Review Fear Factory – Aggression Continuum

FEAR FACTORY haben eine lange und bewegte Geschichte hinter sich: Vor 2000 eine wegbereitende Industrial-Metal-Band, die sich von Album zu Album konsequent gesteigert hat, waren die Jahre nach der Jahrtausendwende von einer einzigen juristischen Schlammschlacht um Namensrechte und diversen Besetzungswechseln geprägt – was schlussendlich dazu führte, dass Gitarrist Dino Cazares FEAR FACTORY verließ. Trotzdem kamen mit „Archetype“ und „Transgression“ noch zwei Alben mit Ex-Bassist Christian Olde Wolbers an der Klampfe heraus, die qualitativ an die ersten drei Alben anknüpfen konnten – während die drei Nachfolger zwischen 2010 und 2015, wieder mit Cazares an der Gitarre, recht generisch daherkamen. Nun sind weitere sechs Jahre ins Land gezogen und mit „Aggression Continuum“ steht das mit Spannung erwartete neue Album in den Startlöchern.

In Anbetracht dessen, dass der langjährige Frontmann und Sänger Burton C. Bell Ende 2020 seinen endgültigen Ausstieg bei FEAR FACTORY bekannt gab, konnte man bis zuletzt nicht ganz sicher sein, ob er noch auf dem neuen Longplayer zu hören sein würde – zumal zwischen ihm und Cazares aufgrund von Differenzen die Albumfinanzierung betreffend alles andere als eitel Sonnenschein herrscht. Hier kann allerdings Entwarnung gegeben werden: Bell ist am Start und gibt seine gewohnte Mischung aus gegrowlten Strophen und melodischen Refrains zum Besten.

Cazares‘ Gitarrenspiel ist, FEAR-FACTORY-typisch, im absoluten Einklang mit dem Doublebass-Gewitter von Mike Heller. Für das nötige Fundament untenrum sorgt Static-X-Bassist Tony Campos, der seit 2015 mit an Bord ist. Und natürlich dürfen die obligatorischen Keyboard- und Synthesizer-Flächen nicht fehlen: Auch hier ist mit Rhys Fulber von Frontline Assembly ein alter Bekannter auf der Gästeliste, der schon auf dem legendären „Demanufacture“-Album für eine großartig unterkühlte Atmosphäre gesorgt hat. Mit Igor Khoroshev von Yes (ja, die legendäre Progressive-Rock-Band!) haut aber noch eine weitere Legende in die Tasten.

Was nun zu einer interessanten Mischung hätte werden können, geht allerdings ein wenig nach hinten los: Mit jedem weiteren Jahr wird deutlicher, wie überhaupt nicht mehr zeitgemäß und kitschig das elektronische Beiwerk von Fulber (und eben auch von Urgestein Khoroshev) ist – so gehört im fast schon schmierigen „Purity“. Wenn man so etwas wie das orchestrale Intro des Titeltracks als Persiflage auf 80er-Jahre-B-Movie-Soundtracks versteht, tut es nicht ganz so weh. Aber es bleibt mehr als ein Funken Restzweifel, dass diese Elemente keine selbstironischen Zitate  sind.

Das führt zu einem Problem, das FEAR FACTORY spätestens seit „Mechanize“ verfolgt: Alles klingt ein wenig beliebig und in jedem Moment vorhersehbar. Wer den FEAR-FACTORY-Sound mag, wird auch „Aggression Continuum“ mögen, ohne jede Frage. Wer aber aus unerfindlichen Gründen immer noch daran glaubt, dass Cazares und Konsorten sich neu erfinden könnten, wird zum zehnten Mal enttäuscht.

So bleibt festzuhalten: Die einzige Kurve, die evolutionsbedingt ein wenig nach oben geht, dürfte die Lautstärkekurve sein, ansonsten ist alles beim Alten: Harte Stakkato-Gitarren-Strophen treffen auf melodische Clean-Gesang-Choruspassagen, mehr oder weniger oldschool klingende Synthesizer treffen auf ultrahart getriggertes Schlagzeugspiel. Wer damit kein Problem hat, wird seinen Spaß haben – aber ein würdiger Abschluss der Ära „Bell-Cazares“ sollte anders klingen. Schade eigentlich.

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Wertung: 5 / 10

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