Review Ankor – My Own Angel

Habt ihr euch schon mal gefühlt, als befändet ihr euch in einer riesigen Zuckerwattemaschine inmitten eines quietschbunten Volksfestes, mit lustigen Fahrgeschäften und voller bunt angezogener Besucher, die versuchen grimmig zu gucken und dabei naiv-niedlich wirken? Vielleicht schon, wenn ihr euch auch mal in Asien umhört oder diversem Pop-Kitsch aus den Charts über den Weg gelaufen seid. Wenn nicht, könnten euch ANKOR auf eine harte Probe stellen! Ich hätts ja selber nicht gedacht und ich gebs zu: Purer Zucker kann sich so schön und kuschlig und richtig anfühlen!

Die fünf Herren und ihre Dame kommen aus Spanien zu uns, das verspricht ja eh schon mal einen exotischen Sound. Ganz neu ist ANKOR auch nicht mehr, 2003 haben sie sich gegründet und nach einer spanischsprachigen Veröffentlichung steht nun das erste Album für den gesamteuropäischen Markt an. Ihren melodischen Metal mit teilweise ziemlich hoch gestimmten Gitarren garnieren ANKOR mit diversen Metalcore-Elementen, angefangen von typischen Melodien bis hin zu typischen Shouts. Exzessiv genutzt wird als Instrument auch das Keyboard, und das agiert nicht nur unterstützend, sondern drängt sich teilweise ganz schön in den Vordergrund. Ich kann nicht wirklich beschreiben, wie die Keys klingen, aber „japanisch“ trifft es wohl am besten. Die Atmosphäre machts dann aber erst aus, denn die ist unerhört poppig und stets fröhlich. Daran ist vor allem auch Sängerin Rosa de la Cruz (wie kann man NOCH spanischer heißen?) schuld, die mit ihrem klaren, halbhohen Gesang dem Ohr fast schon auf verbotene Weise schmeichelt und auch in nahezu jeder kommerziellen Gruppe mit Frauengesang beste Chancen hätte.Der Opener „Remaining“ zeigt schon gut, in welche Richtung das alles geht und vereint direkt alle erwähnten Bandeigenschaften zu einem tollen Pop-Metal-Song und macht wahnsinnig viel Spaß. Eine Art unfreiwillig komischen Running Gag gibt es hier auch: Der Shouter kann nämlich absolut nicht shouten und keift sich durchs gesamte Album mit mäßigem Erfolg. Dafür, dass er es einfach immer wieder versucht und nicht aufgibt, erntete er von mir bereits einige Male ein freudiges Schmunzeln. Das verdient einen Trash-Bonus!

Zu „Remaining“ kann ich auch dringend das Betrachten des offiziellen Videoclips ans Herz legen. Die Band posiert mit größter Freude, Rosa de la Cruz flirtet unentwegt mit der Kamera (und ja, da lässt man sich auch gern anflirten), der Keyboarder präsentiert sich mit seiner Coolness als spanischer Atze (Javier Casanova!!!) und wenn sich der Gitarrist mit den Shouts abmüht, ist es einfach ein Anblick für die Götter. Nicht zu vergessen sind hier mehrere gefühlt fünf Meter hohe Sprünge eines Saitenakkrobaten inklusive wütendem Kick in der Luft. Großartig!
Noch besser gefällt mir „Completely Frozen“, das voller Energie nach vorne rockt und damit mein Anspieltipp des Albums ist. „It Would Be Easier“ dagegen hat beinahe einen J-Pop-tauglichen Refrain und „No Matter What“ schwingt die Fröhlichkeitskeule dermaßen hart und präzise, das man sich mit dem Ausweichen echt Mühe geben muss. Sogar eine Ballade wie der Titeltrack wirkt trotz aller Zerbrechlichkeit und Unschuld positiv und gut gelaunt.

„Warum trägst du dieses dämliche Metalkostüm?“, könnte man nun anlehnend an den vielleicht berühmtesten Filmhasen der aktuellen Zeit fragen. „Na, weils Spaß macht!“, kann die Antwort eigentlich nur lauten, zumindest mir nämlich bereitet „My Own Angel“ unglaublich viel Spaß und Freude, auch, wenn das auf diese Art und Weise vielleicht nicht beabsichtigt war. Poppiger, melodischer, exotischer Metal mit klebrig-süßem Hörgefühl – ja, hier passt das einfach alles zusammen! Ich würde mich sogar noch mehr Exotik (vielleicht eine Rückkehr zur spanischen Sprache) oder mehr Verrücktheiten im Sound wünschen.
ANKOR ist für den gemeinen Metaller vielleicht eher ein schwieriges Pflaster, bei offenherzigen Hörern ohne Kitsch-Warnsystem könnten sie allerdings offene Türen einrennen. Und auf eine große Ladung Zuckerwatte hat doch jeder einmal Lust.

Wertung: 8 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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