Review Defeater – Letters Home

Grob, aber trotzdem gewohnt melodisch, harsch, aber dennoch empathisch – gerade diese letzten Punkte sind Aspekte, welche DEFEATER nicht nur im vierten Full-Length, sondern in jeder ihrer Veröffentlichungen zu bedienen wissen. Die Authentizität ihrer Musik ist das Trademark der Band, ihre geschrienen Geschichten über Wut und Verzweiflung bilden das Fundament der Alben, in der die Instrumente mehr zur Begleitung des Inhalts dienen. Das Konzept der US-Amerikaner, über eine Nachkriegsfamilie aus New Jersey zu berichten, geht seit dem Debüt „Travels“ auf und wird auch auf „Letters Home“ umgesetzt.

Packende Glanzstücke wie „Empty Glass“ oder „Dear Father“ vom Vorgänger „Empty Days & Sleepless Nights“ oder „Blessed Burden“ von „Travels“ finden sich auf „Letters Home“ aber nicht. Allen voran lassen lediglich „Dead Set“, „No Saviour“, „Rabbit Food“ und besonders „Bled Out“ aufhorchen. Bereits nach einem ersten Hören verfestigen sich die Lieder im Ohr, da sich die Struktur dieser Songs von der ersten, unerwartet härteren Hälfte des Albums abheben. Archambault klingt erst jetzt tatsächlich aufgebracht und einfühlsam, hingegen er die ersten Songs von „Letters Home“ nur geschrien zu haben schien, um deren straighten Modern Hardcore in nichts nach zu stehen. DEFEATER werden erst zum Ende dieses Albums wirklich stark: Schleppende Schwere und treibende Drum-Parts verbinden sich mit dem wehleidig wie ergreifenden Gesang und einer vielseitigen Melodik. Hier zeigt sich, wodurch sich die aus Boston stammende Formation von Szene-Kollegen wie Verse, Have Heart und Modern Life Is War abheben.

Mit „Letters Home“ liefert das Quintett mit Hinblick auf den Vorgänger ein deutlich härteres Album ab, welches die Individualität eines „Empty Days & Sleepless Nights“ nicht erreicht. Die blockartige Aufteilung von „Letters Home“ in eine stürmische erste Hälfte und eine abwechslungsreiche zweite Hälfte bekommt dem Album nicht so gut, wie es die vier akustischen Songs auf „Sleepless Nights“ nach den zehn dynamischen Liedern auf „Empty Days“ taten. Und gerade mit Hinblick auf Gänsehaut-Giganten wie „But Breathing“ oder „Brother“ hätte „Letters Home“ auch akustische Songs vertragen können. Das für DEFEATER bereits bekannte Auflösen des Spannungsbogens am Ende eines Songs nutzt die Band im Laufes des Albums mit einer solchen Regelmäßigkeit, dass es mitunter eintönig und vorhersehbar wird. Dabei haben DEFEATER eine zusätzliche musikalische Dramaturgie durch ein aufwühlendes Outro nicht nötig, um ihre Texte zu betonen. Ein Erscheinen von „Letters Home“ nach „Travels“ wäre imposanter gewesen als nach dem fesselnden „Empty Days & Sleepless Nights“, denn so wirkt die aktuelle Platte wie ein Rück- anstatt ein Fortschritt.

Wertung: 7 / 10

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