Review Fjørt – Kontakt

Es ist eigentlich kaum zu glauben, dass FJØRT sich erst 2012 gegründet haben, hat doch kaum eine zweite Band hierzulande in den letzten Jahren derartige Aufmerksamkeit erfahren und mit Dauerpräsenz geglänzt wie das Trio aus Aachen. Die rasante Entwicklung von einer kleinen Undergroundband zu einer anerkannten Größe und Referenz im Bereich des Post-Hardcores ist nicht nur an steigenden Zuschauerzahlen bei Konzerten der Band zu erkennen, sondern manifestiert sich auch musikalisch: Während FJØRT auf ihrer EP „Demontage“ in erster Linie dreckig und ungestüm zu Werk gingen, konnte ihr erstes Album „D’accord“ bereits etliche Finessen aufzeigen und damit begeistern. Mit „Kontakt“ gehen FJØRT den nächsten konsequenten Schritt: Härte, Leidenschaft, Sehnsucht und Nachdenklichkeit geben sich auf „Kontakt“ die Klinke in die Hand, sodass sich der Zweitling der Band als ein stimmiges, mitreißendes Gesamtpaket präsentiert, das einen permanenten Schlag in die Magengrube darstellt und gleichzeitig mit melancholischen Momenten und großartigen Texten aufwartet.

Mit Kinderlachen und -geschrei vom Schulhof eröffnet „In Balance“ „Kontakt“, bis sich tiefe, verzerrte Töne den Weg nach vorne bahnen und Chris über einen verschleppten, wenig melodiösen Teil giftige Zeilen spuckt. Erst nach knapp zwei Minuten kommt schließlich so etwas wie Melodie ins Spiel. Insgesamt ist der Opener dennoch ein zurückhaltender Einstieg, der auf den großen Knall verzichtet – dieser ertönt in „Anthrazit“ nach einem verhallten Klavierintro allerdings in Form von Blastbeats umso heftiger. Das Klavier spielt immer wieder eine große Rolle auf „Kontakt“, sei es als prominente Eröffnung wie im großartigen „Lichterloh“ oder als perfekte Untermalung, wie im Refrain des umwerfenden, straighten Titelstücks „Kontakt“. „Prestige“ bläst den Hörer mit einem unmittelbaren Beginn, einem treibenden Schlagzeug, fetten Riffs in bester Punkmanier nach vorne, während Nummern wie „Mantra“ oder auch „Revue“ in Ergänzung zeigen, dass FJØRT die Kombination aus Post Hardcore, Punk und Post Rock bereits auf ihrem zweiten Album nahezu perfektioniert haben, ohne vor Indierock-Elementen zurückzuschrecken.

Wer den Gesang und die Art, wie Chris seine poetischen Texte im Wechselspiel mit Basser David vorträgt weder auf „Demontage“ noch auf „D’accord“ mochte, wird damit auch auf „Kontakt“ wenig anzufangen wissen. Dabei sind die Texte dieses Mal noch lyrischer, noch direkter, noch wütender und gleichzeitig persönlicher und politischer: FJØRT verarbeiten hier sowohl persönliche Gespräche als auch politische Ereignisse. So sind Lieder wie „Prestige“ oder „Paroli“ eindeutige Statements gegen Fremdenfeindlichkeit und ein Aufruf zum Widerstand, während „Kontakt“ oder der epische, treibende Abschluss „Lebewohl“ stellenweise fast an eine der Jens-Rachut-Bands erinnern.
Mit „Kontakt“ legen FJØRT ein durchdachtes, sperriges Album vor, das die Verbindung zwischen Härte und Melodie, zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen Wut und Melancholie sowohl musikalisch als auch textlich absolut mitreißend präsentiert. Wenn auch der Einstieg noch etwas verhalten und unausgegoren wirkt und nicht alle Songs durchgängig begeistern, ist „Kontakt“ absolut mitreißend, packend und leidenschaftlich. Ähnlich wie Escapado nutzen FJØRT den Wechsel zum Grand Hotel Van Cleef um ihren Sound weiter zu perfektionieren. Und jetzt wieder auf die Bühnen dieses Landes, die Faust nicht mehr in der Tasche geballt, sondern in die Luft gestreckt und mitgeschrien.

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Wertung: 8.5 / 10

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