Review Green Carnation – Leaves Of Yesteryear

So ungewöhnlich die Musik von GREEN CARNATION ist, so untypisch war auch das Ende der Band: Die norwegischen Progressive-Metaller verabschiedeten sich 2007 nicht etwa mit einem lauten Knall, sondern ließen ihre Fans mit einer rein akustischen, letzten Platte – „The Acoustic Verses“ (2006) – zurück. Das Comeback der Band sollte dafür jedoch umso mehr Aufsehen erregen. Mit „Last Day Of Darkness“ (2018) verpassten GREEN CARNATION ihrem renommierten Ein-Track-Album „Light Of Day, Day Of Darkness“ (2001) eine Live-Version. Dass es sich dabei nicht bloß um ein kurzes, nostalgisches Aufflackern, sondern um den Auftakt zu einem neuen Kapitel der Band handelte, bekräftigt das Sextett nun in Form eines neuen Studioalbums mit dem Titel „Leaves Of Yesteryear“.

Die sechste LP der Norweger ist augenscheinlich eine anachronistische Angelegenheit. Fünf Tracks umfasst das Album, doch nur drei davon sind neu. Beinahe die Hälfte der dreiviertelstündigen Laufzeit machen einerseits eine Neuaufnahme von „My Dark Reflections Of Life And Death“ – ursprünglich zu finden auf dem Debüt „Journey To The End Of The Night“ (2000) – und andererseits ein Cover von Black Sabbaths Track „Solitude“ aus dem Jahr 1971 aus. Auch stilistisch setzen sich GREEN CARNATION zwischen die Stühle. Obgleich sich die neuen Stücke nach wie vor kürzer, geradliniger und konventioneller als die Frühwerke der Band gestalten, gehen die Norweger hier doch wieder deutlich progressiver und rockiger zu Werke als zuletzt auf „The Acoustic Verses“.

Mit seinem theatralischen Gesang, seinen kräftigen Gitarrenriffs und Schlagzeugrhythmen, seinen spacigen Leads sowie seinen verspielten Keyboardmelodien beinhaltet „Leaves Of Yesteryear“ sämtliche Kernmerkmale einer guten Prog-Rock-Schreibe. Als Visionäre profilieren sich GREEN CARNATION über ihre weitgehend leicht zu verfolgenden Songs zwar nicht, dafür bekommt man im Prog-Sektor selten so eingängige Refrains zu hören, wie sie die Norweger hier etwa im schwungvollen „Sentinels“ und im pompös getragenen „Hounds“ zustande gebracht haben. Auch das im Vergleich zum Original merklich glattere Re-Recording des 15-Minuten-Epos „My Dark Reflections Of Life And Death“ weiß mit seinen mysteriösen, fast schon desolaten Clean-Gitarren-Abschnitten zu gefallen.

Dass GREEN CARNATION die Songs in ihrem Perfektionismus praktisch fehlerlos umgesetzt haben, dabei aber auch kaum kreative Risiken eingehen, ist jedoch ein wenig enttäuschend. So wirkt „Leaves Of Yesteryear“ über weite Strecken zu bieder, um die Hörerschaft in Aufregung zu versetzen. Insbesondere Kjetil Nordhus‘ Vocals machen in den druckvolleren Songs einen etwas schmächtigen Eindruck. Erst im sanfteren, melancholischen „Solitude“ wirkt sein schmachtender Gesang wirklich gut aufgehoben – mögen GREEN CARNATION in ihrer Interpretation des Stücks auch nicht ganz an Ulvers Version heranreichen.

Progressive Metal muss nicht zwangsläufig experimentell sein. Wie etwa Steven Wilson mit „To The Bone“ (2017) bewiesen hat, kann man derartige Musik auch schlicht rockig oder gar poppig spielen, ohne sie dabei der Banalität preiszugeben. In diesem Sinne haben auch GREEN CARNATION mit „Leaves Of Yesteryear“ ein durchaus hörenswertes Album kreiert, das mit seinem kurzweiligen Songwriting und seinem ausgeglichenen Sound punktet. Wer beim Musikhören gerne herausgefordert werden möchte, könnte „Leaves Of Yesteryear“ jedoch womöglich etwas zu unspektakulär finden. So oder so werden sich die meisten Fans wohl einig sein, dass es schön ist, GREEN CARNATION wieder zu haben.

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Wertung: 7 / 10

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3 Kommentare zu “Green Carnation – Leaves Of Yesteryear

    1. So ein unnötiger Fehler – ich hatte es mir eigentlich sogar richtig notiert, aber beim Schreiben dann offenbar irgendwie ausgeblendet…
      Danke für dein dennoch ausgesprochenes Lob und schön, dass dir das Album auch gefällt. :)

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