Mai 2007

Review Devin Townsend – Ziltoid The Omniscient

Schon im Vorfeld der Veröffentlichung dieser Scheibe bot der gute DEVIN TOWNSEND beste Unterhaltung: neben dem kongenialen Cover mit dem liebenswert-abscheulichen Ziltoid darauf gab es eine Videobotschaft von selbigem. Zusammen machten die gelieferten Sachen ziemlich deutlich klar, dass Townsend hier wieder auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn wandeln würde.

Die Geschichte, die „Ziltoid the Omniscient“ erzählt, schließt an die Absurdität des Covers an: In ferner Zukunft nähert sich das Raumschiff von Ziltoid der Erde. Der vierdimensionale (die vierte Dimension ist die Zeit) Ziltoid, der auch Gitarre spielt und singt, fordert von den Erdenbewohnern schwarzen Kaffee, der den perfekten Treibstoff für seine Maschine zur Steuerung der Zeit darstellt. Beleidigt von dem Gebräu, das ihm zugeschickt wird, greift er die Erde an und vernichtet sie – lediglich Captain Spectacular und die Crew seines Raumschiffs überleben und ziehen gegen Ziltoid ins Feld, die Erde zu rächen. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, etwas soll der geneigte Hörer ja auch selbst herausfinden.

Von Anfang an nimmt DEVIN TOWNSEND den Hörer mit auf eine musikalische Achterbahnfahrt. Teilweise sind die Lieder schon recht fordernd, stürmisch und vertrackt (so zum Beispiel das beinahe psychedelische Gitarrensolo in „Ziltoidia attaxx!“), in anderen Momenten herrlich verträumt, dann wieder dramatisch und mitreißend wie ein erstklassiger Actionfilm oder Thriller. Dazwischen mischen sich hochwertige Sprechpassagen, die wirklich immer zu gefallen wissen. Da gibt es z.B. die perfekt zur sich dramatisch steigenden Musik passende Ansprache des menschlichen Captains in „By Your Command“, die ulkigen Kommentare von Ziltoid, der sich in „Ziltoidia Attaxx!“ als „größter Gitarrist, der je gelebt hat“ betitelt oder den Schwur des Captain Spectacular am Anfang von „Solar Winds“. Extrem variabel zeigt sich Townsend zudem beim Gesang: Mal singt er fast heroisch, mal keift er, mal klingt es, als würde er wie in einem Tagtraum gefühlvoll vor sich hinsingen – und egal was er tut, er weiß zu jedem Zeitpunkt zu gefallen. Dass er auch an allen Instrumenten überzeugt, sei dazu auch noch gesagt; das Schlagzeug stammt zwar aus dem „Drumkit From Hell“, einem Drumcomputer, ist aber hervorragend programmiert.

Hört man dieses Album zum ersten Mal, so wird man vielleicht zunächst an einen trashigen SciFi-Film erinnert. Die Geschichte entbehrt natürlich nicht einer gewissen Komik: Wann hat man schon mal ein kaffeetrinkendes, gitarrespielendes, größenwahnsinniges Alien gesehen, das dazu auch noch so aussieht wie eben dieser Ziltoid? Auch auf akustischer Seite mag man zunächst eher an „heitere“ Unterhaltung denken, wenn man die Sprechpassagen hört (besonders „Omnidimensional Creator“).
Doch führt man sich die Scheibe durch Kopfhörer zu Gemüte und hört besonders auf die gesungenen Texte, so erschließt sich, wie vielschichtig der gute Devin hier eigentlich doch zu Werke geht. Als ich eben erwähntes zum ersten Mal tat und „Solar Winds“ hörte, begriff ich erst, dass Captain Spectacular und seine Crew vor dem Nichts stehen – die Erde ist vernichtet, und es ist an ihm, ihre Bewohner zu rächen, auch wenn sie ihm dafür nicht mehr danken können („and the world is gone/and we find there’s no one that’s/waiting for the light to come“). Hat man sich erstmal in die Geschichte versenkt, bekommen einige Sachen auf dieser Scheibe gleich einen ganz anderen Charakter (so bei mir eben bei „Solar Winds“ geschehen).
Und holt man mit der Interpretation ein klein wenig weiter aus und bezieht das Outro „Tall Latté“ in diese mit ein, so zeigt sich, dass sowohl Ziltoid als auch Captain Spectacular manifestierte Wünsche sind: Ziltoid kann den Lauf der Zeit beeinflussen, ist ein großer Herrscher und beinahe allmächtig, der Captain ist quasi das personifizierte Heldentum und streitet für einen höheren Zweck. Wer hat nicht schon davon geträumt, eine Gestalt, wie sie diese beiden Figuren verkörpern, zu sein?

Zum Schluss bleibt nur noch zu sagen, dass das hier wirklich ein großartiges Album ist, das geradezu Kinocharakter hat: Breitwandsound, eine tolle und originelle Geschichte, Stimmungswechsel und eine etwas eigene, aber unterhaltsame Komik verbinden sich zu einem tollen Hör- und Fühlerlebnis, das ich jedem, der die Musik von DEVIN TOWNSEND mag oder offen für viele musikalische Stile und Strömungen auf einem Haufen ist, wärmstens empfehlen kann. Unbedingt mehrmals hören, hier gibt’s viel zu entdecken! Einen kleinen Wermutstropfen gibt es dennoch: Devin hat sich aus dem öffentlichen Musikleben zurückgezogen und man wird Ziltoid daher wohl nie live erleben, aber es bleibt die Gewissheit, dass er uns noch mit weiteren Soloalben beglücken wird. Prepare your finest coffee!

Wertung: 9.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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