Mai 2024

Review Dååth – The Deceivers

Album um Album zu schreiben und dabei ein ums andere Mal die Qualität aufrechtzuerhalten, ist eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. Nochmal auf einem anderen Level herausfordernd ist es aber wohl, eine Band nach 13 Jahren Pause zu reformieren und dort stimmig anzuknüpfen, wo diese ehedem aufgehört hatte. Eyal Levi hat sich mit DÅÅTH dieser Aufgabe gestellt: Gemeinsam mit Sänger Sean Zatorsky und durchaus bemerkenswertem neuem Personal hat er ein fünftes Album dieser längst beendet geglaubten Ausnahmeband geschrieben.

„The Deceivers“ heißt das Werk – und wenn man über das Album eines direkt vorneweg sagen darf: Die neuen DÅÅTH können mit dem Titel (etwa: „Die Betrüger“) nicht gemeint sein. Denn „The Deceivers“ klingt nicht nur nach DÅÅTH, wie man sie kannte, sondern vielmehr endlich so, wie sie wohl schon immer gemeint waren.

Das liegt zum einen am bereits angesprochenen Personal: Mit Krimh (Septicflesh) hat sich Eyal Levi einen der versiertesten Schlagzeuger seiner Generation in die Band geholt: Der 35-jährige Österreicher begeistert an jedem Wirkungsort – ob bei Septicflesh, live mit Harakiri For The Sky oder ehedem bei Decapitated – mit beeindruckender Technik und gewitztem Spiel. Bei den weit progressiveren DÅÅTH (der Name leitet sich im Übrigen vom hebräischen Wort „da’at“ für „Erkenntnis“, nicht etwa vom englischen „death“ ab) kann er die ganze Bandbreite seines Könnens zeigen. Und das nicht nur in Sachen Drumming, sondern auch kompositorisch (mehr dazu im Interview).

Damit ist Krimhs Rolle auf „The Deceivers“ aber noch nicht erfüllt – denn er war es, der seinen Landsmann Rafael Trujillo als Gitarrist vorschlug. Auch Trujillo ist ein Ausnahmetalent: Am Konservatorium in Amsterdam studiert er Jazz, im Metal waren seine Fertigkeiten zwischen 2015 und 2020 bei den Tech-Deathern Obscura zu bestaunen, deren Album „Diluvium“ er maßgeblich mitgestaltet hat; seit 2020 spielt er mit Linus Klausenitzer und Sebastian Lanser bei Obsidious. Dave Marvuglio, seines Zeichens Professor am Berklee College of Music, am Bass und Jesse Zuretti, der unter anderem zu „Halo“ von Amorphis die Keyboards und Orchestrierungen beigetragen hat, als Zuständiger für Keyboards und Orchestrierung komplettieren das Line-up. Mit anderen Worten: In technischer Hinsicht könnten DÅÅTH 2023 nicht besser aufgestellt sein – und von den Gastgitarristen (siehe Besetzung) wollen wir hier gar nicht erst anfangen.

So klingt „The Deceivers“ wie der feuchte Traum eines jeden Skill-Nerds. Egal auf welches Instrument man sich hier fokussiert: Spielerisch ist dieses Werk über jeden Zweifel erhaben und schon deswegen eine klare Empfehlung. Das eigentlich Faszinierende ist jedoch, dass „The Deceivers“ dabei eben nicht bloß „nerdy“ klingt: Denn so technisch und anspruchsvoll die Umsetzung auch sein mag – alle Elemente sind songdienlich eingesetzt, und wenngleich es in nahezu jedem Takt etwas zu entdecken gibt, überzeugen DÅÅTH auch mit den Basics eines guten Metal-Albums: fetten Riffs, eingängigen Melodien und energiegeladenem Gesang. Bereits der fulminante Opener „No Rest No End“ geht dank toller Leadmelodien bei aller Frickelei direkt ins Ohr. Das etwas bedächtigere „Hex Unending“ weckt Assoziationen zu Dimmu Borgir oder Septicflesh, „Deserving Of The Grave“ könnte passagenweise von Arcturus stammen, während „Ascension“ ein Orbit-Culture-Cover eines Hits von Children Of Bodom sein könnte und in „The Silent Foray“ thrashige Lamb-of-God-Vibes mitschwingen. Die Orchestrierung und der damit einhergehende epische Pathos, kombiniert mit hartem Riffing, lässt wiederum an Bands wie Lorna Shore denken – und ist, ganz nebenbei, die entscheidende Weiterentwicklung im Sound von DÅÅTH.

Denn ansonsten – und damit ist auch das dritte große Kriterium für ein gelungenes Comeback erfüllt – klingt „The Deceivers“ gerade seiner fast grotesken stilistischen Vielfalt wegen zu 100 Prozent nach DÅÅTH. Dabei hilft natürlich, dass Sänger Sean Zatorsky der Band erhalten geblieben ist. Vor allem aber muss man der neu formierten Truppe bemerkenswertes Gespür dafür attestieren, an welchen Schrauben man drehen kann und an welchen nicht, um den charakteristischen Stil der Band zwar weiterzuentwickeln, den Anschluss an das bisherige Werk jedoch nicht zu verlieren.

In Anbetracht der Qualität dieses Albums kann man DÅÅTH nur zu einer erfolgreichen Reanimation gratulieren: Nach ihrem 13-jährigen Dornröschenschlaf knüpfen DÅÅTH trotz neuer Besetzung nicht nur absolut glaubhaft dort an, wo sie 2010 aufgehört haben. Vielmehr haben sie mit der opulenten Orchestrierung, noch virtuoserem Spiel und noch ausgefeilterem Songwriting mehr zu bieten denn je. Spannend wird, ob das – wenn auch sehr sorgfältig – aus der ganzen Welt zusammengecastete Line-up Bestand hat. Wenn die involvierten Musiker DÅÅTH über den Atlantik hinweg und aller anderen Tätigkeitsfelder zum Trotz aktiv halten können, hat diese Band das Potenzial, die Tech-Death-Szene nochmal so richtig aufzumischen. Aber selbst wenn nicht, hat Bandkopf Eyal Levi zumindest mit diesem Album alles richtig gemacht.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert