Dass es eines Tages ein Musik-Genre geben würde, in dem gefühlt jede zweite Band ohne direkten inhaltlichen Bezug ihre Namen seiner Schöpfung entnehmen würde, hätte sich Tolkien wohl auch nicht träumen lassen – und doch hat man bisweilen genau dieses Gefühl, hat man mit den Franzosen ANGMAR doch ein weiteres Mal eine Formation mit Mittelerde-Bezug im Namen im CD-Player.
Ansonsten hat das Schaffen der Formation jedoch weder inhaltlich noch musikalisch irgendetwas mit jener Phantasiewelt zu tun – statt dessen bekommt der geneigte Hörer auf deren zweiten Studioalbum atmosphärisch sehr dicht gepackten, düsteren Black Metal geboten. Los geht es mit dem zwölfminütigen Titeltrack, dessen einzige Schwäche eigentlich in einem reichlich sinnlosen Fade-Out-Fade-In-Spielchen besteht – ansonsten weiß die stimmungsvoll arrangierte Mischung aus Suicidal Black Metal-Riffs a la Austere und Konsorten, gepaart mit netten Clean-Gitarren-Passagen bereits hier wie auch im Folgenden durchaus zu gefallen.
Dass ANGMAR sich auf ihr Fach verstehen, ist zwar bereits den ersten beiden Liedern anzumerken – seinen absoluten Höhepunkt erreicht „Zurück in die Unterwelt“ jedoch erst beim zwanzigminütigen Mittelpunkt und Herzstück des Albums, das alle Stärken der Band in sich vereint und so ein so abwechslungsreiches wie mitreißendes Stück Musik abgibt: Gleich mehrfach wird der Hörer, der das Ende des Songs erwartet, nach einem ruhigen Part durch ein erneutes Aufleben des Stückes in ein energiegeladenes Riff überrascht, ohne, dass der Song dabei künstlich in die Länge gezogen wirken würde – sehr gelungen!
Gleiches gilt auch für den Sound der CD, profitiert „Zurück in die Unterwelt“ doch enorm von der einerseits sehr differenzierten, andererseits perfekt miteinander harmonierenden Abmischung der einzelnen Instrumente: Es gibt keine besonders in den Mittelpunkt gemischte Spur, vielmehr bilden alle Bestandteile als Ganzes ein sehr homogenes Klangbild, so dass die Songs sehr kompakt und in sich geschlossen aus den Boxen schallen – fast wie aus dem Lehrbuch, könnte man sagen.
„Zurück in die Unterwelt“ ist sicherlich kein Album für alle Stunden des Lebens und der ein oder andere mag sich vielleicht auch an der bisweilen an Sturheit grenzende Wiederholung bestimmter Riff-Sequenzen stören. Ich hingegen sehe in der angewandten Monotonie hier (wie bei vielen Genrekollegen) ein gewollt eingesetztes Stilmittel, wird doch auch gerade hierdurch auf denjenigen, der bereit ist, sich darauf einzulassen, eine fast schon beschwörende, hypnotisierende Wirkung entfacht.
Dass „Zurück in die Unterwelt“ von mir trotz bisher fehlender Kritik nicht die Höchstpunktzahl erhält, begründet sich lediglich darin, dass ich bei allem bereits angebrachten Lob und wahrlich hohem Niveau durchaus dennoch noch Raum nach oben sehe: Auf die Gesamtspielzeit von über 50 Minuten gesehen dürfte es das nächste Mal als Sahnehäubchen noch ein, zwei markante Stellen mehr geben, das ein oder andere Riff könnte eventuell noch einen Tick mitreißener gestaltet werden oder der ein oder andere Übergang eleganter gelöst werden; dann jedoch sehe wahrlich keinen Grund mehr, ANGMAR die jetzt noch fehlenden Punkte zu verwehren…
Wertung: 8.5 / 10