Review Alias Eye – A Different Point of You

“Field of Names”, das Debütalbum der jungen Mannheimer Progrock-Band, fand in der einschlägigen Fachpresse ordentlichen Anklang, so war von „gigantischen Aufstiegschancen in der Prog-Szene“ die Rede. Diese möchte ich dem Zweitling „A Different Point of You“ auch zugestehen, denn hinter dem interessanten Coverartwork verbirgt sich ein durchaus gelungenes Album, das allerdings wirklich nur eingefleischten Prog-Enthusiasten zusagen dürfte.
Das Quintett tischt nämlich sanften, vielfältig instrumentierten Artrock im Stil des Spock’s Beard-Debütalbums oder der Flower Kings auf, und den schwedischen Prog-Hippies ähneln Alias Eye gleich in mehreren Eigenschaften: zum einen stehen auch in den neun, zwischen drei und siebeneinhalb Minuten Länge angesiedelten Kompositionen auf „A Different Point of You“ nicht unbedingt ständig die Gitarre im Vordergrund, zum anderen werden auch gelegentlich rockfremde Genres wie Edelpop, Jazz oder Soul gestreift. Schlussendlich sind die Gesanglinien ähnlich federleicht gelagert wie bei den Blumenkönigen, wobei mir die elegante, angenehme Stimme des Alias Eye-Frontmanns Philip Griffiths wesentlich besser gefällt als Roine Stolts unsägliches Nuschelorgan.
Auch Griffiths´ instrumentale Hintermannschaft ist durch die Bank tadellos und sehr Jazz-inspiriert, wobei besonders Keyboarder Vytas Lemke mit einigen sehr innovativen Klängen hervorsticht. Das soweit einzige Problem liegt, wie bei nicht wenigen Nachwuchs-Prog-Bands, im Songwriting: so sind trotz zahlreicher stilistischer Schlenker und beeindruckender Soli kaum zwingende Überraschungsmomente und melodische Widerhaken auszumachen, auch die Refrains weisen nicht den Wiedererkennungswert auf, den man sich gerade in diesem Genre wünscht. Kurz gesagt plätschert trotz guter Leistungen der Musiker einiges leider ziemlich spurlos an einem vorbei.

Der Opener „A Clown´s Tale” geriet bei originellem musikalischem Gewand (inkl. orientalischer Keyboardklänge und Melodien) etwas kontrastarm und behäbig und ist mit seinen sieben Minuten Dauer außerdem ein wenig zu lang. Nicht gerade ein idealer Einstieg. „Fake the Right“ ist da doch erheblich besser, ein bluesig-grooviger Rocker mit voluminösen Blechbläsern, der schon sehr an die gitarrenorientierteren Stücke der Flower Kings erinnert. Auch „Your Other Way“ weiß mit seinen beschwingten Melodien zu gefallen und weist außerdem mit einem Akkordeon ein alles andere als alltägliches Instrument auf.
„Icarus Unworded“ ist eine sanfte, irgendwo soulige Ballade, die vom Klavier getragen wird, während „The Usual Routine“ überaus jazzig klingt (erinnert instrumental teilweise an eine zivilisiertere Ausgabe der späten Sieges Even), mit einer ganz stilechten Mittelsektion. Das kurze Stück „Drifting“ ist erneut sehr balladesk, baut aber diesmal auf Akustikgitarre und Streichern auf; klar im Mittelpunkt steht hier jedoch Sänger Philip Griffiths.
Das letzte Drittel des Albums beginnt mit zwei etwas längeren Tracks: „On the Fringe“ entpuppt sich als ein weiterer Groove-Rocker, dieses Mal mit leicht funkigem Rhythmus und klassischem Mittelteil. Das große Finale des Albums stellt der Siebeneinhalbminüter „The Great Open“ dar, der nach bombastischem Beginn mit ordentlichen Rockriffs und einem richtig guten Gitarrensolo überrascht. Für mich klar das beste Stück des Albums, da es etwas dramatischer und nicht ganz so milde klingt wie die übrigen Songs. Als eine Art Bonustrack beschließt mit „Too much Toulouse“ (offensichtlich haben die Herren eine Vorliebe für Wortspiele…) eine lupenreine Swing Jazz-Nummer mit allem, was dazugehört (Piano, bedächtige Percussions, selbst ein Kontrabass wurde implementiert), das Album.

Fazit: „A Different Point of You“ bietet soften Prog-Rock mit überdeutlichem Jazz-Toch, der handwerklich nichts zu wünschen übrig lässt, aber leider auch keine besondere Tiefenwirkung entfaltet. Einige Stücke hätten ruhig etwas rockiger, à la „Fake the Right“ ausfallen dürfen, um das Album etwas zu entzerren, so, wie es ist, will der Funke bei mir nicht so recht überspringen.

Wertung: 7 / 10

Geschrieben am 5. April 2013 von Metal1.info

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