Juni 2011

Review Devin Townsend Project – Deconstruction

DEVIN TOWNSEND PROJECT Nummer 3: „Deconstruction“. Das vorletzte Albums der aktuellen Veröffentlichungsreihe des früheren Mad Scientist of Metal dürfte wohl das am sehnsüchtigsten erwartete Album all jener gewesen sein, die noch immer vergangenen Strapping Young Lad-Zeiten nachtrauern. Denn „Deconstruction“ wurde als beinhartes, aggressives Metal-Album angekündigt. Was dies allerdings in Tagen bedeutet, in welchen sich Devin immer mehr seiner aktuellen Leidenschaft, der Popmusik, zuwendet, soll hier näher beleuchtet werden.

Wie für den kundigen Hörer der Devin Townsend-Alben seit „Ziltoid“ eigentlich klar sein sollte, klingt auch „Deconstruction“ keineswegs auch nur entfernt nach den kranken Industrial Metal-Ausgeburten „City“ oder „The New Black“. Vielmehr stellt diese Scheibe eine „Was wäre wenn“-Situation dar, als welche sie der Meister auch selbst bezeichnet: Er will seinen Fans zeigen, wie Metal aus der hauseigenen kanadischen Feder, wäre er an diesem Genre noch interessiert, heute klingen würde. Das mag erstmal für die Qualität des gesamten Releases nicht besonders ermutigend wirken, impliziert ein solches Konzept doch mitnichten pedantische Detailverliebtheit.
Doch sein wir ehrlich, Devin Townsend wäre nicht Devin Townsend, wenn er nicht trotz dieses seltsamen Prinzips etwas Großes schaffen würde. Und so wird auch aus „Deconstruction“ etwas, was eigentlich sämtliche Erwartungen übertrifft.
Die ersten beiden Songs „Planet Of The Apes“ und „Sumeria“ machen klar wohin die Reise geht und warum man begeistert sein darf: In spacig-skurriler Stimmung und mit einem Sound, der die Brücke zurück zu „Ziltoid“ schlägt, tobt sich Townsend in ausufernden Arrangements und Songkonstrukten in verschiedenen Sphären epischer, erhabener Musik aus. Die Spannung wird dabei vor allem durch die extreme Wandelbarkeit der Songs ausgemacht, jede Nummer wirkt relativ spontan und unbedarft hingeworfen, sodass „Sumeria“ mit sehr pathetischen Vocals zu Beginn später zum angepissten Prog Metal-Track avanciert, um zuletzt in verträumtem Gesang zu Akustikgitarre zu enden. Nach ähnlichem Prinzip funktionieren auch die anderen Nummern: Wuchtige Drums, über welchen sich Keyboard- und Gesangs-Chöre die Hand reichen und bombastische Atmosphäre schaffen – Verbunden wird alles durch bisweilen skizzenhafte Songideen, die ebenso schnell wieder gehen, wie sie gekommen sind. Was als Nächstes ansteht, ist kaum vorherzusagen. Die Strukturen, die den Songs somit fast komplett fehlen, werden dadurch kompensiert, dass die Themen im Vergleich zu früheren Townsend-Alben sehr transparent und nachvollziehbar umgesetzt sind, wodurch sich „Deconstruction“ fast schon als Easy Listening präsentiert.

Mag sein, dass Devin keine Lust mehr auf Metal hat, man hat das Gefühl, dass er seine Ideen gerade auf „Deconstruction“ ausufernd und hemmungslos wie noch nie umsetzt. Dadurch, dass er offenbar ganz bewusst keine Erwartungshaltung erfüllen will, fällt das Album vielfältig wie kaum jemals zuvor aus und pendelt von einem Extrem ins andere, ohne dabei die Stimmung zu vernachlässigen. Vermutlich eben deswegen, weil diese schon im Prinzip so abgefahren wirkt, dass kaum ein Element unpassend wirken könnte.
Kurz und gut: Townsend-Fans, die dem Meister nochmal dabei zuhören wollen, wie er auf die Kacke haut, Menschen, die einfach nur auf dessen Humor stehen (der ebenfalls sehr präsent ist), oder Leute, die sich langsam an die extremeren Alben herantasten wollen – „Deconstruction“ ist immer klasse. So kompromisslos hat mich noch kein Devin Townsend-Album vom ersten Hördurchgang an mitgerissen.

Anspieltipps: „Sumeria“, „The Mighty Masturbator“

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Marius Mutz

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