Dampf The Arrival Coverartwork

Review Dampf – The Arrival

DAMPF – ein ungewöhnlicher Name für ein ungewöhnliches Projekt. Ins Leben gerufen wurde es von Martin Erikson, besser bekannt als „E-Type“. Unter seinem Künstlernamen produziert er Dance-Musik, in den frühen 90ern feierte er mit dem Eurodance-Album „Made In Sweden“ seinen Durchbruch. Unter anderem schrieb er auch die offizielle Hymne der Fußball-Europameisterschaft 2000 und nahm mit „Paradise“ 2004 am Eurovision Song Contest teil. Ja, und was sucht der Typ jetzt hier? Vor seiner Dance-Karriere hat Erikson das Schlagzeug bei den Thrashern Hexenhaus geprügelt und wendet sich mit DAMPF nun wieder metallischen Klängen zu. Dazu hat er sich einige illustre Gäste ins Boot geholt, unter anderem den ehemaligen Bathory-Bassisten Fredrik Melander sowie die Gitarristen Pontus Norgren (Hammerfall) und Tommy Johansson (Sabaton), auch Amon-Amarth-Frontmann Johann Hegg gibt sich die Ehre.

Der Opener „Winterland“ gibt grob die Richtung der Scheibe vor: Stampfende Beats, einfache Rhythmen zwischen modernem Heavy und Industrial Metal und dazu eine dunkel-verträumte Atmosphäre dominieren „The Arrival“. Das selbsternannte Ziel, mit DAMPF etwas Neues und Unvergleichliches zu schaffen, ist gar nicht mal so weit hergeholt – diese gleichermaßen stumpf und geschmeidig vor sich hin stampfenden Songs sind erstmal nur schwer mit anderen Bands vergleichbar. Glasklar ist von Anfang an aber auch, dass reine Traditionalisten hier komplett raus sind. DAMPF schert sich nichts um Konventionen, Vorbilder oder Genregrenzen.

Mit den ersten beiden Singles gelang DAMPF auch gleich ein guter Einblick in das Album: „The Other Side“ beginnt mit einem feinen Gitarrenlead und packt irgendwo zwischen Prong, Die Krupps und The Vision Bleak einen hypnotisierenden Takt aus, der von den Strophen bis über die anschmiegsamen, poppigen Refrains stur durchgezogen wird. „Who Am I?“ überzeugt mit seinem sanften, dunklen Refrain und einem Anflug von Gruselstimmung im Industrialgewand. Mit „Spread Your Wings O’ver Me“ mischen DAMPF plötzlich Death und Melodic Metal ins Genrepotpourri, hier funktioniert das Zusammenspiel zwischen lieblichem Klar- und Growlgesang ganz wunderbar.

Dass den Dance niemand aus dem Erikson herausbekommt, zeigt sich auf dem DAMPF-Debüt „The Arrival“ von Anfang an. Die Gitarren sind nicht durchgehend die instrumentalen Hauptdarsteller, oft dominieren Synthesizerklänge und die stets vorhandenen hämmernden Beats die Szenerie. Das kommt spätestens bei „Twilight Eyes“ so richtig zum Vorschein, wenn mit weiblichen und männlichen Klargesang sowie Growls ein Blümchenwiesen-Refrain geschmettert wird, der in den 90ern locker mit den poppigen Eurodance-Schlagern mithalten hätte können. Das ist allen voran seltsam und auf abschreckende Weise Mist, gleichermaßen aber auch irgendwie geil und spaßig. Das mit mäßigem Deutsch vorgetragene „Steinhaufen“ mit nicht zu leugnenden Rammstein-Anleihen und der Power-Metal-Kracher „From The E-ternity“ mit Johann-Hegg-Growls machen ebenso einfach Spaß – wenn man sich darauf einlassen kann und möchte.

Sind DAMPF so schlecht, dass sie schon wieder gut sind? Ist „The Arrival“ ein innovatives, einzigartiges, mutiges Modern-Metal-Album ohne Grenzen oder schlicht ein Haufen Müll? Martin Erikson konnte seine eigene Vision eines unvergleichlichen Metal-Albums jedenfalls ohne Zwänge und Beschränkungen umsetzen, das merkt man der Scheibe zweifellos an. DAMPF kann man weder empfehlen, noch davon abraten, zu vielseitig und eigenartig ist die Musik. Etwas Neues und schwer Vergleichbares zu erschaffen ist anno 2022 jedenfalls keine leichte Aufgabe, allein deswegen besteht für DAMPF eine ganz klare Reinhörempfehlung für offene und schmerzfreie Hörerinnen und Hörer.

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Wertung: 7 / 10

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4 Kommentare zu “Dampf – The Arrival

  1. Gute Review, hat mich auf das Album aufmerksam gemacht, danke dafür. Ich finds auch tatsächlich interessant und ich seh die Einflüsse aus anderen Richtigen nicht nur unkritisch sondern halte diese für eine willkommene Abwechslung. Die Zeit, in der ich so auf Metal versteift war und alles andere abgelehnt hatte, das war meine Teenagerzeit. Heute bin ich offen für alles. Neben nach wie vor viel Metal sind auch mal 90er-Eurodance, 80er-Discomusik oder noch viel abstrakteres Zeugs dabei. Warum auch nicht, wenns gut klingt? Daher find ichs hier echt cool, wie Verschiedenes, scheinbar Gegensätzliches zu einer (weitgehend) homogenen Masse gemischt worden ist. Es ist ein wirklich gutes und spaßiges Album geworden, welches ich noch öfter hören werde. Die Verrisse an anderen Stellen kann ich auch nicht wirklich nachvollziehen, vor allem weil andere Bands, die gewisse „unpassende“ Klänge in ihrer Musik vermischen, durchaus gefeiert werden (Rammstein hatte immer Elektronik dabei, Ghost machen gar Schlager mit E-Gitarren und es gibt noch viel mehr Beispiele). Hier wars ein wenig experimenteller aber trotzdem noch weitgehend metallisch und weit weg von avantgardistischen Zeugs, das gefühlt eher gefeiert wird, weil anders. Klar, alles Geschmackssache, aber bei einigen anderen Reviews weiß ich nicht, ob da einfach verrissen wurde des Verrisses wegen. Seis drum, das Album wird sicher dem ein oder anderen Hörer zu gefallen wissen und ich gehöre da definitiv dazu!

    1. Danke für deine Worte und deinen Kommentar. Deine Vergleiche mit anderen Bands mit genrefremden Einflüssen, die durchweg gefeiert werden, ist gar nicht so unpassend. Und im Endeffekt verstehe ich nie, warum man sich als Hörer da selbst beschränkt – „Warum auch nicht, wenns gut klingt?“ ist auch die einzig vernünftige Einstellung dazu.

  2. Danke für den Tipp. Mir gefällt das richtig gut. Das hier ist tatsächlich auch eine der wohlwollendsten Reviews, zumeist wird das Ding ganz schön verrissen (z. B. Metal Hammer) ob des musikalischen Spagats.

    Derweil verstehe ich einfach nicht, warum gerade die Musikrichtung (Metal), die alles inkorporieren kann und von einem Willen zum Ausdruck gebracht wird, der in den wenigsten Fällen monetäre Sehnsüchte zu stillen vermag, also nur von einem individuellen Ausdrucks-Druck motiviert sein kann, ständig Kritik entlang von Schubläden äußert oder Schwierigkeiten hat, wenn etwas neue Wege beschreitet, insbesondere mit Anti-Richtungen wie Pop oder Dance usw. oder weg von einer ursprünglichen Ausrichtung, z. B. In Flames.
    Vielleicht ist der Metaler ja mehr als viele andere auf der Suche nach seiner eigenen Individualität (persönliche Playlist, Kutte usw.) und es geht eher um seine Selbstdefinition als um die der Musik. Vielleicht muss ja er sich abgrenzen! Das wäre doch mal eine Frage für eine Kolumne, wertes Metal1-Info-Team.
    Danke für eure zumeist feinsinnigen und gehaltvollen Interviews und Reviews.

    1. Hallo Fenrir, danke für deinen Kommentar. Freut mich, dass dir die Review und auch das Album und vor allem unsere Arbeit im Allgemeinen gefällt. Ich finde es teilweise echt erschreckend, wie offene und zwanglose Musik wie Dampf teilweise zerrissen wird, einfach weil sie anders ist und viele nichtmetallische Einflüsse hat.
      Stimme dir komplett zu, dass die Metalszene hier zu gewissen Teile eine Engstirnigkeit zeigt und damit eine ganz andere Haltung einnimmt, als sie oft von sich zeigen möchte. Dampf muss man nun wirklich nicht mögen, aber die Begründungen sind mir zumeist zu oberflächlich und einfach unhaltbar.
      Die Anregung mit der Kolumne ist vermerkt und vielleicht kommt zu Dampf ja noch ein weiterer Artikel :-)

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