Review Alias Eye – In-Between

Nischenmusik ist selten erfolgreich – das beweisen die deutschen Artrocker ALIAS EYE wie kaum eine andere Band. Ihr überaus eloquenter und intelligenter Mix aus Melodic Rock, Prog, Jazz und Pop kommt ungemein kreativ, vielseitig und unterhaltsam daher – letztendlich setzen die fünf Herren sich aber zu sehr zwischen die Stühle, um eine größere Zahl Fans in diesen Genres rekrutieren zu können. Als wüssten sie das selbst, hört ihr viertes Studioalbum auf den Namen „In-Between“.

Nach dem neoproggigen Debüt „A Field Of Names“ (2001), dem experimentierfreudigen „A Different Point Of You“ (2003) und dem eher gradlinigen „In-Focus“ (2007) klingt das neue Werk wie eine Art Best-Of-Programm der bisherigen Bandgeschichte. Hier kommen, gebündelt in 47 Minuten, alle wichtigen Zutaten der Band zusammen. Der Opener „Arabesque“ setzt nach einem ruhigen, nur von Piano und Gesang getragenen Intro die Messlatte für die nachfolgenden Tracks sehr hoch. Hier machen Sänger Philip Griffiths und seine Mannen genau das, was sie am besten können: Epischen, symphonisch getränkten Melodic-Rock mit dem gewissen Etwas und tollen Melodien. Sehr schön ist hier vor allem die Integration des Saxophons im Mittelteil gelungen. Sicher einer der besten Songs, die ALIAS EYE je aufgenommen haben. Das nachfolgende „Break What We Know“ ist dann einfacher gestrickt und – zumindest im Refrain – deutlich gitarrenlastiger, ehe das Titelstück „In-Between“ uns in Pop-Gefilde führt und durch die verwendeten Bläser einen deutlichen Swing-Anstrich bekommt; man beachte auch das wirklich sehr organisch eingebundene Jazz-Pianosolo!

Der nächste Track, „Time Machine“, ist keine Eigenkomposition, sondern ein Cover von Beggar’s Opera, einer 70er-Progband, in der Philip Griffiths Vater Martin Griffiths Sänger war. Es versteht sich von selbst, dass Vater und Sohn hier zusammen singen. Und wenn ich nun genau jenes „Time Machine“ als zweites absolutes Highlight hervorhebe, dann ist das der Band gegenüber zwar nicht besonders nett, letztendlich aber nur ein Beweis für das anfangs geschilderte Problem: Es ist neben „Arabesque“ einer der wenigen Songs, die den Progfan in mir so richtig glücklich machen – womit ich die Qualität der restlichen Nummern allerdings nicht schmälern möchte. Letztendlich wird jeder Freund anspruchsvoller (Rock-)Musik auf „In-Between“ andere Highlights für sich finden, aber wohl kaum das ganze Album abfeiern; zumindest dürfte die Zahl jener, die alle zehn Tracks lieben, wohl recht klein sein.

Das zweite, vielleicht sogar noch schwerwiegendere Problem: Die Musik von ALIAS EYE war immer schon perfekt – so perfekt, dass sie beinahe steif und klinisch anmutet. Das zieht sich von der glasklaren, aber nicht gerade erdigen Produktion über die zwar vielseitige, aber meist wenig organische Rhythmusfraktion bis hin zum technisch (zu) perfekten Gesang von Philip Griffiths, der bei epischen Balladen wie „Stars Shall Fall“ viel authentischer rüberkommt als bei Rockern wie etwa „All The Rage“. Hier versuchen die fünf Herren mit Rap-ähnlichen Vocals und elektronischen Beats Modernität auszustrahlen, letztendlich klingt es aber nur wie ein halbherziger, leider gescheiterter Versuch. Das passt einfach nicht zu ALIAS EYE. Mit „Take What’s Mine“ und „Blink Of An Eye“ folgenden im späteren Verlauf aber noch zwei weitere starke Nummern, wobei erstere mehr als einmal an die kanadischen Melodic-Progger Saga erinnert.

Fazit: Kompositorisch hervorragend, stilistisch breit gefächert – objektiv gesehen gehören ALIAS EYE zur Sperrspitze der deutschen Rockmusik. Hört einfach rein und schaut, ob die vielen Einflüsse, die die Band hier verarbeitet, euch letztendlich Spaß machen. Freunde der Band sollten auf jeden Fall zugreifen. Im bandeigenen Katalog lässt das Album auf jeden Fall den direkten Vorgänger „In Focus“ locker hinter sich.

Wertung: 8.5 / 10

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