passo Pesante“ standen schließlich mehr Leute auf als vor der Bühne. Damit hatte das Tanzt! 2011 seinen heimlichen Headliner bereits zu früher Stunde gefunden.

01. Nebble
02 .Briganti di Montagna
03. Alza il Corno
04. Anime Dannate
05. RE
06. Terra Santa
07. Folk Stone
08. Vortici Scuri
09. Lo Stendardo
10. Brindo
11. In Taberna
12. Con Passo Pesante

Auch bei der fünften Auflage des Tanzt! durften VROUDENSPIL nicht fehlen. Nach Folkstone hatten die Musiker die undankbare Aufgabe, die ausgepowerte Masse in Feierlaune zu halten – doch die Piraten meisterten diese Herausforderung betont musikalisch. Nachdem die Meute toter Narren mit leicht überholtem Bühnenoutfit erst „Kurs aufs Leben“ genommen hatte, hieß es: Willkommen an Bord. War der Auftritt und die Setliste von VROUDENSPIL bei ihrem Haus- und Hoffestival 2010 noch zweigeteilt in das erste und zweite Album, so wirkte die Auswahl der Stücke 2011 wie aus einem Guss. Mit „Spielmannsweise“, „Lebenselixier“ und dem charmanten Rausschmeißer „Ein unwichtiger Bösehold“ spielte die bayerische Folktruppe in ihrer Heimat genau das, was das Publikum hören wollte. Vereinzelt ließen VROUDENSPIL aber auch andere Elemente wie das rein instrumentale „Säbeltanz“ einfließen. Nur die Frage, warum ausgerechnet ein Pirat geküsst werden sollte, konnte Frontmann Ratz von der Planke bei seiner kurzen Einleitung zum entsprechenden Song nicht klar beantworten.
Die Stimmung hielt sich nichtsdestotrotz während des gesamten Auftritts auf einem hohen Niveau, wenngleich weniger ekstatisch und mehr musikalisch angetrieben als zuvor. Nur die kurzzeitige Polonaise im Zuschauerraum erinnerte flüchtig an das Spektakel bei Folkstone.
Passend zum Songtext wanderten wiederum bei „Rum für die Welt“ ein paar Flaschen durch die ersten Reihen, während die Freibeuter bei „Ein unwichtiger Bösehold“ schließlich damit beschäftigt waren, sich gegenseitig den Alkohol zu klauen – ebenfalls gemäß des textlichen Rahmens. So überzeugte die Bühnenshow ebenso wie in den Jahren zuvor und man merkt VROUDENSPIL die wachsende Erfahrung auf Festivals an. Sollte die Mannschaft weitere Jahre ohne Besetzungswechsel überstehen, könnte der Erfolgskurs nicht nur in Kufstein weitergehen.

01. Intro
02. Kurs aufs Leben
03. Willkommen an Bord
04. Wer Wind sät
05. Spielmannsweise
06. Säbeltanz
07. Meute toter Narren
08. Hexenjammer
09. Küss mich
10. Lebenselixier
11. Rum für die Welt
12. Ein unwichtiger Bösehold
13. Sand der Zeit

Bevor DALRIADA und die FAJKUSZ BAND als Headliner beginnen konnten, mussten die Musik erst einmal ihre neun Instrumente stimmen: Szenekenner dürfte das frappierend an Haggard erinnert haben, wenngleich sich die Ungarn auf ca. 45 Minuten beschränkten und anschließend ihren 90-minütigen Auftritt ohne weitere Pausen für Detailarbeit durchzogen. Das Warten lohnte sich für die übrig gebliebenen Fans: Mit einer Mischung aus Folk, Metal und Klassik erinnerten DALRIADA nicht nur beim Soundcheck an Asis Nasseri und Co., hielten in ihren Kompositionen aber ganz eindeutig ihre eigene Note im Vordergrund. Während in der linken Bühnenhälfte die Gitarren und Keyboards krachten, war auf der rechten Seite ausreichend Platz für Geigen und Cello. Die Mitte vereinnahmte wiederum Sängerin Laura Binder mit ihrem starken Organ, die darüber hinaus mehrfach ihre blonde Mähne kreisen ließ. Dazu überraschte sie neben gesungenem Ungarisch mit akzentfreien Ansagen auf Deutsch. Immer wieder forderte sie um weit nach Mitternacht von der verbleibenden Menge, die restlichen Kraftreserven zu mobilisieren. Das Publikum zeigte sich gnädig und moshte noch, was die Mähne hergab. Entsprechend gaben auch DALRIADA alles, was ihre Stimmen und Instrumente hergaben, und bewiesen dadurch, dass sie in ihrer Heimat zurecht als Stars gelten. Ähnlich wie bei Haggard fällt es schwer, bei einem solchen Auftritt echte Highlights zu nennen, da der gesamte Auftritt auf einem hohen Niveau gehalten wurde und das Klangbild nie einen gewissen Rahmen verließ. Innerhalb dieses Rahmens bewegten sich die Musiker aber mit mitreißenden Rhythmen und Arrangements, die ins Ohr gingen.

01. Leszek a hold
02. Laci 1
03. Laci 2
04. Borvitéz
05. Kiniszsi
06. Búcsúzó
07. Zách
08. Hej Virágom
09. Ígéret
10. Hazatérés
11. Leszek a Csillag
12. Tüzhozó
13. Szondi
14. Hajdútánc

Das Tanzt! 2011 feierte sein fünfjähriges Jubiläum mit einem neuen Besucherrekord. Über 350 zahlende Gäste fanden sich in Kufstein ein. Im fünften Jahr standen dabei eindeutig die härteren Mittelalterklänge im Vordergrund. Richtig folkig war es nur anfangs mit Des Königs Halunken und später in Teilbereichen bei Vroudenspil. Dass die härtere Ausrichtung zumindest grundlegend den Kurs für das Tanzt! vorgibt, zeigt bereits die erste Ankündigung für das Jahr 2012: Dann werden am 18. November die Italiener von Furor Gallico dort ansetzen, wo besonders ihre Landsmänner von Folkstone in diesem Jahr aufgehört haben. Selbst wer im Folkmetal nicht seine musikalische Erfüllung sieht, sollte sich diesen Termin vormerken.

Publiziert am von Uschi Joas und

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