Review Keep Of Kalessin – Katharsis

Lange wirkte es, als stünde KEEP OF KALESSIN eine große Zukunft bevor: Nach zwei starken Alben Ende der 1990er-Jahre gelang Mastermind Obsician C. mit der „Reclaim“-EP 2003 in Allstar-Besetzung ein echter Coup. Das darauffolgende Album „Armada“ (2006) war zwar wieder deutlich weniger prominent besetzt, dafür nichts weniger als ein Meisterwerk. Darauf baute das etwas zahmere „Kolossus“ (2008) auf und mit „The Dragontower“ vom auch sonst arg kitschigen „Reptilian“ (2010) konnten sich KEEP OF KALESSIN sogar ins Halbfinale des norwegischen Eurovision-Song-Contest-Vorentscheids mogeln.

Auf dieses Karrierehoch folgte allerdings der nächste Umbruch: Sänger Thebon verließ die Band, Obsidian C. übernahm auch noch den Gesang – und nach einer etwas längeren Phase der Neuorientierung meldeten sich KEEP OF KALESSIN 2015 mit „Epistemology“ zurück – einem Album, das genau so blutleer war wie sein trockener Titel („Erkenntnistheorie“). Dass ihnen damit nicht der große Wurf gelungen war, müssen die drei Norweger selbst gemerkt haben. Nach intensivem Touren im Releasejahr wurde es jedenfalls schnell wieder sehr ruhig um die Band.

So ziemlich aus dem Nichts kam deshalb im Dezember 2022 die Ankündigung eines neuen Albums – dass die Band es ausgerechnet der Kommerz-Veranstaltung „70.000 Tons Of Metal“ überließ, Namen und Releasetermin zu verkünden, sorgte allerdings für Befremden. Auch das wenig später veröffentlichte Artwork mit Portrait-Foto im Filmplakat-Stil lässt nicht unbedingt eine Rückkehr zum Black Metal erwarten. Zumindest etwas besser als „Epistemology“ sollte es dann aber doch sein. Doch selbst in diesem Punkt dürften sich die Geister scheiden. Denn wo KEEP OF KALESSIN definitiv auf mehr Abwechslung als auf dem Vorgänger setzen, fehlt es auch „Katharsis“ an (positiven) Wow-Momenten und Hits. Die wieder etwas gesteigerte Vielfalt erreichen KEEP OF KALESSIN vornehmlich durch Keyboard und Klargesang in verschiedenen Variationen, aufhorchen lässt allenfalls das ultra-tighte Drumming von Neuzugang Wanja “Nechtan” Gröger (ex-Negator) aus Hamburg.

Erschreckend belanglos bleibt hingegen das Songwriting. Das zeigt sich besonders deutlich beim längsten Track des Albums, dem Zehnminüter „The Obsidian Expanse“: Der sphärisch-atmosphärische Mittelpart mag ganz nett sein, rechtfertigt aber keineswegs die Laufzeit dieses ansonsten erschreckend drögen Songs. Auch das darauffolgende „Throne Of Execration“ hat außer einem Refrain, der eher zum Schunkeln als zum Headbangen einlädt, wenig zu bieten – zu wenig jedenfalls für 8:08 Minuten. Nimmt man noch das spaceige Outro „The Eternal Swarm“ dazu, kann man sich die letzten 20 Minuten also getrost sparen. Wer sphärischen Extreme-Metal hören will, ist bei Khonsu aus Norwegen oder Vyre aus Deutschland weit besser aufgehoben!

Zumindest etwas mehr ist in der ersten Albumhälfte geboten: Der Titeltrack „Katharsis“ startet mit einer Drumroll und viel Synthie-Pathos über dem ersten Riff so furios wie opulent – um ein paar Leadgitarren und Cleanvocals angereichert ist der Track zwar weit eher „Reptilian“ als „Armada“ – aber insgesamt nicht schlecht. „Hellryde“ kommt überraschend rockig daher, driftet aufgrund der Instrumentierung aber schnell in Richtung von Metallicas „S&M“ ab. Wem das schon zu kitschig war, der sollte besser schnell ausmachen: Das spritzige „The Omni“ wie auch “War Of The Wyrm” haben coole Keyboard-Parts, werden aber von Chören erdrückt, in „From The Stars And Beyond“ gibt es mehr davon (und ein Piano) und „Journey’s End“ – wie dem vorigen Absatz zu entnehmen nicht etwa das Albumende, sondern etwa seine Mitte, ist eine ziemlich schwülstige, musikalisch banale Stadion-Rock-Ballade, die eigentlich nur aufhorchen lässt, weil man soetwas nun wirklich nicht von KEEP OF KALESSIN erwartet hätte.

Die große Frage für KEEP OF KALESSIN wird sein, ob sie mit „Katharsis“ die richtige Hörerschaft erreichen: Wem „Epistemology“ zugesagt hatte und wer sich an Power-Metal-Pathos nicht stört, könnte mit „Katharsis“ sein Glück finden. Was allerdings die langjährigen Fans angeht, dürfte dieses Album tatsächlich eine gründliche „Reinigung“ herbeiführen: Wer KEEP OF KALESSIN mit „Armada“ oder noch früher kennen und lieben gelernt hat, wird auf „Katharsis“ nichts Liebenswertes mehr finden.

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Wertung: 4.5 / 10

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