Review Kiuas – The Spirit Of Ukko

Eine große Überraschung erreicht uns hier zur Mitte des Jahres aus dem Land der 1000 Seen! Zwar bin ich stets bemüht, vorgezogene Fazits zu vermeiden, doch was uns diese fünf jungen, dynamischen Finnen auf ihrem Debütalbum „The Spirit Of Ukko“ darbieten, strotz nur so vor Kraft, Melodie, Intensität und Frische, sodass ich nicht umhin komme, die Platte schon gleich vorweg als eine der besseren Veröffentlichungen der ersten Jahreshälfte zu titulieren. Benannt nach dem finnischen Wort für ein unentbehrliches Objekt ihrer Kultur, dem Heizofen in der Sauna, frönen KIUAS der altertümlichen finnischen Mythologie und dem Heidentum, wie es das tolle Coverartwork wohl schon durchaus erahnen lässt. Abgebildet ist hier „Ukko“, der sehr alte und weitgehend vergessene finnische Gott des Wetters, der Ernte und des Donners, welcher – vergleichbar mit Zeus und Odin – die mächtigste Gottheit von allen darstellt. In die deutsche Sprache übersetzt, bedeutet sein Name schlicht und einfach „alter Mann“.

Musikalisch sind Kiuas jedoch wider sämtlichen Erwartungen keineswegs dem Viking/Pagan Metal-Genre zuzuordnen. Das stilistische Bild wird von schnellem, kraftvollem Power Metal beherrscht und weist auch einige melodische Death Metal-Anstriche auf. Leicht thrashig angehauchte Riffs und vereinzelte Passagen mit wuchtigen Blastbeats steigern die Massivität hier und da noch zusätzlich, wobei Kiuas dennoch zu keinem Zeitpunkt abgedroschen klingen oder von ihrer klaren instrumentalen Linie abweichen. Die Kompositionen sind über weite Strecken sehr treibend, aggressiv und mitreißend, vor allem aber durchweg nachvollziehbar. Das häufig präsente Keyboard erinnert mitunter durchaus an ihre Landsmänner von Children Of Bodom, insbesondere bei den schnellen und penetranten Läufen, allerdings wird es nie zu einem störenden, aufdringlichen Element inmitten der eindrucksvollen Klanglandschaft, sondern versteht es, vorwiegend sehr songdienlich im Hintergrund zu arbeiten, die Gitarren bereichernd zu unterstützen und ihnen in den richtigen Momenten das Feld zu überlassen.

Sänger Ilja Jalkanen überzeugt durch sein angenehm klares und dennoch sehr aggressives Organ, wobei er sich weder in akrobatisch hohe Stimmlagen schraubt noch dem todesmetallischen Grunzgesang verfällt. Dafür wechselt er – wie z.B. bei den ersten Versen von „Warrior Soul“ – stellenweise zu herrlich derbem Reibeisengesang, der hervorragend mit dem instrumentalen Hintergrund konform geht. Und obwohl die Musik von Kiuas nicht unbedingt innovativ ist, klingt sie dennoch recht individuell und kommt mit einem gehörigen Maß an Wiedererkennungswert daher. Als Querverweis bieten sich wohl am ehesten die schwäbischen Power Metaller Brainstorm an, neben den bereits erwähnten Children Of Bodom hört man zudem gelegentlich ein bisschen Sonata Arctica heraus und ebenso schlagen sich auch einige Einflüsse aus dem klassischen Heavy Metal der 80er Jahre sehr positiv im Gesamtsound nieder, welchem eine äußerst saubere und druckvolle Produktion zueigen ist.

Schnell und präzise wie ein Speer schießt schon der Opener und Titeltrack aus den Boxen. Er lässt den Funken voll und ganz auf den Hörer überspringen, wartet mit wieselflinken Gitarren- und Keyboardläufen auf und bringt das Herz durch einen großartigen Refrain zum bersten! Als nicht minder hymnisch, eingängig und rasant entpuppt sich das nachfolgende „On Winds Of Death We Ride“, welches ebenfalls mit einem starken Kehrreim ausgestattet ist und in hohen Geschwindigkeiten wütet. Aber spätestens „Warrior Soul“ dürfte der Begeisterung jegliche Fesseln sprengen, so ist doch schon alleine der hitverdächtige Refrain schlichtweg ein kleines Geschenk an den Hörer. Es handelt sich hierbei um das vielleicht beeindruckendste Stück der Platte: Melodiös, ergreifend, ungemein stimmig und dennoch extrem heavy. Absolute Referenz! Und wenn man als Hörer schon der Ansicht ist, dass das nachfolgende Lied im Anschluss an eine solch bärenstarke Nummer nur haushoch verlieren kann, schieben diese entfesselten Musiker mit „Until We Reach The Shore“ tatsächlich noch einen weiteren Übersong hinterher: Hoher Keyboardgehalt und wieder mal großes Ohrwurmpotenzial, sehr atmosphärisch, ungemein mitreißend, überaus harmonisch und einprägsam. Wahnsinn!

„Across The Snows“ verwöhnt den Hörer durch ein klassisches Folk-Intro, bei dem eine verträumte Akustikgitarre im Duett mit einer stimmungsvollen Flöte zu hören ist. Hier vernimmt man eindeutig ein grüßendes Augenzwinkern in Richtung Ensiferum und Moonsorrow. „He came along across the snows, spitting curses from his mouth…”, heißt es in den ersten Zeilen, von denen an das Stück gleich sehr episch und mächtig ist und dies nahezu im gesamten weiteren Verlauf bleibt. Textlich basiert das Lied auf einem Heldengedicht aus der Kalevala, dem finnischen Nationalepos. Das abschließende „And The Northstar Cried“ zeichnet sich besonders durch den Einsatz einer sehr eleganten und geradezu erhabenen Violine aus. Der bombastische Anfang erinnert mich ab dem Erklingen der Gitarren stark an die russischen Symphonic Black Metaller Tvangeste. Der Chorus wirkt allerdings ein bisschen poliert und geschliffen – in seiner Gesamtheit betrachtet, kommt der Song leider nicht über das Prädikat „solide“ hinaus. Schade, denn aus diesen letzten sieben Minuten hätte man mehr machen können.

Resümierend bleibt jedoch festzuhalten, dass es auf „The Spirit Of Ukko“ keinen wirklichen Totalausfall zu vermelden gibt, sondern mit dem etwas zu schräg und ausdruckslos anmutenden „No More Sleep For Me“ und dem pathetischen, midtempo-lastigen „Thorns Of A Black Rose“ allerhöchstens zwei relativ schwache bzw. unscheinbare Songs enthalten sind. Wenn es also unter meinen persönlichen, diesjährigen Neuentdeckungen neben Insignium und Fjoergyn noch eine weitere Combo gibt, die ich aufgrund ihres furiosen Debütalbums bedingungslos im Auge behalten werde, dann sind dies zweifellos die sympathischen Finnen von Kiuas. Denn selten spürt man auf einem Erstling soviel Herzblut und Enthusiasmus!

(Daniel H.)

Wertung: 8 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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