Review Depeche Mode – Playing The Angel

Es gibt Bands, welche aus wenig erkennbaren Gründen mühelos Grenzen überspringen. So sind Lacrimosa – im Metalbereich oft belächelt – in der Punkszene bekannt und bei so manchem Technoiden beliebt. Den umgekehrten Weg gehen seit vielen Jahren die britischen Elektro-Popper DEPECHE MODE, welche nicht erst seit diversen, mehr oder weniger gelungenen Cover-Versionen so unterschiedlicher Metalbands wie In Flames (“Everything Counts”) oder Lacuna Cool (“Enjoy The Silence”) bei vielen kettenbehängten Kuttenträgern bekannt sind.

Dabei war es zuletzt ziemlich ruhig geworden um Andy Fletcher, Dave Gahan und Martin Gore. Und so fragte sich so mancher Fan berechtigterweise, ob die Qualität von Meilensteinen wie “Violator”, immerhin schon 17 Jahre alt, überhaupt auch nur ansatzweise wieder erreicht werden wird können. Tatsächlich sieht man den Herren das Alter nicht nur in der Geburtsurkunde an, auch auf den Bildern im Booklet ist eine gewisse Reife nicht abzusprechen. Nun, sie wären nicht die Ersten, die im fortgeschrittenen Alter noch eine Meisterleistung schaffen würden, zumal sie in der Vergangenheit ihr Gespür für Melodien, die in Ohr, Herz und Bein gehen, hinlänglich unter Beweis gestellt haben. Machen wir es kurz: auch auf “Playing The Angel” treffen diese Prädikate zu, vor allem die erste Hälfte sprüht nur so vor Ideenfreude. Der zackige Opener “A Pain That I`m Used To” könnte also auch heißen “A Quality That You`re Used To”, nicht zuletzt deshalb, weil auch die folgenden Nummern das Niveau hochhalten. “John The Revelator” kommt lyrisch ziemlich aggressiv daher, “Suffer Well” besticht eher durch britisch-schwarzen Humor und ist ein ruhigerer Song, der nichts desto Trotz meiner Meinung nach zu den absolut besten Liedern des Albums zu zählen ist. “The Sinner Inside” bietet einiges an Abwechselung, nicht nur, weil es mit dem Refrain anfängt und “Precious” ist zwar eine schmalzige Ballade, aber sicher nicht so schlecht, wie es von manchem Musikredakteur gemacht wurde.

Die zweite Hälfte wird von den eher elektrisch veranlagten Fans vielleicht sogar besser bewertet, mit Fug und Recht kann man behaupten, dass mit “Nothing`s Impossible” und “Lilian” zwei großartige Stücke hier befinden. Mir persönlich sind die Songs aber ein bisschen zu langsam geraten, der metallische Hörer mag dies vielleicht nachvollziehen können. Insgesamt ist die ganze Angelegenheit recht schnell erklärt: drei “alte” Herren zeigen, dass sie ihr Handwerk nicht verlernt haben. Teilhaben daran kann jeder, der Elektriker greift blind zu, aber auch jeder Metaller, der sich nur einigermaßen “open-minded” nennt, sollte Songs wie “Suffer Well”, “Nothing`s Impossible” und “Lilian”, die ich hier mal als Anspieltipps nennen möchte, zumindest schon mal gehört haben. Wem es möglich ist, der sollte schauen, ob er die “Deluxe Edition” bekommen kann, zusätzlich zur CD befindet sich eine gut gefüllte Bonus-DVD (u.a. Making-Of, Video zu “Precious” und Fotos). Aber auch die normale Variante bietet genug Anreiz, um mal ein wenig aus dem metallischen Einheitstrott auszubrechen.

Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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